Review

Unter all den filmischen Kuriositäten, die einem in den Jahren unter die Augen kommen, den komischen, seltsamen, künstlerischen und dilettantischen, nimmt „Roar“ stilecht einen der Ehrenplätze ein.
Das liegt weniger an einem der genannten Attribute als vielmehr daran, wie sehr der Film außerhalb der normalen Rezeption angelegt ist und wie stark die Form dieses Films davon geprägt wurde, ein Skript den vorhandenen Gegebenheiten anzupassen.

Unbestritten ist die Produktionsgeschichte von „Roar“ um Meilen interessanter als der Film selbst, der sowohl Tierfilm, als auch als Thriller eigentlich nur eine Katastrophe epischen Ausmaßes ist – und gleichzeitig in jeder Szene den Wahnwitz atmet, wie das eine Gruppe von Menschen planen und filmen konnte.

Ursprünglich erwuchs die Produktion der Vorliebe Tippi Hedrens (Star aus Hitchcocks „Die Vögel“ und „Marnie“ ) und ihres Mannes Noel Marshall für große und größere Großkatzen. Angeregt von einem Rudel Löwen, das eine verlassene afrikanische Farm okkupiert hatte, entwarfen sie die Idee eines Films über so ein fiktives Ereignis, in dem ein Naturforscher mit Dutzenden Großkatzen in seinem Haus in der Savanne lebt und dort Besuch von seiner Familie (Frau, drei Kinder) bekommt. Leider hat man die Termine nicht richtig abgestimmt und so sitzt der Rest der Sippe in der Löwengrube fest, während Daddy den halben Film durch die Pampa strampelt. Ach ja, und einen fiesen Löwenkiller gibt es auch noch…

Das klingt nicht dolle, sieht aber eh so aus, als wäre es nur die Grundidee gewesen, die man dann zugunsten vieler aufregender bis putziger Tieraufnahmen hintenan gestellt hatte, um sie schließlich irgendwie und irgendwann wieder im Film unter zu bringen.
Bis es aber überhaupt zu einem Dreh (ab 1977) kam, mussten die Darsteller aber erstmal zu Filmkatzen heranwachsen, weswegen Marshall und Hedren diverse Jahre in den Staaten die ganzen Löwen groß zogen, um sie dann auf die afrikanische Farm zu exportieren. Kaum war das geschafft und der Dreh begonnen, zerstörte ein Dammbruch das Set und das Haus und ertränkte diverse Katzen, woraufhin erst einmal frisches Investitionskapital besorgt werden musste, bis man weiter drehen konnte.
Zwecks Auffrischung des felinen Casts kaufte man dazu, was gerade zur Verfügung stand, so dass sich hier nicht nur Löwen, sondern auch reichlich Tiger, Geparden und Leoparden rund um das Haus tummeln – und man kann froh sein, dass Eisbären keine Katzen sind.
Den geographischen Missgriff – etwa bei den Tigern – erklärte man schnell im Nebensatz mit der Wahrheit (man hatte einfach viele Tiere befreit/aufgekauft und so wieder in der Freiheit verortet.

Drei weitere Jahre gingen dann mit dem Dreh ins Land, bei dem es wirklich jeder aus der Besetzung es mindestens einmal schaffte, sich zwischen all den Löwenkiefern, wilden Elefanten, Giraffen und Tigern schwer bis fast tödlich zu verletzen – der damals noch eher unbekannte Kameramann Jan de Bont („Twister“, „Speed“) wurde einmal fast komplett skalpiert.

Auf den Festivals wurde der Film schließlich augenrollend als wilde Kuriosität wahrgenommen, fand aber weder brauchbare Verleiher noch ein dankbares Publikum, bei dem es so eine Art seltsamer Geheimtipp blieb, der immer mal wieder Wiederauferstehung feiert, vorzugsweise wegen der sensationellen Kameraarbeit.

Der Rest ist aber eher unterste Kanone: Schnitt, Drehbuch, Darsteller – allesamt bruchstück- bis amateurhaft, wobei Hedren und ihr damals gerade dem Teenageralter entwachsendes Töchterlein Melanie Griffith wenig mehr zu tun hatten, als verängstigt durch das mehrstöckige Terrassenhaus zu huschen, sich an Wände zu pressen und rumzkreischen, wo es nichts zu kreischen gab, denn die Tiere sind zumeist brav und bestechen hauptsächlich durch brummige Flauschigkeit, wirken aber durch ihre schiere Masse (mehr als 150 Tiere) monumental und bedrohlich (und groß sowieso).

Einige Aufnahmen sind herausragend – etwa die subjektive Kamera in einer großen (gefüllten) Wassertonne, die die Sicht der Darsteller einnimmt, inclusive Vom-Dach-Rollen und In-den-Fluss-Stürzen. Auch das Überrennen des Hauses durch die Löwenmassen – ein Vorgang, der sich gefühlt sechsmal im Film wiederholt – ist immer wieder beeindruckend, genauso wie der recht locker-kantige Umgang Marshalls mit seinen „Haustieren“.

Leider benötigt der Film – außer man ist ausgesprochener Katzenfreund und freut sich einen doppelten Schokokeks über all die vielen Löwen und Tiger, egal was sie tun – auch so etwas wie eine Handlung und die ist gestreckt, geflickt, bemüht, umständlich und ziemlich deppert. Dass die bösen Löwentöter ein grausam-blutiges Schicksal erleiden, will irgendwie nicht recht in den sonst fast familienfreundlichen Film passen, der Humor ist forciert, was eine tolle Comedy hätte werden können, wird durch die skriptbedingte Panik aller Akteure leider wieder zerstört, so dass sich vermutlich sogar Kinder unwohl fühlen, weil auf die Komik immer wieder unhejmliche Elemente folgen.
Bemerkenswert doof auch übrigens das, was von den Dialogen schließlich in den Film gelangte, wobei 50 Prozent auf Marshall entfallen, der ständig seinen nervösen afrikanischen Kumpel beruhigt, indem er verharmlosenden Kokolores redet, während ihm vor Satzende schon wieder ein Löwe mit gefletschten Zähnen ins Genick springt und er die 250 Kilo erstmal mühsam niederringen muss.

Kein Film also für einen ausgeglichenen Gefühlszustand, sicher kein Fest für Tierfreunde und aus Sicherheitssicht praktisch Selbstmord – das alles dient dazu, daraus ein 18-Mio-USD-Homemovie zu machen, dem man den holprigen Produktionsprozess in jeder Phase ansieht (Zum Vergleich: „Star Wars“, im gleichen Jahr begonnen, kostete 11 Mio USD).

Den Film mit „Ein wüstes Abenteuer“ zu bewerben, ist meines Erachtens nach gerechtfertigt, wobei man „Roar“ wirklich ebenso gut wie schlecht bewerten kann, je nachdem ob man den Aufwand, die Katzenaufnahmen oder den Gesamteindruck als geschlossener Film bewertet. Doch da der Plot kaum die halbe Lauflänge rechtfertigt und der Rest nur aus Tieraufnahmen besteht, besteht die Gefahr (außer für Katzenfans) von baldiger Langeweile. Obwohl ich Katzen gern mag, hab ich dann irgendwann das Ende des Film herbei gesehnt; auch hier wie bei den Löwen: Overkill! (3/10)

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