Review

Knock Knock Filmfan.
Wake up...
The Matrix doesn't have you any more.

Da ist er nun also, der herbeigesehnte dritte Teil der Matrix-Filmreihe, und trägt den viel versprechenden Titel "Revolutions".
Als im vergangenen Sommer der Vorläufer "Matrix Reloaded", das Sequel zum 1999er Überraschungshit "Matrix", in die Kinos kam, spaltete sich die Fangemeinde. Gute und spektakuläre Action hatte die Fortsetzung zu bieten, keine Frage, inhaltlich hinkte der Streifen aber mächtig (vgl. hierzu ausführlicher meine Besprechung von "Reloaded"). Den dritten Teil nun wollten alle sehen: Die Verfechter des Matrix-Kults und Fans von "Reloaded" wollten eine angemessene Weiterführung der Trilogie, die die Matrix-Macher Larry und Andy Wachowski 1999 mit ihrer Erfolgsmischung aus SciFi-Action, Endzeitmystik und philosophischem Überbau begründeten; diejenigen, die sich mit Teil 2 nicht anfreunden konnten, erwarteten zumindest, das "Revolutions" alles wieder richten würde.

Eingetreten zu sein scheint nun, was viele befürchtet hatten und nur wenige auszusprechen wagten: Beide eben genannten Gruppen dürften enttäuscht sein.

"The Matrix: Revolutions" ist in keinster Weise ein würdiger Abschluss der Matrix-Trilogie, er ist, ungeachtet der Qualität, der Mystik und der Prämissen, die den ersten Film in der heutigen Popkultur umgeben, nicht einmal mehr ein anständiger Fortsetzungsfilm.
Hat man "Revolutions" gesehen, geht man nicht gänzlich verärgert, aber schon etwas enttäuscht und irritiert aus dem Kino. Die vielzitierte Aussage der Wachowski-Brüder, die Handlung von "Matrix" sei von Beginn an als Trilogie konzipiert gewesen, wird durch den dritten Film vollständig ad absurdum geführt. Hinzu kommt nahezu ebenso schwerwiegend, dass der direkte Vorgänger ("Reloaded" und "Revolutions" wurden ja praktisch zeitgleich gedreht und gelten als zweigeteilter Film) und eine Vielzahl seiner Inhalte konsequent ignoriert werden.
"Revolutions" wirkt größtenteils leider konstruiert, teilweise an den Haaren herbeigezogen, der Plot ist wirr und, auch angesichts der gesetzten Prämissen der ersten beiden Filme, schlichtweg abstrus und unglaubwürdig.


Im Detail:

Der Streifen setzt ohne weitere Einführung direkt an dem Cliffhanger aus "Reloaded" an. Dieser ließ uns Zuschauer mit einer Menge Fragen allein. Hat Neo die "Quelle" bereits berührt? Was passiert ohne Reload in den nächsten 24 Stunden mit Zion und der Matrix? Was ist mit dem Smith in Bane? Welche Hintergründe hat der Architekten-Monolog noch? Welche Rolle spielt das Orakel wirklich?
Letztlich werden nur wenige dieser Fragen beantwortet.

Der Matrix-Macher setzen stattdessen auf belanglose Nebenhandlungen ohne große Bezüge zum Hauptplot, stellen einen Datenübermittlungspunkt zwischen der Maschinenwelt und der Matrix als U-Bahnhof dar und etablieren mit der kleinen Sati, einer zukünftigen Schülerin des Orakels, deren Programm-Eltern und dem abartigen Trainman, noch weitere Charaktere in einem Ensemble, bei dem mittlerweile eh nicht mehr genau gesagt werden kann, wer wichtig und wer eher unbedeutend für den Handlungsfortgang ist. Die lang gestreckte Episode um das Suchen und Finden der Logos mit Niobe und Ghost an Bord hat außer der Abgabe des Schiffs an Neo wenig zu vermitteln und soll wohl nur dem parallel zu "Reloaded" angesiedelten Videospiel "Enter the Matrix" Tribut zollen.

Als Morpheus und Trinity zusammen mit Seraph, dem Beschützer des Orakels, den Hell's Club, eine Sado-Maso-Dance-Bude des Merowingers, aufsuchen, um Neo zu befreien, startet die erste Actionsequenz des Films. Diese zeigt sich dann als eine kleine Reminiszenz an das Lobby-Shootout aus Teil 1, ohne allerdings dessen Niveau und choreographische Spritzigkeit zu erreichen. Dass die Gegner nun auch an der Decke entlanglaufen können, revolutioniert die ganze Sache kaum. Zudem ist die nette Ballerei viel zu schnell vorbei. Auch wenn einige Zeitlupeneinstellungen und Einschüsse optisch recht nett wirken, nur sechs Gegner und fehlende Szenenchoreographie machen die Szene zu einem sehr müden John Woo - Abklatsch. Seraph hat hier ein bis zwei nette Szenen, wird aber in der weiteren Inszenierung leider verschenkt.
Der Merowinger wird zusammen mit einer erneut übertrieben reizvoll gekleideten Persephone, die nur noch ein bis zwei Zeilen Text hat, auf einen bloßen Gastauftritt reduziert. Sie dürfen sich von Trinity diplomatischerweise anpissen lassen und verschwinden danach in den bedeutungslosen Niederungen der Computerwelt und waren nicht mehr gesehen.

Danach splittet sich die Handlung, wobei die Wachowskis beweisen, nicht, wie seit jeher in den "Star Wars" - Filmen und jüngst von Peter Jackson in "Die Zwei Türme" praktiziert, das Talent zu haben, mehrere parallel laufende Handlungsstränge mit getrennt agierenden Protagonisten erzählen zu können.
Neo und Trinity machen sich auf zur Maschinenstadt, und nach dem harten Kampf zwischen Bane und Neo und dessen brutaler Blendung passiert in diesem Handlungsstrang erstmal nichts bedeutendes mehr. Dafür werden nun, inklusive klischeehafter Pathos-Rede und den absolut überflüssigen Szenen mit dem nervigen Kid, in Zion die Vorbereitungen für die Verteidigung gegen den Angriff der 250.000 Wächter abgeschlossen, während Morpheus und Niobe auf der Flucht vor den Maschinen fast genau wie in "Flug der Osiris" mit dem letzten Hovercraft, das sich bei Kollisionen noch stabiler erweist als die Enterprise-E in "Star Trek: Nemesis", versuchen, den Schauplatz der Schlacht noch zu erreichen.

Die Schlacht um Zion ist dann mit den herumballernden Mechwarrior-Einheiten und den zahllosen Schwärmen an gnadenlosen Squiddies auch recht beeindruckend und tricktechnisch auf angemessenem Niveau. Dennoch kann nicht einmal diese (äußerst lange) Sequenz wirklich fesseln: Zu oft wiederholen sich dann doch die Effekte, die wenigen gezeigten Soldaten schreien die ganze Zeit monoton martialisch (das sollte wohl die Aufopferung unterstreichen), am Kampf nimmt nicht ein Hauptcharakter teil, zu dem man nähere emotionale Bindungen entwickelt hätte, und wenn die freiwillig mitkämpfende Zee dann noch mit ihrer Kameradin im Alleingang eine Riesen-Bohrmaschine der feindlichen Maschinen zersemmelt, bringen zahlreiche abgekaute Tropfen das Klischeefass zum Überlaufen. Ergo: Eine außergewöhnlich aufwendige Materialschlacht mit viel Krawumm, aber kaum spannend und mit der Zeit langatmig.
Am Ende pusten Morpheus und Co. mit dem letzten EMP ganze Angriffswellen der Wächter weg, und -tada- die erhoffte Verschnaufpause ist da.

Den Film hier enden zu lassen, wäre angesichts dessen, was folgt, eine gute Entscheidung gewesen. Denn der Flug der beiden Hauptfiguren zur Maschinenstadt, der klischeehafte Tod Trinitys, die in einer Weise, die Shakespeare den Magen umdrehen würde, mit drei Stahlschläuchen im Bauch noch quälend langweilige Minuten lang bekannte Liebesgeständnisse rezipiert, und Neos Gang zur albern konzipierten Obermaschine in der (immerhin eindrucksvoll getricksten) Maschinenzentrale können insgesamt überhaupt nicht mehr begeistern und lösen beim Zuschauer nur noch unbeteiligtes Schulterzucken sowie genüssliches Gähnen aus.

Wenn Neo dann endlich seinen Deal mit den Maschinen (er beseitigt die gemeinsame Bedrohung, dafür gibt es Frieden...) abgeschlossen hat, darf er gegen seinen Nemesis Smith antreten. Es folgt die aus dem Trailer bereits bekannte Szene, in der Smith Neo mit dem berüchtigten „Mr. Anderson, willkommen zurück.“ begrüßt (kommt im Original übrigens noch wesentlich cooler). Die erste Minute des darauf folgenden Kampfes kann dann auch überzeugen, wenn die Kontrahenten in Zeitlupe als Positiv-Negativ-Pole dargestellt in strömendem Regen aufeinander zu laufen und sich den Showdown-Fight liefern. Im Hintergrund läuft dazu ein episch anmutendes Orchestralstück mit dunklen Chorälen namens „Neodämmerung“, wohl das beste was jemals ein Soundtrack zu einem Matrixfilm hervorgebracht hat. Leider gleitet der Kampf bald ins banale ab, die beiden Todfeinde kämpfen auf der Straße, in Gebäuden und im Flug, das kann der Ex-Systemagent jetzt nämlich auch. Optisch vermeintlich spektakuläre, aber eigentlich sinnlose CGI-Druckwellen langweilen zusätzlich das Auge, während die künstlich-kitschig animierten Digital-Stuntmen den Rest erledigen und Matrix fast selbst zum Manga gemacht wird.
Am Ende der viel zu bemüht gestreckten Schlägerei verpufft dieses uninspirierte Duell, das niemals an das Flair und die Dynamik der vorherigen Neo/Smith-Fights heranreicht, in einer wenig überraschenden, albernen Auflösung, die den ganzen Showdown letztlich überflüssig gemacht hätte. Der einst so charismatische Charakter des Smith wird leider ebenso wie viele andere Chancen im Film durch Reduktion auf seine "Der Oberböse"-Rolle verschenkt.

Ein peinliches Sonnenaufgangs-Endbild, der Architekt und das Orakel in einem dümmlichen Dialog, das liebenswerte Indisches-Kind-Programm wieder da, die Menschen dürfen trotz weiter existierender Matrix befreit werden: Juchu, Happy End. Was mit den zig Millionen Menschen, die Smith assimiliert hatte, passiert und warum einige Übernommene plötzlich wieder leben, bleibt ein unkommentiertes Rätsel. Die Assimilation von Bane in „Reloaded“ suggerierte noch, durch das Überschreiben des Restselbstbilds würde der Geist des Menschen sterben. Nun ja.

Hiermit komme ich nun zum zentralen Kernproblem des gesamten Trilogie-Abschlusses:
Es werden viel zu wenig Antworten und Erklärungen geliefert, viele angefangene Handlungsstränge bleiben lose und inkonsequent behandelt im Raum stehen, die wenigen gelieferten Antworten bleiben durchweg wirr und unbefriedigend.
Warum kann Neo Maschinen in der Realwelt beeinflussen? Banale Antwort des Films: Weil er der Auserwählte ist. Weshalb Neo nach seiner Blendung alles maschinell strukturierte in einer goldenen Aura sieht, wird überhaupt nicht erläutert. Was genau nun mit Smith ist, bleibt ebenfalls unerläutert; "ein Gegenpol" zu Neo bleibt der selbst für den Zuschauer erkennbarste und doch unbefriedigendste Lösungsversuch. Dem Orakel (die aus dem Tod Gloria Fosters resultierende Darstelleränderung scheint noch versuchsweise erklärt) wird die zuvor kreierte Zwiespältigkeit genommen, es fungiert hier als planender Hilfesteller des Messias-artig zelebrierten Neo - letzteres ist auch nicht ganz nachgeschmacksfrei vollzogen worden.
Absolut inkonsequent behandelt der Film jegliche Fragen, die Teil zwei vermeintlich aufstellte. Der ganze Themenkomplex um den Schlüsselmacher, die Mensch-Maschinen-Koexistenz, den Monolog des Architekten, den Reload der Matrix, Neos Wahl zwischen den zwei Türen, die "Berührung" der Quelle, die Mythologie um Existenz, Realität, Vorbestimmung und Schicksal, die in den "Animatrix"-Filmen angesprochenen Gebiete und Problemstellungen des Matrix-Universums) vgl. die kontrovers diskutierte letzte Episode "Matriculated" und die im Raum stehende Selbstbefreiung Kids), et cetera et cetera... - alles wird nicht mal mehr im Ansatz konsequent aufgegriffen, ja bisweilen wird es eher scheinbar bewusst ignoriert. Ach ja, die hochgekulteten Twins erleben ebenfalls keine Rückkehr.
Was wurde in Fankreisen, Zeitungen, Seminaren und nicht zuletzt einschlägigen Internetforen diskutiert über den philosophischen Überbau der Trilogie und die überdimensionale Pointen-Trickkiste der Wachowski-Brüder? Matrix in der Matrix, Neo ein Programm, Smith als der Leibhaftige, Revolutions-Ende identisch mit Ende von Matrix 1, Maschinen wollen Liebe kennen lernen, Bedeutung von Kid, usw. usf. ... - viele gehaltvolle Stichworte eben, dies alles und noch eine mehr wurde in teilweise recht anspruchsvollen Zusammenhängen vielfach diskutiert und gemutmaßt.
Und letztlich muss die traurige Erkenntnis leider heißen: Nichts von alledem vermag "Revolutions" tatsächlich einzulösen. Weder inhaltlich noch tricktechnisch kann von einer "Revolution" die Rede sein.
Schade.

Nun will ich versuchen, ein knappes, aber angemessenes Fazit zu ziehen:
"Revolutions" schließt die Matrix-Trilogie inhaltlich ab (allerdings nicht ohne einen bodenlosen Raum für etwaige Fortsetzungsmöglichkeiten zu hinterlassen), aber er schließt sie unwürdig ab. Keine der in ihn gesetzten Erwartungen kann der Film wirklich gänzlich erfüllen. "Revolutions" bietet nach wie vor nette Actionszenen, die aufwendig präsentierte Schlacht um Zion sowie die musikalische Untermalung des finalen Duells wissen zu gefallen, bleiben aber fast die einzigen erwähnenswerten Positiva eines inkonsequent und uninspiriert wirkenden Streifens, der gerne mehr wäre, als er nun tatsächlich ist.
Und so verlässt der Zuschauer den Kinosaal nach der Bewunderung eines bemühten und zeitweise sicherlich immerhin unterhaltsamen Action/Science-Fiction - Konglomerats, das angesichts seiner Vorgänger weit hinter allen Erwartungen zurückbleibt
- sichtlich enttäuscht.

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