Anno 1999 schufen die Wachowski Brüder mit Matrix einen Film, der seinen Kultstatus mit vollem Recht erlangte und sicher noch etliche Generationen von Zuschauern faszinieren wird. Ein geniales Szenario, das viel Raum zum Nachdenken bot und geniale Special-Effects machten Matrix zum ersten Film des neuen Jahrhunderts. Danach war es vier Jahre lang still. Und plötzlich meldeten sich die W-Brüder wieder zurück. Zwei Aussagen standen damals im Raum. Die erste lautete:
"Matrix war von Anfang an als Trilogie geplant".
Das weckte große Erwartungen bei den Fans, bot doch der erste Teil ein zwar offenes aber doch sehr gutes Ende. Voller Vorfreude stürmten die Fans in Reloaded und wurden prompt in 2 Lager gespalten. Die einen fanden ihn schlichtweg genial, die anderen empörten sich über sinnlos verschachteltes pseudophilosophisches Geschwafel und einen lächerlichen Neo, der supermanlike in der Matrix aufräumte.
Zu diesem Zeitpunkt machte die zweite Aussage der W-Brüder die Runde:
"Reloaded und Revolutions sind in Wirklichkeit ein kompletter Film. Man kann Reloaded erst dann richtig einordnen, wenn man Revolutions gesehen hat."
Das waren sehr große Worte. Ich selbst zählte mich damals zu der Fraktion, die Reloaded wirklich gut fand. Der Film baute storytechnisch sehr viel auf, ließ den Zuschauer dann aber mit einem abartigen Cliffhanger im Kino sitzen. Natürlich führte das zu vielen Spekulationen unter den Fans. Seitenlange Diskussionen wurden geführt, alle möglichen Theorien erörtert etc. Und allen war klar, dass das Wohl und Wehe der Trilogie von Revolutions abhängen würde. Die große Frage lautete also: Würden es die Wachowskis schaffen, dass enorme storytechnische Potential von Reloaded in Revolutions zu einem ordentlich Schluss zu führen?
Ich war gestern in dem Film und ich muss die Frage für mich leider Gottes mit einem klaren Nein beantworten. Ich weiß nicht, was genau die W-Brüder geritten hat, als sie das Drehbuch zu Revolutions verfassten. Durchaus möglich, dass das im Suff geschah, denn was hier letzten Endes geboten wird, ist ein mehr als unwürdiger Abschluss der Trilogie.
Die Story wurde nun schon häufig lang und breit erzählt, also werde ich das nicht noch einmal tun. Stattdessen werde ich einfach mal aufzählen, was mich an diesem Film so gewaltig gestört hat.
1) Neo wird auf eine Jesus-Figur mit übernatürlichen Kräften zusammengeschrumpft. Das ist schlicht und ergreifend dumm. Bis zu Reloaded war das Matrix-Universum sehr "realistisch" aufgebaut. Neo konnte in der Matrix tun und lassen, was er wollte. Aber in der wirklichen Welt, war er ein Mensch wie jeder andere. Am Ende von Reloaded verfügte er jedoch plötzlich über die Fähigkeit, die Wächter zu spüren und aufzuhalten, was natürlich zu sehr vielen Spekulationen über die Beschaffenheit der "realen" Welt führte.
Es war klar, dass Revolutions auf diese Frage eine Antwort parat haben muss. Aber wer konnte schon ahnen dass diese einfach "Darum" lauten würde? An dieser Stelle müssen sich die W-Brüder ganz besonders den Vorwurf gefallen lassen, dass sie das Potential von Reloaded nicht erkannt und darüber hinaus die Gesetzmäßigkeiten des Matrix-Universums völlig hirnlos verdreht haben.
2) Manche Teile des Filmes wirken total aufgesetzt. Bestes Beispiel hierfür ist die Nummer in dem Bahnhof am Anfang des Filmes. Die ganze Befreiungsaktion von Neo ist nur Krampf und dient nicht wirklich der Story. Der Merowinger und Persephone, die in Reloaded noch eine wichtige Rolle spielten, werden auf Randfiguren zusammengestrichen und verschwinden nach einem kurzen Auftritt im Nirgendwo. Aber Hauptsache, man konnte irgendwie ein paar Kung Fu-Szenen und eine kleine Schießerei einbauen.
Der Endkampf zwischen Neo und Smith fällt in die gleiche Kategorie. Er ist völlig sinnlos und hat bis auf ein paar nette Spezial-Effekte (absolutes Highlight ist der Gesichtstreffer bei Smith) absolut gar nix zu bieten. Die Choreografie ist größtenteils lächerlich etc. Am Ende opfert sich Neo, indem er sich von seinem bösen Gegenstück übernehmen lässt und beide Teile dadurch egalisiert werden. Aber um das zu erreichen ist es natürlich notwendig, erst mal wild in der Gegend herumzufliegen (woher Smith das plötzlich nur kann?) und ein paar gewaltige Druckwellen zu erzeugen.
3) Sehr viele Fragen aus Reloaded bleiben unbeantwortet bzw. erhalten von allen möglichen Antworten die simpelste. Das Beispiel mit der Jesus-Figur namens Neo habe ich schon genannt. Ich habe in einem anderen Review ein paar nette Theorien gelesen, wonach Neo per Funk Zugriff auf alle Elemente der Maschinenwelt und der Matrix hat. Diesen Theorien kann ich mich leider nicht anschließen. Ein Grund dafür ist der Ausflug von Smith in die reale Welt. Smith ist nichts weiter als ein Computerprogramm. Die große Preisfrage lautet also: Wie kann ein Programm die Persönlichkeit eines lebenden Menschen vollkommen auslöschen und anschließend die Kontrolle über den Körper übernehmen? Revolutions gibt darauf keine Antwort, aber ich nehme mal an, dass sie "Wieso nicht?" lauten würde.
Ich könnte das hier jetzt noch eine ganze Zeit fortführen, aber ich ziehe einfach das Fazit, dass Revolutions inhaltlich auf kompletter Ebene versagt und somit sich und den Vorgänger zum Witz degradiert. Übrig bleibt das Original von 1999, welches ich von jetzt an als abgeschlossenen Film betrachten werde.
Anschließend noch ein Wort zum visuellen Charakter des Filmes. Hier wird glücklicherweise noch genug geboten, um sich halbwegs gut zu unterhalten. Die beiden Keilereien in der Matrix sind inhaltlich zwar nicht unbedingt das Gelbe vom Ei sehen aber dafür gewohnt gut aus. Dafür können die Szenen in der realen Welt umso mehr begeistern. Die Schlacht um Zion ist ein echtes Brett und die Maschinenstadt kommt mitsamt ihren Verteidigungsanlagen auch hervorragend rüber.
Somit bleibt unterm Strich ein optischer Blender übrig, der visuell gut unterhalten kann, inhaltlich aber eher hohl bleibt. Deswegen gibt’s von mir auch nur 5/10 und einen weiteren Eintrag in meine diesjährige Enttäuschungsliste, die länger ist als in allen Jahren zuvor.