"Das Leben ist ein Prozess des Scheiterns, es ist ein langsamer Verfall, der mit dem Tod endet"
Die erweiterte Kampfzone der modernen Gesellschaft ist der Wirtschaftsliberalismus, er gilt für alle Altersstufen und Gesellschaftsklassen. Durch das freie Marktgesetz entstehen dabei zwangsläufig Phänomene der Verarmung - so gibt es einige wenige Reiche und andere, die in Armut sterben müssen. Unabhängig vom Geld funktioniert ein ganz analoges System des Sexualliberalismus. Das Marktgesetz kann hierauf ebenso angewandt werden: So gibt es sexuelle Gewinner und Verlierer, die jegliche Chancen auf Liebe durch ihre "Armut" verlieren. Der Sinn ihrer Existenz ist fraglich (siehe Überschrift), selbst wenn sie in der Arena der Wirtschaft Gewinner sein mögen. Das ist die Ausweitung der Kampfzone, und gleichzeitig die Kernthese des berühmten Buches von Michel Houellebecq und seiner sehr werkgetreuen Verfilmung. Es geht im Grunde darum, wie selbst der moderne Lebensprozess reduziert ist auf primitiven Wettbewerb und Materialismus, auch bezüglich der Libido. Ein erfülltes Leben mit Liebe und ohne Verbitterung ist somit nur möglich, wenn es die sexuelle Hierarchie erlaubt.
Der "Held" (auch ein Zynismus) des Filmes (und Buches) wird nicht beim Namen genannt und stellt einen sexuellen Verlierer nach obigem Muster dar, obwohl wirtschaftlich auf der Gewinnerseite. Das Besondere an ihm ist seine Beobachtungsgabe: Er kommentiert alles und macht sich als scheinbar der Einzige wirklich Gedanken zum Zustand des sozialen Verhaltens des Menschen. So wird der Film durch einen autoritären Erzähler und durch die persönliche Erzählung des passiven Protagonisten nüchtern, verbittert-zynisch und fatalistisch geschildert und inhaltlich abstrahiert. Der Namenlose (vom Erzähler als "Unser Held" bezeichnet) ist ein gut verdienender Informatiker, der nach dem Abbruch seiner letzten Beziehung mit Véronique zu den sexuellen Verlierern gehört. Mit seinem Partner, dem armseligen, hässlichen Raphael Tisserand (ein sexueller Verlierer schon von Geburt an, der sich nur dadurch vom Helden unterscheidet, dass er nicht darüber nachdenkt und immer weiter verzweifelt gegen seine hoffnungslose Lage ankämpft) beschreitet er einige Dienstreisen quer durch Frankreich, wobei er bei seinen Erlebnissen immer mehr erkennt, dass er mit der Welt nicht zurecht kommt und sein Leben scheitern muss. Sein Hass gegen die moderne, liberale Gesellschaft steigt immer mehr, bis er aus Rache Tisserand ein Messer in die Hand drückt. Sein Scheitern in der sexuellen „Kampfzone“ erkennend, ist dieser bereit für den Mord an einem Liebespaar, um mit den Gewinnern endlich abrechnen zu können.
Dabei wird im Verlauf der Story klar, dass es sich hier um die sehr egozentrische Weltsicht des Helden handelt. Er gilt als Außenseiter und Versager, bejammert allerdings selbst nur seine eigene Unfähigkeit. Ein Ankämpfen dagegen, so kommt er zu dem Schluss, hat keinen Sinn. Und Selbstmord ist ihm auch nicht möglich. Schließlich stellt gerade sein einziger "Freund" Tisserand sozusagen eine Karikatur, ein überzeichnetes Abbild seiner selbst dar, der in der Kampfzone an seiner Stelle aktiv ist. Dessen Scheitern bekrätigt ihn somit in seiner Passivität und in seiner fatalistischen Logik, die ihn zu seinem Racheplan an den Gewinnern führt. Er führt ihn nicht selbst aus, sondern nutzt hierfür die Verzweiflung Tisserands aus und stachelt diesen auf.
Für die Leser des Buches ist es durchaus interessant zu sehen, wie die beiden Schauspieler ihre Rollen verkörpern. Dem Helden steht der sarkastische, müde Blick geradezu ins Gesicht geschrieben. Seine Gestik und Mimik drücken eine Schlaffheit und innere Verbitterung aus (z.B. wie er die Zigarette hält). Dagegen merkt man bei Tisserand wirklich seine Verbissenheit in jedem Blick, den er jeder vorbeilaufenden Frau widmet. In seinen Augen spiegelt sich seine Verzweiflung, wenn er es immer und immer wieder versucht, sexuell aktiv zu werden und abgewiesen wird. Bis zum Schluss und seinem endgültigen Scheitern glaubt er unermüdlich an eine Wende. Die unbeholfenen sozialen Baltzversuche verkörpert der Schauspieler, als wäre er selbst die charakterlose Romanfigur.
Sowieso ist der Film eigentlich eher Lesern des Buches zu empfehlen, oder Zuschauern, die dann vorhaben, sich mit Houellebecq auseinanderzusetzen. Die Umsetzung vieler Szenen und Dialoge ist wortgetreu aus dem Buch übernommen (Der Autor hat auch am Drehbuch mitgewirkt). Da dieses nur etwa 150 Seiten umfasst, wird auch nur wenig gekürzt und ausgelassen. Die Aussagen und klar herausgearbeitet, wie schon im Roman. Interessant ist dabei, dass die Verarbeitung der dargelegten präzise-nüchternen Gesellschaftsanalyse, die sich beim Lesen der ausführlich kommentierten Erlebnisse des Helden und dessen Schlussfolgerungen wie in einem wissenschaftlichen Lehrbuch von selbst ergibt, im Film durch eine ausgewählt minimalistische, träge anmutende Bebilderung unterstützt wird. Während der Off-Erzähler also aus der gezeigten Handlung seine Thesen ableitet, wird die Kamera, die zunächst ja nur seine genaue Wahrnehmung visualisiert, gleichzeitig zur Untermauerung seiner Thesen genutzt (wir wissen ja aus der Schule: Thesen in einer fundierten Argumentation brauchen Beweise und Beispiele, müssen veranschaut werden). Indem sie nämlich symbolische Einstellungen der kühl-tristen, starr-betonierten Großstadtsymmetrie und -anonymität wählt und ständig den ökonomischen wie sexuellen Wettbewerb im Bild behält. So spielen die Houellebecq'schen Supermarktmetaphern eine zentrale Rolle. Soziales Verhalten reduziert sich auf einen berechneten Dialog vom rein egoistischen Standpunkt aus.
Natürlich ist dabei der Kritiker selbst, der "Held", sein bestes Anschauungsobjekt, worin auch die große Tragik der Figur, wie die Problematik (und wohl auch die Provokation) des Films (Buches) liegt. Scheitert der Held an der kaputten Gesellschaft oder doch nicht auch an sich selbst? Seine Betrachtungen drehen sich, wie am Ende klar wird, eigentlich im Kreis. Für ihn scheint jedoch nach seinem letztendlichen Scheitern nur ein Dahinvegetieren in Verbitterung und "ewiger Masturbation" die logische Konsequenz zu sein. Sein wirtschaftlicher Absturz auf die Verliererseite ist unaufhaltsam, er bekommt manische Depressionen und seine Libido pervertiert endgültig (Schön dargestellt in der Szene mit der Schere, als er nach einem perversen Angsttraum aufwacht und plötzlich ein Verlangen verspürt, diese zu benutzen. Eine der wenigen Stellen im Film, wo nichts mehr gesagt werden muss.). Würde man jetzt das Buch lesen, so gäbe es keinen Schimmer von Hoffnung - der Fatalismus würde sich gnadenlos bis zum Ende fortsetzen ("...das Lebensziel ist verfehlt"). Doch tatsächlich unterscheidet sich hier der Film von seinem Vorbild: In der letzten Szene wird ein möglicher Optimismus gezeigt, eine flüchtige Abkehr von der Verzweiflung an der eigenen Existenz: Auf einmal scheint Liebe und Emotionalität möglich, das Leben des Helden hätte vielleicht die Chance vom kultivierten Scheitern in geregelte Bahnen zurückzukommen? Das Buch bietet solch einen Ausweg gar nicht. Hierin liegt dann der wesentliche Interpretationsansatz des Films und die wichtige Infragestellung der dargelegten Fatallogik, die das Buch ohne jeglichen Kontrapunkt fast dogmatisch aufstellt. Insgesamt bleibt zu sagen, dass Buch und Film einige sehr diskussionswürdige Wahrheiten und Kritikpunkte an der modernen Wohlstandsgesellschaft feststellen und mit existenzphilosophischen Thesen untermauern und abstrahieren. Eine Auseinandersetzung wird angestrebt, gerade weil man der Haltung des "Helden" und Autors skeptisch gegenüberstehen sollte. Ein ähnlicher Mechanismus findet sich in Gaspar Noes Kino wieder, u.a. in "Menschenfeind".