Irgendwie waren irgendwo einmal Querverweise zu Quentin Tarantinos Meisterwerk "Kill Bill" zu lesen. Von wegen großes Racheepos, gnadenlos und brutal. Das mag auf beide Filme zutreffen, doch unterschiedlicher können sie eigentlich kaum mehr sein. Bei "Kill Bill" geht eine Frau auf Rachetour und rächt sich auch sichtbar äußerst gewaltsam und blutrünstig.
Bei "Oldboy" wird ein scheinbar x-beliebiger Mann, Oh Dae-Su sein Name, 15 Jahre in ein Zimmerlein gesperrt, dort zwar lebensnotwendig versorgt, aber mehr menschliche Zuneigung bekommt er nicht zu spüren. Nach exakt 15 Jahren wird er wieder entlassen und fortan macht er sich natürlich auf die Suche nach seinem Peiniger. Auch Oh Dae-Sus Rache ist voll von optischen Spielereien und blutigen Kämpfen, doch was am Ende bleibt, ist ein ganz ganz bitterer Beigeschmack, denn jeder, auch Oh Dae-Su, denkt, die Peinigung sei vorbei. Doch in Wahrheit befindet er sich noch mittendrin. Und genau das macht hier die Schockwirkung aus. Gnadenlosigkeit ist hier Programm. Wo manche Rachefilme aufhören, geht es hier erst los. Und Rächer ist nicht Rächer, sondern eigentlich Gerächter. Und der, der eigentlich Gerächter sein sollte, ist hier Rächer.
Klingt vielleicht etwas konfus und verwirrend, doch mit "Oldboy" entstand ein Meisterwerk des tiefgründigen, poetischen, aber auch brutalen Kinos. Oh Dae-Su lebt während seiner 15 Jahre Gefangenschaft von Teigtaschen, die im tagtäglich durch eine kleine Luke in der Türe gereicht werden. Ihm stehen noch ein Bett und ein Fernseher zur Verfügung, der es ihm ermöglicht, wichtige Geschehnisse zu verfolgen und in sein Gedächtnis aufzunehmen. Irgendwie lässt da Natascha Kampusch grüßen, auch wenn es vielleicht ein wenig makaber klingt. Ist Oh Dae-Su endlich wieder auf freiem Fuß, macht er sich langsam daran, den Menschen zu finden, der ihm diesen Horror 15 Jahre lang angetan hat. Schon bald hat er eine Spur und ihm wird ein Ultimatum gestellt, bis zum 5.7. dieses Jahres den Täter und dessen Motiv zu entlarven, ansonsten bringt dieser sich um und mit ihm würde dessen Geheimnis sterben. Natürlich will Oh Dae-Su wissen, wer hinter all dem steckt und macht sich auf eine lange und sehr schmerzhafte Suche, an deren Ende eine noch schrecklichere Erkenntnis lauert, als er sie sich in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hat.
Hier begleiten wir nicht den Protagonisten auf seinem langen, blutgetränkten Rachefeldzug. Gut, wir tun es schon, doch der Zuschauer weiß zunächst genauso wenig wie seine Identifikationsfigur, welches Spiel eigentlich gespielt wird. Auf rein psychischer Ebene kennt "Oldboy" so gut wie keine Tabus und setzt genau immer dann noch einen Schuss drauf, wenn man mit nichts mehr Schlimmerem rechnet. Bis zum bitteren Showdown werden dem Zuschauer ästhetische Bilder, ein gnadenlos guter und Gänsehaut erzeugender Soundtrack sowie intelligente Erzähltechniken geboten, die die sonst recht schwere Kost zugänglicher machen. "Oldboy" ist nämlich sicherlich kein Unterhaltungskino. Was wiederum ein krasser Unterschied zu Tarantinos "Kill Bill" darstellt.
Die eigentliche Härte des Films, der allein vordergründig schon für die ein oder andere wirklich herbere Szene gut ist, stellt jedoch der Gesamtkomplex dar. Wie hart muss es sein, 15 Jahre lang in einem Zimmer eingesperrt zu sein ? Noch dazu, wenn man nicht die leiseste Ahnung hat, wieso das gerade mit einem geschieht ? Würde man diese 15 Jahre überhaupt durchstehen und sich nicht irgendwie versuchen, das Leben zu nehmen ? Oh Dae-Su hat keinerlei Bezugspersonen oder Unterhaltungsmöglichkeiten, von seinem Fernseher mal abgesehen. Jeden Tag bekommt er das selbe zu essen und jeder Versuch, wenigstens den Grund seiner Entführung zu erfahren, wird im Keim erstickt. Nur allzu verständlich mag es dann sein, dass der Gepeinigte letztendlich Täter und Motiv kennenlernen möchte und somit begibt er sich auf die Suche. Schnell lernt er auch eine Komplizin kennen, eine Bedienung in einem Restaurant. Sofort kommen sie sich näher und Oh Dae-Su ist nicht mehr länger allein. Bald stoßen sie gemeinsam auf eine Spur, die in die Vergangenheit Oh Dae-Sus führt. Auch dort werden wir wieder Zeuge von etwas Schrecklichem, doch auch das ist wieder nur der Anfang von noch viel Schlimmerem. Als Oh Dae-Su zum Schluss das Paket öffnet, ist man dann erstmal sprachlos. Der Gänsehautsoundtrack und die dazu gezeigten Bilder. Ich fühlte mich an den allseits bekannten Karton aus dem "Sieben"-Showdown erinnert. Und irgendwie liege ich da nicht sonderlich falsch.
"Oldboy" ist sicher nicht der Hau-drauf-Rache-Schinken, den sich viele erhofft haben. Vielmehr bietet er poetische, anspruchsvolle Unterhaltung, deren Herkunft kaum zu verleugnen ist. Bitter, packend, melancholisch, deprimierend und knallhart. Für Leute, die Lust auf gute Laune haben, ist dieser Film definitiv nicht geeignet. Harte Bilder, die mit einem noch härteren Storyverlauf im Einklang stehen. Sieht man nicht alle Tage, doch das ist auch gut so. Ein Film, wie er sein soll.
8,5/10 Punkte