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„Nur aus Verstand bestehen!“

Im Jahre 1979 debütierte US-Regisseur Stuart Gordon mit dem TV-Drama „Bleacher Bums“. Wirklich auf sich aufmerksam machte er jedoch erst 1985 mit seinem Zweitwerk „Re-Animator“, jenem Zombie-Splatter-Film nach Lovecraft-Motiven, der den Beginn der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Produzent Brian Yuzna markierte, die entscheidend dazu beitrug, die 1980er zu der Kult-Dekade für das Horrorkino zu machen, die sie letztlich wurden. Schon 1986 bediente sich das Duo erneut bei einer Lovecraft’schen Kurzgeschichte, die sie zusammen mit Dennis Paoli für die Leinwand adaptierten und auf Spielfilmlänge brachten – „From Beyond“ war geboren, in Deutschland mit dem unsinnigen Titelzusatz „Aliens des Grauens“ verschandelt, denn um Außerirdische geht es natürlich nicht:

Der Wissenschaftler Dr. Edward Pretorius (Ted Sorel, „Network“) und sein Assistent Crawford Tillinghast (Jeffrey Combs, „Re-Animator“) haben den „Resonator“ entwickelt, eine Maschine zur Stimulation der menschlichen Zirbeldrüse. Diese soll die Aktivierung eines sechsten Sinns bewirken, mit dem man eine Paralleldimension wahrnehmen könne. Doch direkt der erste Test mündet in eine Katastrophe: Dr. Pretorius wird der Kopf abgebissen und Crawford verletzt. Letzterer steht nun unter Mordverdacht und findet sich in einer Psychiatrie unter Leitung Frau Dr. Blochs (Carolyn Purdy-Gordon, „Re-Animator“) wieder, die ihm Schizophrenie attestiert. Die neugierige Psychologin Katherine McMichaels (Barbara Crampton, „Re-Animator“) jedoch experimentiert mit Schizophrenen und kann Crawford überreden, mit ihr und dem Polizisten Bubba (Ken Foree, „Dawn of the Dead“) noch einmal den Ort des Schreckens zu betreten. Sie wiederholen den Versuch und locken so nicht nur Dr. Pretorius zurück, sondern stehen auch zunehmend unter Einfluss der stimulierten Zirbeldrüse…

„Ich bin nicht tot – es war nur ein Hinübergleiten ins Jenseits!“

Im Prolog steht Crawford an einer gigantischen Computer-Anlage, in der Mitte des Raums der Resonator. Nachdem er gestartet wurde, verändern sich die Lichtverhältnisse und fischähnliche Wesen, die durch den Raum schweben, werden sichtbar. Sie reagieren auf Bewegungen und beißen den armen Crawford direkt. Doch Pretorius trifft es kurz darauf noch schlimmer und er verliert seinen Kopf. Schnitt, Vorspann, willkommen in der Welt Lovecrafts oder vielmehr Yuznas Gordons und des ‘80er-Horrors! Dabei gibt sich der Film betont oldschool, setzt Pretorius‘ Wohn- und Forschungssitz im Stile eines klassischen Gruselhauses in Szene, verwendet eine orchestrale musikalische Untermalung à la „Blob – Schrecken ohne Name“, die Richard Band, Bruder des ebenfalls an der Produktion beteiligten und im Low-Budget-Bereich nicht unbekannten Charles Band, komponierte und erweist dem klassischen „Universal“-Horrorstreifen „Frankensteins Braut“ die Ehre, indem er Pretorius‘ Namen – einen eigens für die Verfilmung entwickelten Charakter – dort entlehnte. Ein beliebtes Genre-Motiv sind auch die Blicke in die Zellen Geisteskranker, in diesem Falle in der Psychiatrie, aus der Katherine das nervliche Wrack Crawford holt. Katherine vermutet einen Zusammenhang zwischen vergrößerter Zirbeldrüse und Schizophrenie und ist ganz wild auf die Wiederholung des Experiments, wird schließlich dank eigenem stimulierten „dritten Auge“, wie die Drüse auch genannt wird, gar noch wilder, als Dr. Pretorius‘ S/M-Folterkammer sie antörnt und sich die Gute in Lack und Leder wirft, um den Film um einen sleazigen Erotikanteil zu bereichern.

„Jetzt erst kannst du wirklich sehen!“

Man kann förmlich den Druck spüren, den der Resonator verursacht, wenn er eingeschaltet wird und sich die Technik verselbständigt, weil sie aus dem Jenseits von Pretorius gesteuert wird. Dieser wird immer unförmiger, monströser und spricht gehässig mit sonorer, hallender Stimme, dass es ein echter Alptraum ist und sich die Spezialeffekt-Künstler um John Buechler so richtig austoben konnten. Und während sich im weiteren Verlauf Pretorius in immer wilderen, in bester Lovecraft-Manier tentakeligen Formen austoben kann, schießt Crawford die Zirbeldrüse tatsächlich als drittes Auge aus der kahlen Stirn, nachdem ihm ein Monstrum das Haupthaar abgelutscht hat. In der Pathologie bekommt der Gute Heißhunger auf Hirn, beißt der Ärztin ihr Auge aus und saugt ihr Denkvermögen durch die Augenhöhle. Ja, „From Beyond“ setzt auf Ekel und Splatter, und das nicht zu knapp. Und als wäre all dies mit seinem Latex-Monster-Mutations-Overkill nicht genug, toppt man die Bizarrie noch durch Point-of-View-Perspektiven der Zirbeldrüse, die zu allem Überfluss auch noch abgebissen wird.

„Ich bin das mächtigste Lebewesen im Universum!“

Was Gordon, Yuzna und Co., die sich auch in weiteren Werken an Lovecrafts Œuvre austoben sollten, aus einer lediglich siebenseitigen literarischen Vorlage herausgeholt haben, ist ein wahres Fest für de Freund grafischen Horrorkinos. Die Übertreibung gehört hier zum guten Ton, der trashcomichafte Stil des Films steht ihm bestens zu Gesicht und die Aufteilung des Mad-Scientist-Charakters in einen Anta- und einen Protagonisten erweist sich als kongenialer Einfall. Daraus entsteht eine faszinierende, sexuell aufgeladene Dynamik zwischen den einzelnen Rollen und wirkt „From Beyond“ originell, grenzüberschreitend und betont geschmacklos, ohne zur gezwungen erscheinenden Parodie seiner selbst zu werden. Den zu einem nicht unbeträchtlichen Teil zu Gordons Stamm-Ensemble gehörenden Schauspielern wird es zuteil, den Subtext um Größenwahn und unterdrückte sexuelle Obsessionen (ebenfalls eine Erfindung der Drehbuchautoren, nicht Lovecrafts) zu transportieren. Barbara Crampton avanciert von der verkopften grauen Maus zur Leder-Lady, Jeffrey Combs durchlebt im Prinzip gleich mehrere Rollen und bewegt sich dabei gern an der Grenze zum Overacting und Ken Foree gibt lange Zeit die Stimme der Vernunft, bis er begreifen muss, dass sie in dieser Welt nichts mehr zählt, vom Resonator verschluckt und in eine andere Dimension katapultiert wurde.

Auch wenn mir nicht ganz klar ist, woher Katherine schließlich die Bombe nimmt, ist der Filme eine ebensolche, der auch aufgrund seines eingestreuten Humors trotz des irrsinnigen Aufwands, der allein schon für die wahnwitzigen Spezialeffekte betrieben worden sein muss, noch immer herrlich erfrischend und unverkrampft eines von mehreren Exempeln seines Jahrzehnts statuierte, die dazu beitrugen, dass man Lovecrafts paranoide Geschichten als Film-Fan lange Zeit vor allem mit extrem grafischen Monstren und Mutationen (jedoch keinen Mumien) in Verbindung brachte. Weiter trieb es ein John Carpenter in seinem wesentlich grimmigeren, ernstzunehmenderen „Das Ding aus einer anderen Welt“ in Sachen Mutations-Science-Fiction-Horror bereits auf die Spitze, doch was „From Beyond“ zelebriert, ist ein vollkommen irrer Ritt auf der Zirbeldrüse, den man ebenfalls nie mehr vergessen dürfte und auf den sich einzulassen immer wieder verdammt viel Freude bereitet – vorausgesetzt, man liebt diese Art des Genrekinos ebenso wie ich.

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