Review
von Leimbacher-Mario
Zwei Seiten einer Medaille
Normalerweise haben Filme einen Protagonisten, aus dessen Sicht die Geschehnisse erzählt werden und zu dem man hält (oder zumindest halten soll). Die klassische „Heldenreise“ in allen möglichen Schattierungen, Blickwinkeln und Facetten. Doch ein sehr cleveres Drama (mit Thrilleranteilen) wie „House of Sand and Fog“ hebelt diese klassischen Gesetzmäßigkeiten aus, erwischt einen kalt und gewinnt dabei ungemein. Erzählt wird nämlich eine Geschichte aus zwei Perspektiven, mit mehr oder minder gleichberechtigten Parteien. Und das bringt uns Zuschauer in eine Bredouille und erhellende Unentschiedenheit, die man so nicht oft sieht und die dem wahren Leben, betrachtet aus einer erhöhten, objektiveren Position als gewohnt, näher kommt als Filme sonst... Zur Story: eine von ihrem Ehemann allein gelassene Frau kriegt ihr Haus vom Staat gepfändet und dieses wird billig versteigert. Doch als sie dieses vom neuen Besitzer, einem Familienvater aus Nahost (unser zweiter Blickwinkel) zurückkaufen will, entbrennt ein Konflikt um das Eigentum, der ganz leicht ausarten kann und bei dem man wie gesagt beide Seiten der Medaille kennenlernt, mag und in weiten Teilen versteht...
Puh, irgendwie hätte ich solchen harten Tobak hier nicht erwartet. Ich bin auch absolut blind in diesen „Interessenkonflikt“ gegangen und wurde des Öfteren kalt erwischt und (positiv) unangenehm vor die Wahl gestellt oder gar (durch nicht immer super schlaue Figurenentscheidungen) zur Weißglut getrieben. Herausragend besetzt mit der Legende Ben Kingsley und der selbst als Alkoholikerin bezaubernden Jennifer Connelly, zudem super atmosphärisch und dem Namen würdig im mysteriösen San Francisco aufgenommen, voller Nebel, Zwielicht und Grautönen, sodass man sich manchmal sogar eher an Horror als an Drama erinnert fühlt. Der Score kann auch was, die Geschichte ist immer bodenständig, aber dennoch fesselnd und überraschend genug. Ich war wirklich positiv weggehauen von dieser Realitätsnähe und Mehrseitigkeit. Das kann nicht jeder Film von sich behaupten, eher nur ganz wenige. Dieser „Streit der Hausbesitzer“ zeigt eindeutig, dass es immer mehrere Seiten gibt, dass ein trockenes Thema richtig unter die Haut gehen und persönlich werden kann, dass Vorurteile täuschen können, dass Reden helfen kann und dass man eine solche materielle Sache nie derart eskalieren lassen darf, muss, soll. Teilweise hatte ich das Gefühl, dass noch ein paar dunklere, bösere Tiefschläge hätten passieren können, doch am Ende war ich dann doch ziemlich durch und mitgenommen und niedergeschmettert. Und das bei einem Film, der auf dem Papier wie die perfekte Sonntagnachmittagunterhaltung für die halbe Familie wirkt. Ein kleiner Wolf im Schafspelz, ein echter Downer, dem ich nur ein wenig Kitsch und dickes Auftragen ankreiden kann, sodass man manchmal merkt, dass es sich um eine etwas steife Romanverfilmung und ein Regiedebüt (!) handelt.
Fazit: wer hätte gedacht, dass der „simple“ Streit um ein Haus so spannend, packend und dramatisch sein könnte... Diese richtig starke, schmerzhafte und (außer für die Leser) nie vorhersehbare Buchverfilmung ist unglaublich involvierend, vielseitig und emotional. Egal wie langweilig sich das Thema anhört - das sollte man sich nicht entgehen lassen!