Der König ist tot, lange lebe… äh, ja wer eigentlich? Sicherlich nicht Dario Argento mit seinem Machwerk „The Card Player“ (2004). Hatte ich bis dato noch keinen wirklich abgrundtief schlechten Argento gesehen, so bot mir der Streifen die Gelegenheit, dies ohne Umschweife nachzuholen. Selbst als größter Fan des Meisters muss man zugeben, dass Argento –nach eher durchschnittlichen Produktionen während der 90er- seinen Zenit anscheinend nun endgültig überschritten hat. Dementsprechend gemischte Gefühle erweckt auch die Nachricht des lang ersehnten dritten Teils der „Mütter- Trilogie“, welcher sich aktuell in der Post Production befindet. Ein Schweben zwischen Hoffen und Bangen, dass mit „The Card Player“ eindeutige Züge des letzteren annimmt.
Die Zeiten seit Argentos Karrierehöhepunkt Ende der 80er Jahre haben sich verändert. Das scheint der Meister der Giallos ebenfalls erkannt zu haben und versucht nun mit „The Card Player“ einen gewaltigen – nichtsdestotrotz äußerst wackligen- Schritt in Richtung Moderne. Und was könnte moderner und stärker in der heutigen Kultur verankert sein als das allgemein so beliebte Internet? Richtig, fast gar nichts.
Was zu Drehzeiten natürlich noch keiner ahnen konnte, dass auch dem Pokerspiel anno 2006/ 07 enorme öffentliche Aufmerksamkeit zuteil werden wird. So scheinen auf den ersten Blick- wenn man diese Ingredienzien noch mit einer spannenden Geschichte und einer saubren Inszenierung paart- alle Zeichen auf Erfolg zu stehen, aber leider verfliegt diese Hoffnung bei genauerem Hinsehen recht rasant.
Die Story des Films ist simpel und schnell erzählt: Wieder einmal treibt ein Serienkiller sein Unwesen. Bevorzugte Opfer natürlich auch in diesem Fall (blonde) Frauen, welche als Einsatz eines perfiden Pokerspiels fungieren. Die Regeln sind einfach: Gewinnt die Polizei, schenkt der Killer den Mädchen ihr Leben, gewinnt jedoch er, sterben die Opfer vor laufender Kamera live im Internet. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, denn der Täter scheint einen unstillbaren Spieltrieb zu besitzen…
„The Card Player“ hat mit vielerlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein Hauptproblem ist die offensichtliche Ziellosigkeit des Plots. Das Machwerk beginnt ziemlich abrupt bzw. unbeholfen und noch ehe sich der Zuschauer zurechtgefunden hat, meldet sich der Täter bei der Polizei und das erste Spiel auf Leben und Tod nimmt seinen Lauf. Schon an dieser Stelle merkt man, dass der Film nicht so recht weiß, wohin es gehen bzw. womit er die Zeit ausfüllen soll. Deshalb bieten die ersten 2/3 des Streifens auch nicht mehr als eine Aneinanderreihung von uninspirierten, schnell abgehandelten Morden, die rein gar nichts zum Fortgang der Geschichte beitragen. Unterbrechung erfahren diese natürlich durch das jeweils obligatorische Pokerspiel, welches durch eine schwache Inszenierung alle Grenzen der Langeweile sprengt. Sicher, es ist schwer, Nicht-Pokerbegeisterte- wie mich- zu fesseln, aber dass dies zumindest im Rahmen des Möglichen liegt, zeigte zuletzt „Casino Royale“ sehr eindrucksvoll. Nach Ende von „The Card Player“ wünscht man sich jedenfalls nichts sehnlicher, als dass der Killer eine Vorliebe für Puzzles oder „Mensch ärgere dich nicht“ gehabt hätte- wäre allemal spannender gewesen.
Selbst gegen Schluss, wo man allgemeinhin annimmt, dass Filme dort noch einmal Fahrt aufnehmen, bleibt der Streifen enttäuschend. Zwar versucht man mit allen erdenklichen Mitteln Spannung und Geschwindigkeit aufzubauen, jedoch vollkommen vergebens. Schuld daran trägt das absolut lächerliche Finale, in dem sich der Killer samt Polizistin an die Gleise einer Eisenbahn kettet, um dort mit ihr ein endgültig letztes Pokerspiel zu spielen. Die Idee gibt dem Film wirklich den Rest und man hofft - besonders für den Regisseur-, dass das Werk für immer in der Versenkung verschwindet, denn einem Argento würdig ist „The Card Player“ nun wahrlich nicht.
Weiterhin sehr tragisch ist, dass Argento seinen sonst so beeindruckenden visuellen Stil verloren zu haben scheint. Strotzten frühere Filme vor optischem Charme, Frische und Vitalität, so findet sich im Kartenspieler das genaue Kontrastprogramm. Die Bilder wirken steril, langweilig sowie x-beliebig und fungieren schon fast als Spiegelbild des Storydebakels.
Wenn so der Argento des 21. Jahrhunderts aussieht, möchte man schon beinahe um ein jähes Ende seiner Karriere bitten- sowohl in seinem als auch im Sinne des Publikums. Was sich hier über knapp 100 Minuten Spielzeit erstreckt, ist nichts weiter als eine unwürdige Selbstdemontage. Man kann nur hoffen, dass es zumindest mit dem nächsten Werk wieder zurück zu den Wurzeln geht.