Es ist leicht, Tom-Cruise-Filme nicht zu mögen, denn sie laufen zu einem beachtlichen Teil nach einem Sonnyboy-Schema ab, das interessanterweise sowohl Frauen als auch Männer anspricht. Der Fokus liegt stets auf der Figur, die Cruise darstellt und da sich diese Figuren ähneln, kann man von Cruise-Filmen sprechen, nicht nur von Filmen mit ihm.
Umso erfrischender, wenn man dann feststellt, dass der Darsteller sich auch einmal erfreulich zurücknehmen kann, wenn es um einen Film geht ("Magnolia" war auch so ein Beispiel). "Last Samurai" schlägt in dieselbe Kerbe und das Ergebnis ist außerordentlich unterhaltend.
Im Grund ist "Last Samurai" ein klassischer Western, der nur zufällig im Osten spielt. Selbst die Epoche (1876/77) und das Vorspiel entspringen dem goldenen Westen, in dieser Geschichte um einen vom Krieg und vom Töten restlos desillusionierten Alkoholiker, der wieder einmal für das engagiert wird, was er eigentlich nicht mehr tun will: eine Armee aufbauen, einen Krieg führen.
In der fremden Kultur Japans jedoch scheitert er wieder einmal, an bornierten Vorgesetzten, an vorschnellen Handlungen, um dann im Zustand kämpferischen Untergangs seinen vermeintlichen Feinden in die Hände zu fallen. Diese Samurai, die sich als Königstreue gegen die einflussreichen Modernisten in der Regierung stellen, bringen ihm nach und nach eine andere Lebenseinstellung bei, die Selbstaufopferung aus Ehre, anstelle von Selbstaufgabe. Das führt (natürlich) letztendlich dazu, dass sich der irgendwann genesene und lernwillige Kämpfer schließlich auf die Seite der angeblich Aufständischen stellt.
Was trotzdem eine echte Strahlemann-Story hätte werden, denn das Thema der Läuterung ist ja bei Cruise immer sehr beliebt, gerät schier unglaublicherweise zu einem düsteren Epos, bei dem das leidige Thema Ehre, Krieg und Tod relativ ernst und unplakativ abgehandelt werden.
Die nötige Härte liefert „Last Samurai“ da gleich mit, denn der Schnetzelfaktor kann beruhigt irgendwo zwischen „Herr der Ringe“ und „Kill Bill“ eingeordnet werden.
Denn ebenso konsequent, wie die Samurai geschildert werden, legt Zwick auch die reichlichen Kampfszenen an: wenn schon gestorben wird, dann heftig.
Die Kämpfe und Schlachten sind dann auch von beachtlicher Brutalität, entgegen der Tendenz, durch superschnellen Schnitt dem Gezeigten die Spitze zu nehmen. Hier wird geköpft, abhackt, durchschnitten, angestochen und aufgespießt, dass es eine wahre Freude ist, aber es wird nie so selbstzweckhaft, dass man abwinken möchte.
Entwerten tut sich das Spektakel natürlich etwas dadurch, dass es sich um rein fiktive Ereignisse handelt, aber bei einem klassischen Western hat auch noch niemand gefragt, ob die Schilderung des Westens in irgendeiner Form authentisch gewesen wäre.
Gegen Ende geht der Pathosfaktor natürlich in die Höhe, die Schlachtästhetik nimmt zu, aber die endzeitlich ausgerichtete Geschichte nimmt angenehm geradeaus ihren Kurs auf die „Samuraidämmerung“ alter Schule, vermeidet also unnötige Mätzchen und Schlenker.
Vor allem die Schlussszene vor dem Kaiser ist noch einmal Hollywood pur und bringt mehr „Happy End“ ins Spiel, als der Film nötig gehabt hätte, doch bis dahin zieht der Film den unterhaltungswilligen Zuschauer problemlos in seinen Bann und nervt auch nicht mit einer breitgetretenen Liebesgeschichte, sondern belässt es bei einer zarten Annäherung.
Bei alledem bleibt Cruise wunderbar still und stoisch, bisweilen sogar mit grimmigem Humor ausgestattet und nimmt sich somit zurück, um gegen den Trend, alle Filme auf ihn auszurichten, anzuarbeiten. Seine Leistung ist wahrhaft nicht oscarverdächtig, aber mittels Dauerbart und gebrochenem Blick wird das immer noch sehr jugendliche Bubengesicht wenigstens hier brauchbar übertüncht.
Aber noch stärker in Erinnerung bleibt das Visuelle, das hier den einen oder anderen Triumph feiert. Die erste Schlacht in einem morgennebligen Wald, bei dem die Samurai wie Tiergötter aus den undurchdringlichen Schwaden anreiten, ist Kino pur, genauso wie die übrigen Schlachtengemälde.
So erwartet den Zuschauer also ein East-West-ern von altem Schrot und Korn, ein durch und durch harter und knackiger Film ohne Peinlichkeiten oder langatmige Aussetzer, der der östlichen Lebensart auch noch ein Menge Platz einräumt, ohne dass man gleich wegen Formfehlern aufschreien müsste. Ein kraftvolles Epos für zweieinhalb prachtvolle Stunden Kino mit viel Drive. It ain’t art – but it’s damn fine entertainment! (8/10)