Review

„Durch Arbeit versaut man sich den ganzen Tag und man wird dämlich!“

Die anscheinend einzige Regiearbeit des Franzosen Rémo Forlani ist die im Jahre 1974 in französisch-italienischer Koproduktion entstandene Komödie „Juliette und Juliette“, die auf dem deutschen Videomarkt schließlich als „Der Blonde mit dem blauen Auge“ vermarktet wurde, um einen Bezug zum mit „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ kommerziell durchgestarteten französischen Komödienstar Pierre Richard herzustellen, der hier allerdings nur eine größere Nebenrolle bekleidet.

Zwei Frauen mit demselben Vornamen lernen sich kennen: Juliette Vidal (Annie Girardot, „Der Querkopf“), Redakteurin der Frauenzeitschrift „Penelopé“, trifft im Zuge eines Gewinnspiels für ihre Journalie auf ihre Namensvetterin Juliette Rozenec (Marlène Jobert, „Liebe ohne Grenzen“), die im Supermarkt als Verkäuferin arbeitet. Die zunächst so gegensätzlichen Charaktere nähern sich einander an und stellen bald fest, dass sie ihrer bisherigen Leben überdrüssig sind. Zusammen gründen sie die feministische Zeitung „Frauen im Zorn“ und strampeln sich frei von den Zwängen einer maskulin dominierten Welt. Dies führt natürlich zu zahlreichen Konflikten; einer der schwerwiegendsten ist die Zerrüttung der Beziehung Juliette Rozenecs zu ihrem Mann Bob (Pierre Richard), der sich als erfolgloser Boxer im wahrsten Sinne des Wortes durchs Leben schlägt… Besteht unter diesen Voraussetzungen noch Hoffnung für die Liebe zwischen Mann und Frau?

„Juliette und Juliette“ greift das Thema sich radikal für ihre Rechte einsetzender Frauen, der feministischen Bewegung der ‘60er und ‘70er und der „Emanzen-Kampfblätter“ in Form einer romantischen Komödie auf, die sich keines Schenkelklopferhumors, sondern subtileren Witzes durch Übertreibungen und Abstraktionen bedient. Dabei wird die aufbegehrende Damenwelt keinesfalls vorgeführt und der Lächerlichkeit preisgegeben, sondern bekommt zunächst einmal die verlogene Boulevardpresse mit ihren gefälschten Berichten ihr Fett weg. Des Weiteren äußert der Film durchaus Verständnis für die Frauen und gibt sich ebenso emanzipatorisch, zeigt aber auch die Gefahren von Radikalismus und vermeintlich „freier Liebe“ auf. Ein argloses männliches Mitglied der Gesellschaft, hier verkörpert durch Bob Rozenec, sieht sich durch die Veränderung seiner Frau plötzlich als Verlierer des Ganzen, während wenig vertrauenswürdige Hallodris die Situation zur Befriedigung ihrer Begierde nach unverbindlichem Sex auszunutzen drohen. So verdeutlicht „Juliette und Juliette“ letztlich dann auch, dass offensichtlich nicht jeder für ein polygames Leben geschaffen ist und auch die emanzipiertesten Frauen sich nach liebevoller Zweisamkeit sehnen.

Das liest sich jetzt vermutlich konservativer, als es ist; immerhin gibt es eine zünftige Schlägerei am Schluss, bei der auch die Polizei ihr Fett wegbekommt und schimmert immer wieder die anarchistische Aussage, dass es vollkommen in Ordnung ist, auch mal auf die Kacke zu hauen und sich mit der Staatsmacht anzulegen, durch. Pierre Richard ist seine tragikomische Rolle einmal mehr auf den Leib geschneidert worden und verkörpert den erbarmungswürdigen armen Tropf wahrlich mitleidserregend – das Leben trifft ihn mit ganzer Härte, sowohl im Ring als auch außerhalb. Mit Marlène Jobert hat man eine sehr niedliche Hauptdarstellerin gewonnen, die ihre Rolle in einer Mischung aus Stolz, Naivität und Abgeklärtheit spielt und sich von der von Annie Girardot gespielten Juliette an die Hand nehmen und damit in einen neuen Lebensabschnitt führen lässt. Girardot gibt die begehrenswerte, starke, unabhängige und dabei abenteuerlustige Frau in „den besten Jahren“, die sich nimmt, was sie braucht und erhobenen Hauptes selbstbewusst gegen alle Widerstände ihren Lebensentwurf durchzieht. Ein interessante, kontrastreiche Figurenkonstellation, zwischen der es permanent knistert. Am versöhnlichen Ende steht im Interesse der Geschlechterverständigung dann doch das Plädoyer für den Erhalt klassischer Zweierbeziehungen allen Feminismus zum Trotz, gegen den sich der freche Film trotz seiner Persiflage ausdrücklich nicht wendet.

Fazit: Ein sehenswerter Film, jedoch kein typischer „Richard“. Ein ebenso interessantes wie unterhaltsames Zeitdokument, das Intelligenz und Weitblick beweist, wenn es die Situation unterdrückter Frauen im Alltag schildert, ohne dafür ganz tief in die Schublade offensichtlicher Verbrechen greifen zu müssen, und gleichzeitig zu Dialog, Liebe, Lust und Leidenschaft aufruft. Schade, dass „Juliette und Juliette“ hierzulande ein stiefmütterliches Schattendasein fristet.

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