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"Der würde keiner Fliege etwas zuleide tun", heißt es immer so schön. Doch was ist, wenn die Fliege 1,80 Meter groß wäre und deine Ex-Freundin entführt hätte? Genau dieser Frage muss sich John Getz alias Stathis Borans stellen. Denn seine Verflossene Veronica weilt in den Händen einer überdimensionierten Fliege, die vor einigen Wochen noch ein genialer Wissenschaftler war....

David Cronenbergs Werk gilt als Remake der 1958er Fliege von Kurt Neumann, die wiederum auf eine ein Jahr zuvor im Playboy erschienenen Kurzgeschichte eines französischen Schreiberlings basiert. Allerdings haben Cronenberg und die Drehbuchautoren nur die Grundidee des Originals übernommen und aus der charmant-phantastischen Kriminalvorlage ein dunkles Horrordrama gesponnen, das bis heute über die Grenzen des Genres bekannt ist.

Jeff Goldblum (hier mit seinem internationalen Durchbruch) spielt den ehrgeizigen und eigenbrötlerischen Wissenschaftler Seth Brundle, der eine Möglichkeit zur Teleportation gefunden hat. Das Problem: Bisher kann er nur unbelebte Materie von A nach B verschwinden lassen. Zusammen mit der Journalistin Veronica (Geena Davis), die eine große Story wittert, will er seinen Apparat perfektionieren. Während der Arbeit entdecken die beiden aber flugs ihre Sympathie für einander - und mit der Frau seinem Leben nimmt das Unheil für Brundle seinen Lauf:
Der sonst so übervorsichtige Seth stiefelt - nach einer wohl begossenen Eifersuchtsattacke - in seine eigene Erfindung. Die elektrische Tür schließt sich, die Teleportationssequenz steht kurz bevor. Doch Seth Brundle ist nicht allein in der Kapsel: Die winzige Stubenfliege bleibt vorerst unentdeckt... bis ihre DNA mit der von Brundle fusioniert und der Wissenschaftler von nun an beinahe täglich neue Auffälligkeiten an seinem Körper registieren muss.

Natürlich wäre der Stoff hinter dieser Verfilmung die Steilvorlage für allerfeinsten Trash mit dem Gütesiegel B. Das letztendlich einer der ernstzunehmensten Tierhorror-Steifen überhaupt dabei herausgekommen ist ist wohl zweierlei Tatsachen zu verdanken. Zum einen hatte Cronenberg ein üppiges 15 Millionen-Budget zur Seite gestellt bekommen, zum anderen ist es ihm gelungen, eine dramaturgisch dichte Geschichte zu erzählen, die nicht nur auf bloße Ängstigung aus ist, sondern die mit ihrer Tragik einen zusätzlichen Hauch von Herzschmerz versprüht.

Seth Brundle mag zwar ein komischer Kauz sein, aber schließlich ist er nicht der Prototyp eines "Mad Scientist", als dass man ihm ein Schicksal als Monster-Insekt wünschen möchte. Auch wenn er sich später mit den Fliegengenen intus wie der letzte Heiopei benimmt - wirklich übel nehmen kann man ihm das nicht. Schließlich ist er auf eine gewisse Art und Weise krank. Noch mehr Mitleid gibt es für die schnuckelige Veronica, die sich soeben von dem feschen Erfinder erobern lassen hat und ihre Vergangheit mit ihrem chauvinistischen Ex-Freund und Noch-Chef hinter sich lassen wollte. Das Duo Davis/Goldblum hat in der ersten Dreiviertelstunde also wahrlich ganze Arbeit leistet. Auch wenn die Liebelei recht schnell vorangetrieben getrieben wurde: Die Chemie zwischen den beiden stimmt. Kein Wunder - nach den Dreharbeiten gingen die zwei Schauspielkollegen tatsächlich den Bund der Ehe ein, der immerhin drei Jahre lang halten sollte.

Die erste Hälfte des Films, die für manch einen Betrachter etwas belanglos dahinplätschern dürfte, ist in Wirklichkeit die Vorhut, der den Weg für das beinahe perfekte Horrordrama ebnet. Der Vefall des Seth Brundle nimmt seinen Lauf, Maske und Tricktechnik haben bei seiner Metamorphose ganze Arbeit geleistet. In nahezu jeder neuen Szene hat Brundle einen fortgeschritteneren Grad der Verwandlung erreicht. Was wir im letzten Drittel zu sehen zu bekommen ist ein unglaublich spektakuläres und mannigfaltiges Bestiarium - vereinigt in einer einzigen Person. Das allerdings überaus ekelige Auswüchse annimmt: Abgezogene Fingernägel, abfallende Ohre und kieferlose Gesichtszüge sind nichts für schwache Mägen. Bisweilen nimmt dieses abstoßende Schauspiel sogar grenzwertige Formen an. Wer sich nur ein wenig mit der Arbeit von David Cronenberg auseinander gesetzt hat, weiß, dass der Mann als Mitbegründer des "Body horror" gilt und gerne mit der Angst vor leibhaftigen Veränderungen und Krankheiten spielt, und wird ein solch widerwärtiges Spektakel erwartet haben. Wie tiefgründig eine solche Spielart des Horrors ist, diese Frage muss jeder für sich beantworten. Ich wehre mich entschieden dagegen, "The Fly" in seiner Darstellung der Verwandlung eine explizite Meta-Ebene zu bescheinigen. In meinen Augen arbeitet Cronenberg mit simplen Schockeffekten - die aber eine durchschlagende Wirkung haben. Angst vor Krebs hin oder her.

Die FSK-18-Freigabe ist jedenfalls gerechtfertigt. Zartbesaitete sparen sich das Finale also lieber ganz, wenn sie nicht schon vorher abgeschaltet haben. Alle anderen erleben einen furiosen Showdown mit der fiesesten Stubenfliege aller Zeiten und einem äußerst tragischen Schlusspunkt, der definitv nachhaltig in Erinnerung bleiben wird.

Fazit: Ein annähernd schnörkerloser Sci-Fi-Horror mit vielen Stärken ( den stimmungsvollen Score von Howard Shore hab ich glatt unterschlagen) und wenigen Schwächen, die in diesem Fall besonders stark vom subjektiven Empfinden abhängig sind. Auch wenn das vielzitierte Prädikat "Stärkster Cronenberg uberhäupt" zutreffend sein mag, "The Fly" bleibt ein Cronenberg-Machwerk, dessen Stil nicht Jedermanns Sache ist. Ansonsten zeigt der Daumen nach oben. (8/10)

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