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Bei Gothika handelt es sich um den mittlerweile vierten Film von Dark Castle, der Produktionsfirma von Robert Zemeckis und Joel Silver. Die ersten drei Filme (Haunted Hill, 13 Ghosts und Ghost Ship) waren von recht durchwachsener Art, wobei Ghost Ship meiner Ansicht nach die Nase vorn hatte. Über den Durchschnitt schaffte es trotzdem auch das Geisterschiff nicht. Die Tatsache, dass Mathieu Kassovitz diesmal die Regie übernahm, gab aber Anlass zur Hoffnung, dass sich Gothika von den genannten Filmen positiv abheben würde. Schließlich hat Kassovitz mit Die Purpurnen Flüsse bereits gezeigt, dass man auch in Europa spannende Thriller mit Hollywoodformat drehen kann, und auch vorher hat er u.a. mit Hass schon glänzen können. Demzufolge war es nur eine Frage der Zeit, wann er dem Ruf nach Hollywood folgen würde, und mit Gothika war es dann schließlich soweit.

Miranda (Halle Berry) arbeitet als Psychologin in einer Irrenanstalt für straffällige gestörte Frauen, ist in ihrem Beruf erfolgreich und bei den Kollegen sehr beliebt, vor allem bei Dr. Pete Graham (Robert Downey Jr.), der sie ständig angräbt. Auch im Privatleben läuft alles bestens, denn sie ist mit dem Anstaltsleiter glücklich verheiratet. Eines Nachts macht sie sich mit dem Auto auf den Heimweg. Es gewittert heftig, und die Sicht ist entsprechend schlecht. Da die Straße an einer Stelle aufgrund eines Unfalls gesperrt ist, ist sie gezwungen, einen Umweg zu nehmen. Miranda ist wie viele andere auch der Unsitte verfallen, während des Autofahrens unbedingt mit dem Handy telefonieren zu müssen. Das rächt sich natürlich verdientermaßen: Plötzlich sieht sie auf der Straße vor sich ein fast nacktes Mädchen im Regen stehen, kann in letzter Sekunde noch das Lenkrad umreißen und fährt in einen Graben. Leicht verletzt steigt sie aus dem Wagen und will dem Mädchen helfen. Dabei fällt sie in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich kommt, ist sie selber Insassin in besagter Irrenanstalt. Sie erfährt, dass sie schon einige Zeit in der Anstalt ist, weil ihr Mann ermordet wurde und sie nachgewiesenermaßen die Täterin sein soll. Selber kann sie sich aber an nichts mehr seit dem Vorfall mit dem Mädchen erinnern, denn sie leidet unter Amnesie. Im Gefängnis wird sie von dem Mädchen, bei dem es sich um einen Geist handelt, heimgesucht und sogar verletzt. Aber niemand will ihr glauben, auch nicht ihr alter Kollege und Verehrer Pete Graham...

Kassovitz hat Gothika eine düstere und edle Optik gegeben, ganz in der Tradition seiner Purpurnen Flüsse. Die Tatsache, dass der Film den größten Teil der Zeit in der Anstalt spielt, verleiht den in dunklen Tönen gehaltenen Bildern eine leicht klaustrophobische Atmosphäre, wodurch eine solide Grundspannung entsteht. Die Kameraarbeit ist ebenfalls exzellent. Mit Darstellern wie der Oscarpreisträgerin Halle Berry, Robert Downey Jr. und Bernard Hill (Theoden aus Herr der Ringe) ist der Film außerdem hervorragend besetzt. Leider besteht eine der zahlreichen Schwächen des Drehbuchs darin, dass die Dialoge zum Teil recht dümmlich sind. Und so wirken die Hauptdarsteller Berry und Downey Jr. permanent unterfordert.
Zur Veranschaulichung ein Auszug aus dem Film:

Robert Downey Jr.: “Miranda, you have to stop doing this. Do you understand me? Every time people start taking you seriously, you start talking about delusions again.”
Halle Berry: “I'm not deluded, Pete, I'm possessed.”
Robert Downey Jr.: “I don't believe in ghosts.”
Halle Berry: “Neither do I, but they believe in me.”
Robert Downey Jr.: “Great, just great.”

Die Schwächen des Drehbuchs ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Film. So gibt es zahlreiche Logiklöcher zu vermelden, auf die ich aus Spoiler-Gründen nicht eingehe. Das Schlimmste ist allerdings der Schluss. Diese banale, einfallslose und enttäuschende Auflösung der Story hätte nun wirklich nicht sein müssen. Von dem her gibt es zwischen Gothika und Die Purpurnen Flüsse Parallelen. Denn auch dort hat das enttäuschende Ende den Film heruntergezogen und verhindert, dass die Flüsse ein brillanter Film geworden ist. Stattdessen ist es „nur“ ein guter bis sehr guter Film geworden. So ähnlich – nur auf niedrigerem Niveau – verhält es sich bei Gothika leider auch. Im Vergleich dazu ist das ebenfalls nicht sonderlich prickelnde Ende in Schatten der Wahrheit geradezu ein Geniestreich.

Wie bereits erwähnt ist Gothika trotz der zahlreichen Schwachpunkte nicht unspannend. Gelegentlich werden zusätzliche Schockeffekte eingestreut, die den Zuschauer so richtig zum Zusammenzucken bringen sollen. Diese sind zwar nett gemeint, funktionieren aber zumeist nicht und wirken – wie es John Carpenter ausdrücken würde – wie „cheap tricks“.

Fazit: Beim neuen Film von Dark Castle handelt es sich um den bisher besten (knapp vor Ghost Ship), was in Anbetracht der Vorgänger auch keine große Kunst ist. Positive Ansätze sind zuhauf vorhanden; mit ein bisschen Feinschliff an den Dialogen, etwas tiefergehenden Charakteren (vor allem die Nebendarsteller bleiben sehr blass) und einem einigermaßen zufriedenstellenden Schluss hätte aus Gothika ein wirklich ordentlicher Horror-Thriller Made in Hollywood werden können. Rein optisch gibt es an Gothika nichts zu bemängeln, aber das schwache Drehbuch verhindert, dass der Film sich wirklich über den Durchschnitt emporheben kann. Im Vergleich zu thematisch vergleichbaren Filmen aus Asien wie Kairo, Ju-On: The Grudge oder Ringu ist Gothika nur ein laues Lüftchen. Mathieu Kassovitz ist ein talentierter Regisseur, der hoffentlich in Zukunft bessere Arbeiten abliefern wird als mit seinem Hollywood-Debüt. 5,5/10

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