Der ehemalige iranische Oberst Behrani ist nach dem Sturz des Schahs in die USA geflohen und lebt dort mit seiner Familie als Außenseiter. Der im Iran erworbene Reichtum fast aufgebraucht. Als er in der Zeitung eine Annonce sieht, in der ein Haus zur Versteigerung angeboten wird, sieht er seine Chance gekommen und kauft das Haus mit seinen letzten Ersparnissen. Sein Plan: Er möchte das Haus zu einem wesentlich höheren Preis verkaufen und so seiner Familie eine Zukunft geben.
Kathy, die junge Frau, der das Haus gehört hat, ehemals alkoholsüchtig und von ihrem Mann verlassen, hat vermeintlich versäumt, Grundsteuer für das Haus zu zahlen. Sie kann die Versteigerung des Hauses nicht mehr verhindern. Bei der Räumung ihres Hauses lernt sie den Polizisten Lester Burdon kennen, der sich sofort zu der jungen Frau hingezogen fühlt. Da ein Anwaltliches Schreiben der Frau nicht die erhoffte Wirkung zeigt, - Der Oberst denkt gar nicht daran, das Haus wieder zu verlassen. – versucht nun der Polizist, der inzwischen seine Frau und seine Kinder für Kathy verlassen hat, auf seine Art, den Oberst zu „überreden“…
Ein anderer Titel für „Das Haus aus Sand und Nebel“ könnte durchaus auch „Stolz und Vorurteil“ sein.
Denn das Hauptthema des Films ist (übertriebener) Stolz. Hier geht es um den Stolz des Obersts, der u. a. auch mit Vorurteilen gegen sich und seine Familie in den USA zu kämpfen hat. Oder um den Stolz einer jungen Frau, die das Andenken ihres Vaters bewahren will. Oder um den Stolz eines Polizisten, der sich von einem dahergelaufenen Ausländer nichts vorschreiben lassen will.
Herausragend in „Das Haus aus Sand und Nebel“ ist, wie bei einem Buch als Vorlage vielleicht auch nicht anders zu erwarten, ist die Figurenzeichnung. Die drei Hauptpersonen, der Oberst, Kathy und der der Polizist, werden als normale Menschen mit Stärken, vor allem aber mit vielen Schwächen gezeigt. Sie werden angetrieben durch ihre in ihrer Vergangenheit gemachten Erfahrungen und handeln ihrem Charakter entsprechend.
Der Oberst sieht sich in dem fremden Land von Anfang an benachteiligt. Als er nun das Haus erwerben kann, versucht er, ganz der stolze Oberst von früher, seinen neu erworbenen Besitz mit seinen Mitteln zu verteidigen. Er meidet den Kontakt zu Kathy, aber wenn das nicht zu vermeiden ist, da sie sich – eigentlich unerlaubt – zu ihrem Haus begibt, wendet er auch „sanfte“ Gewalt an, um sie von seinem Grundstück zu vertreiben. Er sieht in dem Haus eine Chance für sich und seine Familie, wieder wie früher im Iran leben zu können, als sie reich und angesehen waren.
Kathy möchte zum einen ihrer Familie, die sie zu Besuch erwartet, zeigen, dass es ihr in ihrem Haus gut geht. Am Telefon kann sie ihrer Familie nicht sagen, dass sie alkoholsüchtig ist, dass sie ihr Mann verlassen und dass sie nun auch noch das Haus verloren hat. Deshalb versucht sie, den Oberst auch - völlig überflüssigerweise - bis zu dem Versuch ihrer Familie aus dem Haus zu bekommen. Zum anderen ist sie sich bewusst, dass sich ihr Vater für das Haus 30 Jahre lang abgeschuftet hat. Sie fühlt sich schuldig und möchte schon deshalb das Haus zurück haben. Zum Dritten muss sie jetzt in Ihrem Auto wohnen, weil sie nicht genug Geld hat, sich ein Hotel leisten zu können.
Der Polizist liebt seine Frau nicht mehr. Er fühlt sich zu Kathy hingezogen und möchte ihr gegen den „bösen“ Oberst helfen, ihr neuer Beschützer sein. Als Polizist sieht er in dem Oberst eine Art Verbrecher, der zudem noch Ausländer ist. Er sieht den Oberst als Verbrecher und behandelt ihn deshalb auch entsprechend.
Dadurch setzt er allerdings eine Kette von Ereignissen in Gang, die bei diesen handelnden Personen, die für ihre Verhältnisse völlig normal reagieren, und der gegebenen Charakter- und Erfahrungskonstellation, für alle Beteiligten fürchterliche Folgen hat.
Letztlich ist es der „übertriebene“ Stolz der drei Protagonisten, der die Katastrophe heraufbeschwört.
Die schwierigen Charaktere erfordern herausragende Schauspieler. Und die bietet „Das Haus aus Sand und Nebel“. Die für „A beautiful mind“ mit dem Oscar ausgezeichnete Jennifer Connelly spielt sie auf der einen Seite bemitleidenswerte, auf der anderen Seite aber auch sich selbst belügende junge Frau hervorragend. Ron Eldard als der Polizist hat zwar den wenigsten Spielraum, sich zu entfalten, aber den nutzt er sehr gut. Ebenso überzeugend ist Shoreh Aghdashloo in der Rolle der Ehefrau des Obersts, die ihm zwar immer zur Seite stehen möchte, auf der anderen Seite aber auch Verständnis für Kathy hat. Die beste Performance liefert aber einmal mehr Ben Kingsley (Oscar für „Gandhi“) ab, der wieder einmal beweist, dass er einer der besten Schauspieler der Welt ist. Sein Oberst ist von Stolz durchdrungen, er sieht die junge Frau als seinen Feind an, der - mit legalen Mitteln - bekämpft werden muss. Er unterdrückt seine Emotionen selbst dann, wenn er mit seiner Frau alleine ist, denn er muss immer den Schein eines Offiziers wahren. Nur wenn er allein ist, bröckelt die Fassade manchmal und er wird von seinen Gefühlen übermannt.
Beängstigend ist die Ruhe, mit der das hervorragende Drehbuch die Hauptpersonen immer weiter in Richtung der Katastrophe treiben lässt. Als Zuschauer sieht man das Unheil, das die Figuren erwartet, auf sich zukommen. Man fühlt mit ihnen, aber der Film vermeidet es, für eine der Personen Partei zu ergreifen. Er fordert den Zuschauer auf, sich selbst eine Meinung zu bilden und das fällt sehr schwer.
Am Ende sitzt man nur fassungslos da und fragt sich: Warum? Warum musste es dazu kommen? Warum konnte niemand über seinen Schatten springen und die Notbremse ziehen, als das noch möglich war?
Das ist die Frage, die man sich selbst vielleicht auch einmal stellen sollte, wenn man in einer ähnlichen Situation ist.
Die Botschaft ist angekommen.
9/10