kurz angerissen*
Inwiefern die Beschreibungen aus einem fiktiven Roman einen Nachahmungseffekt in der Realität auslösen können, ist eine Frage, die zuletzt wohl im vergangenen Jahrhundert gestellt wurde. Bücher werden zwar nach wie vor gelesen, einen allzu starken Einfluss auf die Psyche der Leser traut man ihnen aber eher nicht mehr zu, sind doch Medien wie Videospiele, Filme und Internet der allgemeinen Wahrnehmung zufolge viel lauter, greller und somit potenziell gefährlicher. Wenn Tibor Takács in "I, Madman" also einen Wahnsinnigen aus einem Buch entspringen lässt, dann hat das dreißig Jahre später einen altbackenen, ja fast historischen Charme; als ob man der alten Stadtbibliothek neben dem neu eröffneten Virtual-Reality-Center bewusst den Vorzug gibt, weil man einfach in meditativer Stille den Duft und die Haptik der Seiten in sich aufnehmen will.
Was nicht bedeuten soll, dass Takács einen leisen Film gedreht habe. Türen werden aufgestoßen, Blitze erhellen die Nacht, der Wind stößt Fenster auf und die Fratze des Buhmanns pirscht sich in Vorbereitung auf einen saftigen Jump Scare aus dem Dunklen an. Die Nachahmer-Thematik wird auf offensive Weise in die Phantastik überführt, dank eines fast übernatürlich erscheinenden Monsters und einer fast Lovecraft'schen Versunkenheit in das erzählerische "Ich" des Romans, der sich nach und nach in der Welt einer Büchernärrin manifestiert.
Bezüglich des Spiels mit den Ebenen des Erfundenen und der Wirklichkeit ist es nicht einmal ein besonders raffinierter Film. Das Drehbuch ist relativ flach in seiner Struktur und lebt hauptsächlich von den unheimlichen Begegnungen bei Nacht, ungesehen von Freundeskreis und Polizei, die folglich nicht bereit sind, auch nur eine Minute an das Übernatürliche zu glauben. Es bleibt bei der Intimität zwischen dem Besucher und der Heimgesuchten, beeinflusst von frühen Vampirfilmen oder vielleicht auch dem "Phantom der Oper", dem Randall William Cooks Kreatur aus dem Roman nicht nur wegen seines entstellten Äußeren und seiner vermummten Erscheinung eine Menge Inspiration zu entziehen scheint.
Dementsprechend hat "I, Madman" seine Stärken vor allem im atmosphärischen Aufbau. Schon der Buchladen gibt eine wundervolle Kulisse ab mit all der Ware, die regelrecht die Treppen und Regale verstopft. Wenn Jenny Wright aber nachts alleine auf ihrer Couch sitzt und im Buch schmökert, während sie den prasselnden Regen bei geöffnetem Fenster mit Blick zum Hof als stimmungsvolle Untermalung nutzt, kommt sogar Hitchcock-Stimmung auf. Auch wenn es letztlich bei solchen Oberflächenreizen bleibt und das Potenzial der Story nicht genutzt werden kann, haben diese Stimmungselemente bis heute ihren Wert bewahrt, wenn nicht sogar gesteigert.
*weitere Informationen: siehe Profil