Begeistert vom letztjährigen KONTRAST-Filmfest in der Wagnerstadt Bayreuth, welches eine skandinavische Kurzfilm-Reihe als Festival-Highlight anzubieten hatte, und weiteren höchst amüsanten, skurrilen Werken aus den kalten Regionen Europas („KOPS“, „JALLA! JALLA!“) war meine Vorfreude ziemlich groß. Zudem wurde „KITCHEN STORIES“ bereits die Ehre zuteil, als norwegischer Beitrag zum Oscar 2004 nominiert zu werden.
Dementsprechend hoch war meine Erwartungshaltung!
Nach spektakulärem Beginn und knochentrockenem Humor sollte ich jedoch schnell merken, dass der Film so gar nicht das halten sollte, was ich mir davon versprochen habe. Aber eins nach dem Anderen: Die Handlung spielt vornehmlich in der tiefsten norwegischen Einöde. Hier hat das schwedische Forschungsinstitut für Heim und Haushalt beschlossen, den vereinsamten Isak einen stummen Beobachter (Folke) auf einem Hochsitz in die Küche zu stellen, um das Verhalten von Junggesellen in der Küche analytisch zu beobachten. Doch lange geht das Ganze nicht gut und Isak findet Gefallen daran, das Experiment zu boykottieren!
Originelle, überdrehte Situationskomik hatte ich erwartet und damit auf ein ähnliches Highlight wie „WILLKOMMEN IN WELLVILLE“ gehofft, welcher gnadenlos den Forschungswahn des abgedrehten Dr. Kellogg beleuchtet und dabei mit tiefschwarzem Humor das sittenstrenge Amerika des 19. Jahrhunderts aufs Korn nimmt.
Aber weit gefehlt – vielmehr sollte der vorliegende Streifen in der nächsten Stunde als humorvolle Charakterstudie des norwegischen Landlebens in die Kino-Geschichte eingehen. Was dabei herauskam ist beileibe kein schlechter Film und allemal besser, was uns Hollywood täglich als Dutzendware verkaufen will. Aufgrund der sensiblen Charakterzeichnung der Darsteller wird die Handlung bald zur Nebensache – man begleitet die beiden Hauptdarsteller, wie sich im Laufe der Zeit eine wunderbare Freundschaft entwickelt, obwohl die Personen unterschiedlicher nicht sein könnten.
Mit „KITCHEN STORIES“ ist Bent Hamer somit eine kleine, filmische Mogelpackung gelungen, die zumindest mich letztendlich inhaltlich sehr überrascht hat. Auf jeden Fall muss man ihm zugestehen, dass ihm mit dieser Independent-Produktion ein kleines aber feines Filmkunstwerk abseits des kommerziellen Kinos gelungen ist, dessen Faszination man sich nur schwer entziehen kann. Ein filmisches Kammerspiel für alle Skandinavien-Fans, das mit unterschwelligen Seitenhieben auf norwegisch-schwedische Differenzen mit minimalem Aufwand große Gefühle auf die Leinwand bringt. Für manche mag der Film langweilig sein – für Geduldige jedoch erschließen sich in den weiten Landschaften der norwegischen Einöde die unerfüllten Sehnsüchte des kleinen Mannes: Wahre Freundschaft und Warmherzigkeit, die Moral von der Geschicht (7,5 / 10)