Review

"I had forgotten how beautiful this place is.
A nice place to be... dead."


Daß Besucher auf dem kleinen, abgeschiedenen Bauernhof in Texas unerwünscht sind, macht schon das nicht zu übersehende "Keep Out"-Schild unmißverständlich klar. Wer dieses mißachtet, sollte besser nicht auf Gastfreundschaft hoffen. Wer es trotzdem tut, lebt gefährlich, wie der hungrige Landstreicher (Bill Thurman), der ein Plätzchen für die Nacht sucht, am eigenen Leib erfahren muß. Dieser läßt sich nämlich, als auf sein Klopfen und Rufen niemand reagiert, selbst ins Haus ein und genehmigt sich ein saftiges Steak aus dem Kühlschrank. Beim Grillen über einem Lagerfeuer ereilt ihn dann jedoch sein Schicksal in Form eines schwungvollen Säbelhiebes. Auf besagtem Gut lebt Lesley Fontaine (Camilla Carr), eine Mittdreißigerin, welche mit psychischen Problemen und argen Stimmungsschwankungen zu kämpfen hat und deshalb auch bei Dr. Emerson (Gene Ross) in Behandlung ist. Von ihrem Ehemann Kevin erhält die Frau kaum Unterstützung; der läßt sich nämlich nie blicken und verbringt seine Zeit lieber in einem versperrten Zimmer. Um das Pferd und diverse andere Tätigkeiten auf dem Hof kümmert sich der junge Robert (Stephen Tobolowsky), dessen Freundin Suzie (Ann Stafford) ihn hin und wieder bei der Arbeit besucht, sehr zum Mißfallen von Lesley. Dann wird Suzie von einem Unbekannten mit einem Säbel brutal ermordet.

Ähnlich wie in seinem fulminanten Regiedebüt The Forgotten (1973), besser bekannt als Don't Look in the Basement, gibt es auch in Keep My Grave Open einen Twist, der im Grunde gar keiner ist. Wenn man sich in diesem Genre auch nur ein ganz klein wenig auskennt, dann weiß man schon sehr früh, wie hier der Hase läuft. Und ich bin mir sicher, daß sich Filmemacher S.F. Brownrigg dessen auch völlig bewußt war. Anstatt seinen Film als Whodunit-Krimi anzulegen, um dann gegen Ende einen Überraschungskiller aus dem Hut zu zaubern, inszeniert Brownrigg das von F. Amos Powell verfaßte Drehbuch als triste Charakterstudie mit Hang zum Drama. Keep My Grave Open lebt von seiner ominös-bedrohlichen Atmosphäre und seinen grob skizzierten Figuren, die trotzdem fast alle lebendig und echt erscheinen. Camilla Carr liefert eine intensive Performance ab; mal bemitleidet man sie, mal fürchtet man sie, mal findet man ihr Verhalten abstoßend. Eine delikate Gratwanderung, die sie bravourös meistert. Stephen Tobolowsky, der sich später zu einem gefragten Nebendarsteller in Hollywood gemausert hat (u. a. Thelma & Louise, Basic Instinct und Groundhog Day), überzeugt in seinem Filmdebüt ebenso wie Ann Stafford als seine nervende Freundin und Sharon Bunn als Prostituierte Twinkle, welche Lesley engagiert, um ihren geliebten Kevin zu verwöhnen.

Brownrigg, der den Film auch produziert hat, erzählt die Geschichte ruhig und unaufgeregt, er dehnt manche Szenen so lange aus, daß er damit fast die Geduld seines Publikums strapaziert (die Eröffnungsszene dauert z. B. fast zehn Minuten!). Aber das ist eben sein besonderer Stil, der seinen Filmen dieses eigenwillige, ungewöhnliche Flair verpaßt. Keep My Grave Open ist weder spannend noch besonders packend, aber er ist immer interessant und - da es unter seiner Oberfläche heftig brodelt - auch sehr beunruhigend. Daß der spottbillige Streifen so gut funktioniert, ist auch auf Robert Farrars formidablen Score zurückzuführen. Der ist manchmal harmonisch und wehmütig (wie das Gitarren-Piano-Stück zu Beginn), dann wieder dissonant und enervierend. Die Morde sind zurückhaltend in Szene gesetzt und geschehen - mit einer Ausnahme - recht schnell. Blut fließt kaum, und auch auf nackte Tatsachen verzichtet Brownrigg rigoros. Und das obwohl Lesley bis zur Nasenspitze mit sexueller Energie aufgeladen ist. Es ist offensichtlich, daß Brownrigg sowohl die Geschichte als auch die Figuren sehr ernst nimmt und daß er es deshalb vermeidet, in selbstzweckhafte Exploitation abzudriften. Am Ende stellt er dann mit dem (Nicht-)Twist etwas ganz Feines an (was ich an dieser Stelle unmöglich verraten kann) und spätestens da sollte klar sein, daß Keep My Grave Open keine billige Psycho-Variante ist, sondern ein starkes, ungeschliffenes Psychodrama, das sich mit Hitchcocks Klassiker zwar nicht messen kann, sich aber auch nicht verschämt hinter ihm verstecken muß.

Details
Ähnliche Filme