Review

KUNOICHI LADY NINJA von Hitoshi Ozawa
Japan 1998

Vorsicht, die folgende Kritik enthält Inhaltsangaben, die man als SPOILER interpretieren kann!

Ich frage mich, ob ich gerade den richtigen Film angeschaut habe, denn ein Blick auf seine Übersichtsseite bei der OFDb hat mich ziemlich nachdenklich gemacht. Dort ist das oben genannte Werk mit einer durchschnittlichen Bewertung von 5,47 Punkten ausgewiesen, was im Prinzip nichts anderes bedeutet, als dass es von erstaunlich vielen Menschen als überdurchschnittlich gut empfunden wurde. Sehr merkwürdig.
Was ich gesehen habe, war Kunoichi Lady Ninja aus dem Jahre 1998, entstanden unter der „Regie" von Hitoshi Ozawa. Und dabei handelt es sich um einen cineastischen Super-GAU, dessen ganzes Ausmaß jeden nur denkbaren Rahmen zu sprengen droht, zumindest den einer bis ins Detail gehenden Rezension. Deshalb will ich hier nur ein paar grundlegende Aspekte skizzieren - wenn es mir gelingt, damit ein paar ahnungslose oder falsch informierte Zeitgenossen davor zu bewahren, sauer verdientes Geld und wertvolle Zeit zu verschwenden, dann habe ich mein gutes Werk für heute getan.

Japan in ferner oder nicht ganz so ferner Vergangenheit, es ist egal: Ein grausamer Shogun terrorisiert das Land und vor allem dessen junge weibliche Bevölkerung. Dabei wird er eifrig von seiner siebenköpfigen „Dämonen"-Leibgarde unterstützt. Eines Tages verliebt er sich in ein schönes Mädchen, das zwar vorerst fliehen kann, später jedoch in einem Kloster aufgestöbert wird. Die Dämonen zeigen sich gleich von ihrer bösesten Seite und richten dort ein Blutbad an. Sieben junge Frauen, unter ihnen die Gesuchte, entgehen dem Gemetzel, weil wie aus dem Nichts irgendeine geisterhafte schwebende Prinzessin erscheint, vor welcher die Dämonen den allergrößten Respekt haben. Warum das so ist, soll man einigen abstrusen Wortwechseln entnehmen. Nachdem die nunmehr recht kleinlaut gewordenen Dämonen den Rückzug angetreten haben, erinnern sich die sieben Frauen daran, dass Ninjablut in ihren Adern fließt - ein Umstand, der sie zu dem Beschluss ermutigt, für das Massaker Rache zu nehmen. Dabei bekommen sie, ohne dass man einen Grund für sein Auftauchen auch nur ahnen kann, Hilfe von irgendeinem seltsamen Samurai, der sie vermutlich ausbilden soll, aber erst einmal nur herumsitzt und hin und wieder lustlos ein paar Worte zu einer ganzen Reihe von ermüdenden Gesprächen beisteuert ...
Von nun an dürfte es nicht mehr lange dauern, bis ein normal arbeitendes Gehirn auf Notbetrieb umschaltet und eine weitere Verarbeitung dessen, was wohl eine Handlung sein soll, aus Sicherheitsgründen verweigert. Tatsächlich sollte man sich von vornherein jeden Gedanken an den Plot ersparen und darauf eingestellt sein, hier nichts anderes vorzufinden als eine wahre Flut von wirren Bildern, katastrophalen Effekten, grenzdebilen Dialogen und unterirdischen Darstellerleistungen, in der man jederzeit Gefahr läuft, geistigen Schiffbruch zu erleiden.

Kunoichi Lady Ninja darf auf mancherlei Gebiet Referenzstatus für cineastische Unfähigkeit beanspruchen. Das inszenatorische Desaster habe ich bereits angedeutet. Ganz besonders fällt ins Auge, dass der Fokus im Verlauf des Films völlig unkontrolliert zwischen den verschiedensten Personen hin und her springt, sodass man bald nicht mehr weiß und später auch gar nicht mehr wissen will, um wen es hier eigentlich in erster Linie geht. Dass manche Teilnehmer des Spektakels ohne jede Erklärung ins Rennen geworfen werden, als wären sie alte Freunde des Zuschauers, kann unter Umständen damit erklärt werden, dass der Film bereits der achte Teil einer ganzen „Kunoichi ninpô chô"-Serie ist. Vielleicht sollte man die entsprechenden Personen bereits aus vergangenen Teilen kennen. Wenn diese Vorgänger allerdings eine ähnliche Qualität aufweisen wie das hier besprochene Werk, dann lebt niemand mehr von denen, die sich mehr als die Hälfte davon zugemutet haben - zumindest nicht außerhalb der Psychiatrie.

Auch die Ausstattung des Films ist erbärmlich - besonders die „Dämonen" sind ein Armutszeugnis selten gesehener Art. Um die Schauspieler in solcherlei Fabelwesen zu verwandeln, setzte man einem von ihnen einfach eine Motorradbrille (!) und einen Plastik-Wikingerhelm auf, einem anderen malte man das Gesicht schwarz an. Ein dritter hat ein rot beschmiertes Gesicht und darf ab und zu ein paar Zischlaute ausstoßen. Damit war der Einfallsreichtum der Verantwortlichen offenbar schon über Gebühr beansprucht und man beschränkte sich im Weiteren vorwiegend auf den Einsatz aller gerade verfügbaren Faschingsmasken.

Ein Kapitel für sich sind die „Kämpfe". Immerhin war sich Regisseur Ozawa der Tatsache bewusst, dass es unter den Mitwirkenden niemanden gab, der auch nur einen Tortenheber unfallfrei handhaben konnte - geschweige denn ein Schwert oder etwas Ähnliches. Folglich versuchte man, diese Defizite durch den Einsatz zweier altbewährter Mittel zu kaschieren: schnelle Schnitte und permanentes Wackeln mit der Kamera. Beides wurde aber derart übertrieben, dass man den Verlauf der „Kampfhandlungen" auch beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen kann. Was man sieht, ist ein wild hin und her zappelndes wirres Durcheinander umherhüpfender und lautstark brüllender Gestalten, in welchem die jungen Damen übrigens höchst selten auszumachen sind. Gelegentlich ist zu erkennen, dass die „Dämonen" Ketten oder anderen Kram durch die Gegend werfen. Nach kurzer Zeit fehlt dann meist ein Kopf oder ein Arm und es gibt beachtliche Hochdruck-Blutfontänen zu bestaunen. In dieser Beziehung ist der Film keineswegs kleinlich - vor Blut und Gewalt schreckt er nicht zurück. Allerdings sind die entsprechenden Szenen so extrem überzeichnet, dass sie selbst bei zarten Gemütern bestenfalls ein entspanntes Lachen auslösen können. Allein das absolut unnatürliche Rosa des Blutes verbietet jede andere Reaktion.
Immerhin führt all das nach genau 24 Minuten und 40 Sekunden zu einer Szene, die so bekloppt ist, dass sie auf ihre Art wohl zu den denkwürdigsten der Filmgeschichte zählt: Eine der „Ninja-Kämpferinnen" hackt ihrem Gegner mit einem Dolch den Arm durch, und Sekundenbruchteile später torkelt der Getroffene mit mehreren riesigen Löchern in Brust und Rücken, aus denen meterweit neun oder zehn armdicke Blutfontänen schießen, seinem Ende entgegen. Das muss man gesehen haben, um es zu glauben. Aus dem verbliebenen Plastik-Unterarm kommt übrigens kein einziger Tropfen, was die Szene noch irrer macht.

Über den Inhalt der „Dialoge" will ich an dieser Stelle den Mantel barmherzigen Schweigens decken, aber die Schauspieler verdienen durchaus noch eine Bemerkung: Es ist wahrhaftig schwer, aus der hier angetretenen Riege talentfreier Akteure noch auf negative Weise herauszuragen, aber der Darsteller des Shoguns schafft es tatsächlich, dieses kleine Wunder zu vollbringen. Von niemandem gebremst zaubert er eine Vorstellung auf die Leinwand, für die der Begriff Overacting eine grobe Verharmlosung ist. Es gibt kaum einen Satz, der von ihm nicht auf irgendeine groteske Weise deklamiert wird. Mit zunehmender Laufzeit ist das nur noch unter Schmerzen zu ertragen.

Einen weiteren Höhepunkt erreicht der Film nach etwas mehr als 68 Minuten - nämlich sein Ende. Auch das ist denkwürdig. Es kommt nämlich so unglaublich überraschend, dass derjenige, der die Laufzeit nicht schon vorher kannte und noch nicht eingeschlafen oder ins Koma gefallen ist, zunächst an einen Irrtum oder einen Fehler auf der DVD denken dürfte. Aber nichts dergleichen - es läuft ein ausführlicher Abspann und der Film ist zu Ende. Dabei gab es nichts, aber auch gar nichts, was auf einen baldigen Schluss hingedeutet hat. Das wirre Geschehen hört einfach auf, ohne dass irgendetwas auch nur ansatzweise geklärt ist. Unglaublich.
Ob man diesen plötzlichen Abbruch unbedingt negativ bewerten muss, sei freilich dahingestellt. Es wird nicht wenige geben, die ihn nach den ersten Momenten der Ratlosigkeit als Erlösung empfunden haben.

Wer das bisher Gesagte gelesen hat, könnte nun vielleicht meinen, dass Kunoichi Lady Ninja für wenig Geld doch wenigstens zu einem lustigen Abend verhelfen sollte. Aber das wäre ein gefährlicher Irrglaube. Der Film hält nämlich noch mehr Probleme bereit, und eins davon fällt ganz besonders ins Gewicht: Er ist langweilig. Stinklangweilig. Da er zu keinem Zeitpunkt ein nennenswertes Interesse an seinem Inhalt wecken kann und es nichts und niemanden zum Mitfiebern gibt, scheinen sich die Szenen, in welchen man nicht durch lautes Kampfgetöse oder das infantile und affektierte Geschrei des Shoguns wach gehalten wird, bis in die Ewigkeit zu dehnen. Mit diesem Hintergrund werden selbst zwanzig Sekunden, in denen eine der Damen Flöte spielt, zur unerträglichen Qual.
Die Krönung ist, dass sich der Film an einigen Stellen auch noch ernst zu nehmen scheint. Es gibt Momente, die besinnlich oder gar traurig sein sollen, im Rahmen dieses Machwerks aber absolut deplatziert sind und nichts weiter auslösen als zusätzliche Verwirrung.

Schließlich sei noch die schlechte Bildqualität erwähnt, in welcher Kunoichi Lady Ninja daherkommt. Das Werk wurde im Jahr 1998 produziert, wirkt aber (bis auf ein paar grauenhafte Computereffekte) gut dreißig Jahre älter. Dabei rede ich nicht etwa von einem beabsichtigten Retro-Look, sondern von einem ganz einfach schäbigen Eindruck, der sich allerdings harmonisch in das katastrophale Gesamtbild einfügt, das man von Hitoshi Ozawas Streifen erhält.

Zu guter Letzt bleibt die Frage, ob es denn überhaupt etwas Erfreuliches über diesen Film zu sagen gibt. Ja, ein wenig. Zunächst fallen die fast ausnahmslos äußerst attraktiven Darstellerinnen ins Auge, welche die leidgeprüften Zuschauer (ich gehe mal davon aus, dass das überwiegend männliche Mitbürger sind) über manche harte Durststrecke hinwegtrösten können. Und schließlich kommen auch diejenigen auf ihre Kosten - wenngleich selten -, die das japanische Kino wegen seiner durchgeknallten Ideen lieben. Davon gibt es in größeren Abständen immer mal wieder eine - wie bizarre „Ninja-Kampftechniken", ein herausnehmbares und zum Dämonen werdendes Auge oder aus Brüsten abgeschossene Blitze - zu bewundern.

Insgesamt darf also mit Fug und Recht eingeschätzt werden, dass Kunoichi Lady Ninja allenfalls Trashfans einen Blick wert sein sollte. Und damit meine ich nicht jene Filmfreunde, die zwischendurch auch mal an Plan 9 oder dem Infra Superman Gefallen finden, sondern wirklich beinharte Trash-Enthusiasten, die schon durch eine härtere Schule gegangen sind. Wie gesagt: Der reine Spaßfaktor ist deutlich geringer als man denken mag, wenn man nur ausgewählte Inhaltsangaben liest. Gewarnt seien auch diejenigen, welche meinen, man könne sich diesen Unfug schöntrinken. Blutalkoholwerte von mehr als zwei Promille sind kontraproduktiv - sie können die Freude am Dargebotenen unter Umständen kurzzeitig erhöhen, verursachen aber auch Müdigkeit. Und wer hier einmal müde ist, der wird in Windeseile der Unmenge an wirklich öden Szenen zum Opfer fallen.

Masochisten und Leute mit Hang zu kühnen Selbstversuchen seien darauf hingewiesen, dass es noch einen zweiten Teil dieses Debakels gibt, welcher offenbar nahtlos an den Ereignissen des ersten Teils anknüpft und damit wenigstens dessen kurioses Ende ausreichend relativieren würde. Mehrere ernst zu nehmende Rezensionen deuten allerdings unmissverständlich darauf hin, dass Kunoichi 2 - Blutige Rache noch schlechter ist als sein Vorgänger. Wie dem auch sei - wer sich auf den hier besprochenen Film einlassen und den Geschehnissen bis zum bitteren Ende folgen will, muss wohl den Erwerb der zweiten DVD von vornherein in Betracht ziehen. Dass Asian Film Network diese beiden sehr kurzen Filme nicht auf einer Scheibe untergebracht hat, ist ohnehin ziemlich unverfroren, zumal keinerlei Extras verfügbar sind. Die US-DVD von Kunoichi Lady Ninja weist übrigens eine Laufzeit von etwa 107 Minuten auf und ist vermutlich ein Zusammenschnitt beider Teile. So etwas ist eigentlich ein barbarischer Akt, in diesem Fall aber vielleicht gar keine so schlechte Idee ...

Fazit
: Allen Menschen mit einem halbwegs konventionellen Kulturverständnis muss dringend empfohlen werden, einen meilenweiten Bogen um Kunoichi Lady Ninja zu schlagen. Für Trash-Gourmets hält der Film so manchen Leckerbissen bereit, aber wunschlos glücklich dürften selbst sie mit ihm nicht werden.
Unter herkömmlichen Gesichtspunkten betrachtet verdient er eigentlich kaum mehr als einen Punkt. Von mir gibt's noch einen als Bonus für unfreiwilligen Humor und einen Gnadenpunkt, weil es Hitoshi Ozawa nicht wirklich böse meint und ich die ganz üblen Bewertungen Tanzfilmen oder Arthaus-Erotikdramen, die sich mit möglichst abartigem Beziehungsmüll bei den Festival-Jurys einschleimen wollen, vorbehalte.
Macht also 3 von 10 Punkten.

Details
Ähnliche Filme