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„Das Mädchen ist steiler als die Dolomiten!“

Der italienische Regisseur Mariano Laurenti („Flotte Teens jetzt ohne Jeans“) inszenierte in erster Linie Komödien und bediente auch die Commedia sexy all'italiana in den 1970ern mit mehreren Beiträgen. Inmitten einer „Flotte Teens“-Filmwelle, zwischen „Flotte Teens und die Hauslehrerin“ und „Zeig mir wie man’s macht“, kam Laurentis „Nachtschwester müsste man sein“ in die Kinos, eine Sexklamotte um die blonde Erotikdarstellerin und ehemalige italienische Miss Teenage Gloria Guida („Oben ohne, unten Jeans“).

Das ist Krankenpflege! Wunderbar, das weckt die Lebensgeister!“

Zahnarzt Dr. Vincento (Lino Banfi, „Der Idiotenzwinger“) hängt sich in seiner Praxis an jeden Rock und unterhält, obwohl mit seiner Lucia (Francesca Romana Coluzzi, „Themroc“) verheiratet, eine Affäre mit einer seiner Patientinnen, in die sich jedoch auch sein trotteliger Assistent Peppino (Alvaro Vitali, „Flotte Teens und heiße Jeans“) verguckt hat. Eines Tages quartiert sich der reiche, jedoch sterbenskranke Onkel Lucias (Mario Carotenuto, „Die Bumsköpfe“) bei der Familie ein, woraufhin Vincento eine große Erbschaft wittert. Um testamentarisch begünstigt zu werden, liest man dem Onkel jeden Wunsch von den Lippen ab, kann sein Ableben jedoch kaum erwarten. Kurzerhand verpflichtet man Maria Angela (Gloria Guida), die bildhübsche junge Turiner Nichte einer Patientin, als Nachtschwester, um auf den bettlägerigen Greis Acht zu geben – und damit Vincento etwas zu begaffen hat. Und während der studierende Sohnemann Carlo (Leo Colonna, „Flotte Teens und die neue Schulmieze“), auf den es die liebestolle Nachbarin (Annamaria Clementi, „Nackt unter Kannibalen“) abgesehen hat, ebenfalls mehr als nur ein Auge auf Maria Angela wirft und sich Vincento mit seiner eifersüchtigen Ehefrau und der resoluten Haushälterin Regina (Ermelinda De Felice, „Jetzt treibt sie's auch noch mit dem Pauker“) herumärgert, entpuppt sich der vermeintlich vermögende Onkel als ganz gewöhnlicher Dieb, der es auf einen Brillanten aus dem Kronleuchter der Familie abgesehen hat, von dem diese gar nichts weiß…

„Ich bin zwar alt, aber kein Ferkel!“

Maria Angela, bereits namentlich die personifizierte Unschuld, gerät in dieser vielmehr Fummel- denn Sexklamotte (Sex hat hier eigentlich kaum einmal jemand) in einen ebenso erotischen wie chaotischen Schlamassel, der nackte weibliche Tatsachen mit den typischen Ingredienzien damaligen Italo-Klamauks vereint: Gleich zu Beginn zeigt sich Vincentos Praxisaffäre oben ohne, doch im unmittelbaren Anschluss bricht sich das ständige Verteilen von Ohrfeigen Bahn und ist Dampfplauderer Vincento um keinen Spruch verlegen, wenn er nicht gerade angesichts seines Sohns verzweifelt, der im Gegensatz zu ihm nicht nur Frauen im Kopf hat, sondern gewissenhaft seinem Studium nachgeht. Oder der sexy Nachbarin, die ihm nackt J&B einschenkt und ihn schon fast am Wickel hat, bis Carlo von ihrem Ehemann – einem Boxer – erfährt und fluchtartig das Weite sucht. Später wird sie nur scheinbar mehr Erfolg haben, die Situation avanciert zum (gar nicht so üblen) Running Gag. Witziger, wenn auch gänzlich unerotisch ist der sketchartige Scherz um den tumben Postboten, die übrige, häufig slapstickhafte Situationskomik ist eher zu vernachlässigen und spielt gegenüber dem Dialogwitz die zweite Geige. Dieser ist jedoch mehr als nur abgeschmeckt mit Zoten, insbesondere aus dem losen Mundwerk des machohaften, witzigerweise jedoch recht deutlich nicht nur unter der Knute seiner etwas matronenhaften, nicht nur im Vergleich zu ihm sehr hochgeschossenen Frau, sondern auch seiner Haushälterin stehenden Dr. Vincento – ein seinen oberflächlichen Machismo relativierender und infrage stellender Drehbuchwink. Sein zumindest szenenweise stakkatohaftes Geplapper bereitet nichtsdestotrotz mitunter Kopfschmerzen.

„Palare, palare…“

Höchstgradig albern wird es, wenn sich Peppino dem falschen Onkel gegenüber als Maria Angela ausgibt und daher sowohl von ihm als auch von seinem Chef befummelt wird. Generell ist hier eigentlich alles völlig auf- und überdreht und überzeichnet sowie hektisch bis hysterisch ausgefallen – Vincento spuckt Peppino sogar mehrfach ins Auge! –, mit einer auffälligen Ausnahme: den Szenen zwischen Maria Angela und Carlos, wodurch diese als die einzig normalen, noch nicht moralisch korrumpierten Figuren definiert werden. Beide haben mehrere kleine Discothekenszenen miteinander, die in einer ganz großen kulminieren: dem Tanzwettbewerb, den Maria Angela im feschen roten Einteiler für sich entscheidet und anschließend noch eine Gesangseinlage hinlegt, indem sie ihre (tatsächlich auch als Single ausgekoppelte) Ohrwurm-Disconummer „La Musica è“ mit einer herrlich rotzig-rauen Stimme in voller Länge schmettert, dass es die reinste Freude ist. Ihren Tanzstil kommentierte der Kollege von „Mann beißt Film“ treffend wie folgt: „[…] eine wilde Mischung aus Rhythmische Sportgymnastik, Duschgelwerbung und der jährlichen Obsternte.“ So oder so mein persönlicher Höhepunkt dieses Films.

An Maria Angela hat, wie bereits angedeutet, auch der falsche Onkel Gefallen gefunden, man verbündet sich miteinander – und Vincento setzt ausgerechnet Carlo auf Maria Angela an. Auch dies spricht für seine Ignoranz der sich ganz natürlich entwickelnden Beziehung seines Sohns zur Nachtschwester gegenüber, die er beim permanenten Ausleben seiner niederen Instinkte gar nicht wahrnimmt und Carlo lieber Vorträge darüber hält, wie sich ein „richtiger Mann“ zu verhalten habe. Darunter scheint Vincento auch zu verstehen, mittels eines versteckt aufgestellten Heizgeräts Maria Angela dazu zu bringen, sich freizumachen – eine indes arg konstruierte Sequenz, um innerhalb der Handlung endlich Gelegenheit zu bekommen, auch Gloria Guida in voller Pracht zu präsentieren. Diese agiert fortan dann auch wesentlich freizügiger und Carlo bekommt gegen Ende noch eine schöne Erotikszene mit ihr geschenkt, kurz bevor sich die Ereignisse in dieser turbulenten Komödie endgültig überschlagen. Davor wurde man noch Zeuge einer Zahnarztszene, die „The Dentist“ zur Ehre gereichen würde, was beim rustikalen Brachialhumor mit seinem ganzen Gestreite, Gehaue und Gespucke aber kaum noch ins Gewicht fällt.

Natürlich ist „Nachtschwester müsste man sein“ hochgradig albern und in seinem Humor sehr durchwachsen. Nichtsdestotrotz handelt es sich um einen der besseren Filme Laurentis: Die Aussage stimmt, Gloria Guida ist goldig, das Gesamtpaket unterhaltsam – mal lacht man eben mit dem Film, mal über ihn, mal graust es einen auch, aber dank des relativ hohen Tempos ist man schnell wieder beim nächsten Gag, der nächsten Grimasse oder der nächsten Attacke auf den guten Geschmack. Das ist alles wesentlich erträglicher als beispielsweise „Der Idiotenzwinger“ und, ist man entsprechend geeicht und hat seine Freude an italienischen Grazien, die mit einigen Backpfeifengesichtern zusammengeworfen werden, fast schon ein Guilty Pleasure, wie sie heute nicht mehr gemacht werden – und das auch relativ offenlegt, weshalb nicht.

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