Dass Korea mittlerweile kein Geheimtipp mehr ist, was gute bis sehr gute Filme angeht, ist ja bekannt, aber dass diese Koreaner auch immer wieder eins draufsetzen können: Respekt.
Aber:
Das Schlechte erstmal vorneweg: Wenn man nicht weiß, worum es in diesem Film, nur Gutes darüber in den Medien gehört hat, und um einem Mädel zu imponieren, ihr vorschlägt, zum ersten Date in diesen Film hineinzugehen, sie auch nicht abgeneigt ist, da der Film ja nur ein Aufhänger für den Rest des Abends werden soll, dann könnte sich das als fataler Fehler erweisen. Du könntest als eine Art Travis Bickle erscheinen...
Und wieso soll das so sein?
Jetzt kommen wir zum Guten:
Der Film ist irre. Einfach nur irre und durchgeknallt.
Er ist verdammt konstruiert und alles was hier passiert, ist dermaßen übertrieben und over-the-top, dass er haarscharf am Total-Desaster vorbeischrammt.
Es gibt grausig schlechte Blaxploitation Movies mit besserer Handlung.
Oldboy zieht sich scheinbar ewig in die Länge und wirkt wie drei verschiedene Filme auf einmal, und selbst als man denkt, er ist endlich zu Ende - und das ist nun wirklich einer jener sehr guten Filme, bei denen man das Ende herbeisehnt - haut uns der Regisseur Park Chan Wook nochmal was um die Ohren.
Beziehungsweise er tritt uns in den Unterleib, unverdrossen und unaufhörlich oft.
Er penetriert dein Bewußtsein und pervertiert jede antike griechische Tragödie. Es kommt nicht von ungefähr, dass sein Protagonist Oh-Dae Sou heißt - Odysee, hmm hmmm, dämmert's?
(SPOILER:Prinzipiell hätte man ihn auch Oh Dae Puh nennen können, wäre das zu offensichtlich gewesen? SPOILER ENDE)
Dabei sind es gar nicht so sehr die ohnehin schon sehr exzessiven Gewaltdarstellungen, die einen abschrecken, es ist das, was off-Panel erzählt wird, bzw. was sich in deinem Kopf und Magen abspielt, während sich das Grauen entfaltet.
Oldboy ist ein wahr gewordener Sado-Maso-Comic ohne explizite Sex-Darstellung, fast japanischer als mancher Japanschocker.
Er ist fast europäischer als mancher europäischer Autorenfilm.
Er ist fast amerikansicher als mancher amerikanischer Rachethriller.
Er ist einfach nur ein Fast-Food-Film, genauso schnell konsumiert und genauso schwer verdaulich.
Dabei kommt ihm die perfekte Inszenierung sehr zu Gute, man kann noch beim zehnten Hinschauen ein Detail erkennen, der einem vorher nie aufgefallen war und der obwohl nichtig, dann wichtig erscheint.
Die Farbgestaltung ist hell und leuchtend, mit markanten Farben und Mustern durchsetzt, man mag fast meinen hypnotisch.
Die Musik wirkt sehr edel und hebt den Film noch einmal um eine weitere Stufe in Richtung Wahnsinn entgegen, es bleibt aber beim Genie.
Hinzu kommt -zumindest in der deutschen Synchronisation - die perfekt dazu passende Stimme aus dem Off.
Das bringt uns zu den Darstellern:
Der Hauptdarsteller Choi Min Sik trägt den Film fast im Alleingang, es ist eine absolute Tour de Force, was dieser Mann hier abliefert, das grenzt schon fast an Selbszerstümmelung. Sensationell und sehenswert.
Sein Gegenspieler bleibt blaß und steril, was auch gut so ist, so bleibt er der unnahbare, fast gottgleiche Überbösewicht, perfekt in Szene gesetzt.
Und die Darstellung der kleinen Midu (oder so ähnlich geschrieben) ist auf jeden Fall okay, bei weitem reicht es nicht an Choi Minh Sik heran, aber das tut dem Film keinerlei Abbruch.
Nach dem ersten Schauen, setzt sich ein merkwürdiges Gefühl bei einem fest: Man hat sicherlich einen großen Film gesehen, weiß aber nicht, ob einem der Film auch gefallen hat, bzw. wegen seiner Aussage am Ende, ob einem der Film gefallen darf.
Was soll man drum herum reden, Oldboy ist halt ein kranker Film. Ein Film, der wie geschaffen ist für eine Gesellschaft, in der jegliche Regeln und Konventionen so langsam zu verschwimmen drohen.
Und: Er ist auch ein sehr großer Film, denn er wird bei jedem weiteren Zuschauen irgendwie besser.
Zweifelsohne, Oldboy ist einer der besten Filme dieses Jahrzehnts, wenn nicht der beste, allein wegen seiner Konventions- und Tabubrüchen auf erzählerisch höchstem Niveau, dass einem dieser miese kleine Sado-Maso-Streifen als etwas ganz großes vorkommt. Es wird einem vorgegaukelt,man würde etwas intellektuelles erfahren, dabei ist es nur krank.
Perfekt: 10 Punkte