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Nach mehr als 10 Jahren intensiver Drehbuchtätigkeit wechselte Ettore Scola erstmals auf den Regie-Stuhl, um sein wie gewohnt mit Ruggero Maccari gemeinsam erdachtes Script auch selbst umzusetzen. Fast folgerichtig wurde Scolas erster Film ein Episoden-Film, der Anfang der 60er Jahre eine Blütezeit im italienischen Kino erlebte, an dessen Entwicklung er schon früh beteiligt war ("Amori di mezzo secolo" (1954)). In den Jahren zuvor hatte er einzelne Stories zu "L'amore difficile" (Erotica, 1962, Regie Sergio Sollima u.a.) und "I cuori infantri" (1963, Gianni Puccini, Vittorio Caprioli) beigetragen, aber besonders Dino Risis fulminanter Episoden-Film "I mostri" (1963) stand Pate für "Se permettete parliamo di donne" (Frivole Spiele), der die gemeinsam mit Risi eingeschlagene Linie einer ironisch-kritischen Analyse der sich nach dem Krieg verändernden Sozialisation Italiens von "Il sorpasso" (Verliebt in scharfe Kurven, 1962) über "Il successo" (1963) weiter fortsetzte, die heute zu den zentralen Werken der "Commedia all'italiana" gezählt werden.

Für die Hauptrolle konnte nur Vittorio Gassman in Frage kommen, der in jedem ihrer gemeinsamen Filme den "italienischen Mann" in den unterschiedlichsten Facetten verkörpert hatte und in "Se permettete parliamo di donne" nach "I mostri" (an der Seite Ugo Tognazzis) ein weiteres Mal mit seiner Wandelbarkeit innerhalb der episodischen Form verblüffte. Ohne zu übertreiben und nur mit geringem äußerlichen Aufwand wechselt Gassman vom verklemmten Muttersöhnchen, über den Geschäftsmann, dem jovialen Liebhaber zum einfach gestrickten Schrott-Sammler, deren prototypische Merkmale er scheinbar mühelos in Gestik und Mimik nachahmt, ohne damit die Szenerie zu beherrschen. Seine überragende schauspielerische Leistung liegt im Gegenteil darin, dass er hinter seinen Rollen verschwindet. Dass Gassman in der letzten, neunten Episode des Films (gemäß der mir vorliegenden italienischen Originalfassung – Episodenfilme wurden häufig ummontiert oder gekürzt, in Deutschland kam der Film 1967 nur mit vier Episoden in die Kinos) noch einmal eine Kostprobe seines Möchtegern-Lebemanns aus „Il sorpasso“ gab - erneut mit Cabriolet und identischer, auffällig peinlicher Hupe – konnte nur als Reminiszenz verstanden werden und schloss den Kreis im gemeinsamen Oevre von Risi, Scola, Maccari und Gassman.

Angesichts des Filmtitels "Se permettete parliamo di donne" (übersetzt: lasst uns über Frauen sprechen) schien Scola einen anderen Weg einschlagen zu wollen als in seinem Drehbuch zu „I mostri“ (Die Monster), dessen Titel trotz der komödiantischen Umsetzung wörtlich gemeint war. Tatsächlich wirkt Scolas Film leichter, weniger sezierend und bissig. Nicht nur, weil er sich thematisch auf das Verhältnis Mann und Frau beschränkte, an dem er den Konflikt zwischen Tradition und einer unaufhaltsamen Liberalisierung der Gesellschaft demonstrierte, sondern weil er sich selbst in den kritischeren Episoden auf ironische Seitenhiebe beschränkte, ohne – wie noch in „I mostri“ – geradezu schmerzhaft den Egoismus und die Rücksichtlosigkeit des Einzelnen herauszuarbeiten.

In einer zentralen Episode spielt Gassman einen ängstlichen, zurückhaltenden Mann, der von seiner dominanten Mutter dazu aufgefordert wird, die Ehre seiner jüngeren Schwester wieder herzustellen, da deren Liebhaber (Walter Chiari) nicht die Verantwortung für eine gemeinsame Nacht übernehmen will, genauer, sie nicht heiraten will. Gassman, dem sein verstorbener Vater als leuchtendes Beispiel vorgehalten wird, geht nur sehr unwillig zu dem gutgelaunten, sportlichen Typ in einer von schönen Frauen bevölkerten Freizeitanlage, der gar nicht versteht, worauf er hinaus will. Seine Schwester wäre mit ihren 27 Jahren schließlich erwachsen, nicht besonders hübsch und könnte doch dankbar sein für ihre kurze Zweisamkeit. Eine Argumentation, der sich der große Bruder nicht verweigern kann, besonders nachdem sein Gegenüber ein abendliches Rendezvous mit ihm und zwei attraktiven, erotisch gekleideten Frauen verabredet hatte – etwas, dass ihm noch nie gelang. Als seine Mutter wissen will, was bei dem Gespräch herausgekommen wäre, stellt er ihr, während er sich für die Verabredung in Schale wirft, nur die Gegenfrage, ob sie etwa seine Schwester heiraten würde?

Damit brachte Scola die Komplexität einer sich wandelnden Sozialisation auf den Punkt. Die alten Traditionen existierten zwar noch, aber ihnen wurde die Grundlage entzogen – mit dem Ergebnis, dass die Schwester der Lächerlichkeit ausgesetzt wird, anstatt ihre Ehre wieder herzustellen. Schuld daran ist sowohl das Beharren der Mutter auf veraltete Regeln, als auch die Verantwortungslosigkeit des Liebhabers, der nur die Vorteile der sexuellen Liberalisierung nutzt. Die Reaktion des großen Bruders ist verständlich. Er, der unter der Erwartungshaltung seiner Mutter leidet, muss sich auf keine Auseinandersetzung mit dem ihm überlegenen Mann einlassen, sondern profitiert sogar von dessen Flirt-Fähigkeiten. Trotz des entlarvenden Charakters dieser Story, legte Scola auch hier das Gewicht mehr auf einen unterhaltend, amüsanten Charakter, der den gesamten Film prägt.

Immer geht es um eine überraschende Abschluss-Pointe, die zwar mit dem Kontrast Tradition/Moderne spielte, diesen aber nicht tiefergehend analysierte. In der ersten Episode schläft eine Sizilianerin mit einem wortkargen, bewaffneten Mann, weil sie glaubt, damit ihrem Ehemann helfen zu können – nach dem Beischlaf offeriert er ihr freundlich, dass er ihm nur das geliehene Gewehr zurückbringen wollte. Oder eine junge Frau beschwert sich nach einer gemeinsamen Nacht bei ihrem Liebhaber, dass sie zu spät aufgewacht wäre, um pünktlich zu einem wichtigen Termin zu kommen – es handelt sich um ihre Hochzeit. Ein Mann täuscht vor, über einen teuren Wagen zu verfügen und wird deshalb von einer Luxus-Prostituierten für ein Schäferstündchen zu seiner Wohnung mitgenommen. Dort offeriert er ihr, kein Geld zu haben, worauf sie schimpfend davon fährt. Als sich seine Mutter vom Balkon aus darüber beschwert, antwortet er, ihm mache das auch keinen Spaß, aber er hätte keine Wahl – der letzte Bus wäre nach Feierabend immer schon davon gefahren.

Anders als es der Filmtitel suggeriert, stehen nicht die Frauen im Mittelpunkt, sondern die von Gassman verkörperten unterschiedlichen Männer-Typen. Die illustre Garde schöner Darstellerinnen – Giovanna Ralli, Sylva Koscina, Eleonora Rossi Drago – kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie prototypische Charaktere verkörperten (darunter je zweimal eine Prostituierte und eine Geliebte), auf die Gassman entlarvend reagieren konnte. Selbst Rossi-Drago in ihrer Rolle als reiche und schöne Verführerin eines einfach gestrickten Schrott-Sammlers, der sich danach darüber beschwert, nur Sex, aber keine Gebrauchtwaren bekommen zu haben, ließ die darin verborgene Tragik kaum spüren. Prinzipiell setzte Ettore Scola mit seinem ersten Film zwar die Episoden-Reihe aus „I mostri“ fort, blieb in der kritischen Sichtweise aber zurückhaltender und schuf eine ironisch leichte Gesellschaftsstudie der 60er Jahre. (8/10)

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