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Die ersten zehn Minuten sind noch die schwersten. Tom Cruise spielt Nathan Algren, ein Kriegsveteran der Amerikaner im Jahre 1876. Algren hatte einst erfolgreich die Indianer bekämpft, hat die Erinnerungen an Skalpierungen und Folter aber noch längst nicht überwunden. Unzufrieden mit sich selbst und mit seiner Vergangenheit ertrinkt Algren seine Erinnerungen an den Krieg mit den Cheyenne im Whiskey. Ein Held ist er längst nicht mehr, eher eine Schießbudenfigur, die im Auftrage der Firma Winchester die Werbetrommel für deren neueste Errungenschaft auf dem Gebiet der Schießeisen rührt. Es ist jenes übertriebene, dankbare Tom-Cruise-Acting, das schon früher gerne mal einen ganzen Film zerstören konnte, das diesmal glücklicherweise nur hier, in den ersten zehn Minuten zum Tragen kommt, wenn der Hollywoodstar betrunken und verbittert auf der Bühne Winchesters steht, und mit detailliert beschriebenen Geschichten vom Töten und Schlitzen sein Publikum vergrault.

Wenig später erhält Algren das Angebot für die Vereinigten Staaten nach Japan zu ziehen, um dort einen Art Bürgerkrieg für die Japaner zu entscheiden. Algren, der bereits Bücher über das Taktieren gegen die Ureinwohner Amerikas geschrieben hat, soll wehrpflichtige Bauern und einfache Männer ausbilden und sie zu einem Heer japanischen Militärs formieren, um somit die angeblich rückständigen Samurai zu zermürben. Von Samurais hat Algren noch nichts gehört, aber scheinbar scheinen sie nur eine weitere Karteikarte in Algrens Ordner der Wildenstämme zu sein, die er erfolgreich niedermähte. Der einst prinzipientreue Kavallerist Algren folgt nun also seinem Erzfeind Colonel Bagley nach Japan, um für 500 Dollar pro Monat gegen unbekannte Wilde zu kämpfen.

Doch es kommt, wie es kommen muss: Die Armee, die die Amerikaner für die Japaner aufrichten ist bei Weitem nicht so stark und mutig, wie erwartet - gleich die erste Schlacht gegen die berittenen Samurais erweist sich als Desaster. Zwar haben die Japaner, durch die westliche Kultur modernisiert, Schußwaffen und präzise Angriffstechniken, dennoch sind die leidenschaftlichen Krieger der Samurai, die ausschließlich mit dem Schwert in die Schlacht ziehen, den Angreifern haushoch überlegen. Und so vergehen kaum weitere 15 Minuten, und Algren wird Gefangener jener Samurais. Da Algren im Kampf gegen die eigenen Männer Mut und unerschütterlichen Willen bewies, lässt ihn der Samuraiführer Katsumoto (Ken Watanabe) am Leben. Für die Monate, bis der Schnee schmilzt, und die Pässe zurück nach Yokohama wieder passierbar werden, wird Algren "Gast" in einem entlegenen Bergdorf der Samurai werden.

Was nun folgt ist "Der mit dem Wolf tanzt" auf Japanisch. Algren wird fasziniert von der Kultur der Samurai, von ihrer spirituellen Erleuchtung und von ihrem Ehrenkodex. Diese Krieger erweisen sich nicht als plumpe Wilde, sondern als höchst kultivierte, freundliche, ehrbare und intelligente Menschen. Algren muss erkennen, dass nicht nur Kampfstil, sondern auch Gesinnung und Auftrag der Samurai durch und durch rechtschaffen und edel sind. Nach Monaten der Besinnung und des Erlernens der Gebote und Stile der Samurai, ist Algren im Herz ein traditioneller, japanischer Samurai, und als er nach Yokohama zurückkehrt, in die eigene Primitivität, trifft er jene Entscheidung, die schon John J. Dunbar in "Der mit dem Wolf tanzt" traf, und die so offensichtlich auf der Hand liegt, dass sie hier wohl nun nicht mehr erläutert werden muss.

Edward Zwick ("Legenden der Leidenschaft") gelingt ein historisch inkorrektes, dafür aber spannendes und unterhaltsames Epos, das deswegen so stark ist, weil sich Mr. Cruise vornehmlich zurückhält. Obwohl sich die Geschichte komplett um seine Figur dreht, und sie sogar eine spürbare Entwicklung mitmacht, bleibt sie angenehm devot gegenüber dem Plot und der Erzählung. Cruise ist streckenweise auch nur Beobachter, ein Avatar für den Zuschauer, streckenweise nicht aktiv in die Story eingebettet. Das schafft Raum für den wirklich guten Aspekt des Films, nämlich die tiefe Verbeugung vor der japanischen Kultur der Samurai. Genauso tief, wie Cruises finale Verbeugung vor dem Kaiser, in der allerdings wieder sein Pathos-befallenes Gesicht aufblitzt, und wir uns an jene ersten Szenen erinnert fühlen. Cruises Rolle endet so nervig und selbstgefällig, wie sie begonnen hatte.

Während Kameramann Toll die Leinwand mit grandiosen Landschaftsaufnahmen füllt, mausert sich der charismatische Ken Watanabe zum Hauptdarsteller. Seine weise, stille Präsenz und sein multilingual überzeugendes Schauspiel lässt jegliches Ärgernis über Cruises 08/15-Start in den Film vergessen. Das Sahnehäubchen ist dabei Hans Zimmers Score, der hier mit seiner hundertsten Arbeit seit Ewigkeiten endlich mal wieder eine wirklich schöne Filmmusik ablieferte. Das gut komponierte Epos mündet dann in einer heftigen, fantastisch und halsbrecherisch choreographierten Actionsequenz, die genauso schnell und aufregend, wie dramatisch und traurig ist. Jene finale Schlacht dürfte der Magic Moment bei "Last Samurai" sein, denn hier, beim offenen Krieg, stimmt wirklich alles.

"Last Samurai" ist großes Kino, großes Entertainment. Wer eine Kinokarte gelöst hat, wird sich nicht ärgern, denn der Film ist atmosphärisch, ruhig erzählt und technisch auf höchstem Niveau. Cruise hält sich angenehm zurück, und sogar Cruise-Hasser dürften seine größtenteils respektable Performance zu schätzen wissen. Doch im Gegensatz zu Zwicks geistigem Vorbild "Lawrence von Arabien", wird "Last Samurai" nicht in die Annalen der Filmgeschichte eingehen. Für Kunst und Klassiker reicht es dann doch leider nicht.

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