Review

Liebe Splatterfans...
...das wird jetzt ganz hart für euch...
...okay, keine Therapiesitzung jetzt, aber trotz meiner brennenden Vorliebe für das gepflegte Rumgematsche in stimmungsvoller Atmosphäre kann ich kaum besonders viele Filme dieser Art sonderlich loben. Im Wesentlichen gehöre ich nämlich zu der dekadenten bis degoutanten Gruppe von Zuschauern, die es ziemlich scheiße finden, wenn man einen Splatterfilm dann als gut einstuft, wenn sich alle Beteiligten über die volle Laufzeit zum Horst machen, um dann rechtschaffend von einem monströsen Killer möglichst graphisch in die nächste Welt befördert zu werden. Ich mag es nicht, wenn sich alle so lebensmüde und naiv wie möglich benehmen und ich mag keine windigen, vom Drehbuch befeuerten Entscheidungen, damit gröhlend das Bier besser schmeckt. Horrorfilme, auch Splattermovies sollen zuvorderst Angst machen, unheimlich sein, herb sein und das Ganze dann mit einem bissigen Löffelchen Humor würzen.
Weswegen ich auch der uneingeschränkten Ansicht bin, daß so etwa ab 1983 der Tanz vorbei und das Thema durch war, bis dahin, aber zumindest streckenweise Glanz und Gloria herrschten, während die modernen Jungregisseure in der sechsten oder siebten Splatterwellenreinkarnation zumeist das Andenken an die wahren Qualitäten mittels ihrer halbgaren Jugenderinnerungen schänden.

Aber Ausnahmen gibt es ja immer und so freut es doch dann und wann, wenn man über eine löbliche Ausnahme stolpert, vor allem wenn es noch eine ist, die einen schon anhand der Aushangbilder auf der Rückseite der Soundtrack-LP (ihr merkt schon, seeeehr lange her...) angespitzt hat, als man noch hauptberuflich Sammelalben vollgeklebt hat.
David Schmoellers "Tourist Trap" eilt der Ruf voraus, ein kleines Perlchen und den vielen Splattern rund um das Jahr 1980 zu sein, von wegen wenig Geld und viel Kreativität und dank des unsterblichen Kritikerduos Hahn/Janssen (ja, es geht mal wieder um das knorke, weil streckenweise total bekloppte "Lexikon des Horror-Films") glauben immer noch viele, es mit einem filmgewordenen Würgreflex zu tun zu haben.

Nichts könnte der "Touristenfalle" mehr Unrecht tun, denn auch wenn wir es mit einem in den Grundzügen klassischen Slasher zu tun haben (junge Leute, Einöde, Auto kaputt, ein böser Schlächter in abgelegenem Haus), wirkt Schmoellers Erstling auch heute noch erfrischend anders und vor allem "creepy", was nicht eben ein Zeichen eindimensionaler Genrefilme ist.
Vielmehr hat der Regisseur, der hier mit dem späteren Trashbilligfilmer Charles Band eine frühe unheiligen Union einging ("Full Moon Pictures", anyone?), alles in diesen Film gepfeffert, was die Horrorfilmgeschichte hergab, ausgehend von "Psycho" über das berühmte "House of Wax" (wobei der moderne "House of Wax, vielgehaßt und von mir geliebt, "Tourist Trap" mehr schuldet, als der Price-Film von 53, wer es sieht, wird es verstehen), "Carrie" bis zu den holden Hinterwäldlerstories der frühen 70er Jahre.

Daß "Tourist Trap" ähnlich und doch anders ist, beweist gleich der fliegende Start ohne Vorwärmzeit, als ein paar junge Leute auf der falschen Straße ("...seit sie drüben die Autobahn gebaut haben, kommt hier kaum jemand vorbei...") wegen Reifenpanne stranden. Der vorausgeschickte Deliquent taumelt bald durstig in eine halbausgestorbene Tankstelle, wo er im Hinterzimmer nicht nur ein paar fies dreinschauende und sehr horribel lachende Schaufensterpuppen findet, sondern sich in einer wunderbaren Terrorszene auch gleich noch diversen telekinetisch fliegenden (und sehr scharfen) Objekten ausgesetzt sieht. Klarer Fall, daß die übrigen Opfer in spe alsbald folgen (vorzugsweise weiblich im Verhältnis 3:1), allerdings mit ein bißchen weniger hirnlosen Kommentaren, allerdings einem echten final girl Marke Jamie im Gepäck, denn Molly (Jocelyn Jones) ist ein dermaßen braves Puttchen, das es schon quietscht. Beim nippelfreien Nacktbad im nahegelegenen Teich taucht dann auch gleich Chuck Connors samt seinem Nußknackergebiß auf, der in der Nähe als letzter Mensch nicht nur die Tanke als auch ein angebliches Wachsfigurenmuseum betreibt, auch wenn es darin weniger Wachs gibt, als vielmehr mechanisch angetriebene Schaufensterpuppen von einigem Einfallsreichtum. Und dann bricht auch schon die Nacht herein und nebenan latscht der Psychobruder Davey unter seiner Plastikmaske durch sein elterliches Kabinett...

Alles beim alten und doch alles ein wenig anders, das ist das Credo von Schmoellers einfallsreichem Filmchen. Wenig Geld, aber viel Einfallsreichtum machen eben doch eine Menge aus. Es gibt einen Bodycount, aber wegen begrenzter Höhe dafür viel Spannung; es gibt Tote, aber wenig Blut zum Selbstzweck. Und es gibt Puppen...

Jepp, wenn uns abgestumpfte Vielfressergemeinde die titanenhaften Schlitzer mit der geistigen Deformation auch nur noch ein juchzendes Prusten abgewinnen, die meisten haben bei zwei Sachen immer noch ein gewisses Frösteln in den Boxershorts, weil jeder mal an Kindheitserinnerungen zu leiden hatte, ergo scheuen nicht wenige vor a) Clowns und b) Puppen. Und die hier gesammelten "Mannequins" haben es in sich, zum Teil aus dem Modegeschäftsbestand, zum Teil selbst designed. Und sie stehen überall rum. Und sie bewegen sich. Und sie flüstern. Tun sie das wirklich?

Es ist das gewisse und ungeklärte Extra, das "Tourist Trap" so verunsichernd macht: denn der Täter benutzt Telekinese (und anscheinend auch Telepathie oder Bauchrednerei), um Mechaniken, Türriegel, Autos und die Puppen an sich zu kontrollieren. Und so kann man sich nie ganz sicher sein, was als nächstes passiert und ob es sich um Traum oder Wirklichkeit, PSI-Fähigkeit oder Einbildung handelt, was geschieht. Mit kleinen, geschickten Effekten glühen die Pupillen, rollen die Augen, verfolgen die Figuren die Opfer, wenden die Köpfe, bewegen sich vorwärts. Gewaltige Puppenkiefer klaffen auf, Schreie erklingen, Stimmen singen oder flüstern und weil die Illusion der Verunsicherung so mittels des Budgets noch perfekter wirkt, mischt Schmoeller mit zunehmender Laufzeit Mannequins, Menschenpuppen und echte Darsteller, um die Panik noch perfekter zu machen.

Gleichzeitig bietet er seinem alternden Star Chuck Connors eine Menge Platz für seinen intuitiven Hinterwäldlercharakter, mal jovial, mal besorgt, mal grimmig, mal ängstlich und dann wieder brutal angsteinflößend. Geschickt (aus heutiger Sicht vielleicht etwas bemüht, da das Sujet bereits totgeritten wurde) spielt der Film immer wieder mit der Frage, ob Connors' "Slausen" der Täter ist, der schizophren in eine zweite Rolle rutscht oder ob es wirklich einen zweiten Anwesenden, eben den maskierten Killer gibt, der stets im Vorteil ist, weil er Dinge Kraft seiner Gedanken vom Fleck bewegen kann. Das erlaubt den Machern eine neue Form von Ausgeliefertsein, ein perfides Spielchen, das nicht nur das Publikum, sondern auch die Figuren stetig mehr verunsichert, bis im alptraumhaften Finale alles in einer infernalischen Psychoszene kulminiert.

Da sieht man es dem Debütanten auch gerne mal nach, daß die Vorgehensweise des Killers wenig schlüssig und dafür um so umständlicher ist, seine Motivationen fragwürdig und daß es dem Film nicht selten an wirklichem Horrortempo mangelt, stattdessen werden die Szenen ruhig ausgespielt, während der hintergründig ironische (und deswegen arg sadistische Score) den Film perfekt begleitet, anstatt ihn mit Stimmungsvorgaben totzuschlagen.
Und weil sich alle hier wieder mal meistens falsch entscheiden, wie vorzugehen ist, sich dabei aber nicht extrem blöd anstellen müssen (sondern weitestgehend patent, abgesehen von mangelnder Vorsicht), kommen einige einprägsame Szenen in schön bizarrer bis morbider Atmosphäre zustande, die ruhigen Gemütern genußvoll auf den Anker gehen dürfen.
Rumgematscht wird übrigens (es gibt nur wenig Blut) relativ sparsam, aber das beweist nur mal wieder, daß die Phantasie eben doch wichtiger ist, als das Innereiengeschmeiß, wenn es um langfristige Wirkung geht.

Wenn man also von den gewohnheitsmäßigen Abweichung absieht und den Film mehr als bizarren Thriller, denn als Splatterfilm annimmt, wird man eine gute bis sehr gruselige Nacht haben, die man allerdings in zeitgeschichtlichem Gewand sehen muß, also in Bezug auf den Stand der Filmgeschichte, als er produziert wurde. So macht man dann seinen Film wirklich horribel und einzigartig, mit Sequenzen, die wirklich an den Nerven zerren und anderen, die die Psyche belasten - ohne Kettensäge.
Ganz fein, abgelegen allein: 8/10.

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