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Nichts bereitet Einen wirklich adäquat auf das entheogene Seherlebnis Boxer's Omen vor, ein Nervenkitzel im Vollrausch mit zwanghaft diktierter Leidenschaft für Provokation und Zumutung. Eine cineastische Herausforderung, die weder durch vorheriges Lesen von Beschreibung und aufzählenden Kommentaren, das Wissen um Kuei Chih-hungs staunenswerten Drang nach Grenzüberschreitung im ausschweifenden Taumel noch die Kenntnis seiner bisher veranstalteten Filmography glaubhaft vermittelt werden kann. Auch wenn bei Letzterem in makaber-farcenhaften Arbeiten wie Killer Snakes, Corpse Mania und Bewitched auch die eine oder andere Eskapade erlaubt und so sicherlich bereits klare Ansagen bezüglich des etwaig kommenden Gustos gemacht wurde. Bewitched sogar eine Art chill-and-thrill Prequel zu der hiesigen, geradezu obsessionellen Besudelung darstellt und in formulierter Raffung auch den Auslöser des vorliegenden Schwarzen Zauberspiel im psychedelisch getönten Märchengewand darstellt.
Wo dort das Böse besiegt und besiegelt wurde, steht es hier wieder auf, mit vereinten Kräften wird die Rache in Schandtat vollzogen und der ewige Kampf erneut vorgeführt. Anlass für Regisseur Kuei, im Jahre des Exzesses 1983 noch einmal und auch wie fast als Abschluss seiner Karriere in die Selbstherrlichkeit gnadenloser Lauterkeit zu verfallen, auf die objektive Abwägung zugunsten des Herausarbeitens wirksamer esoterischer Effekte und selbstzweckhafter Groteskheit zu verzichten und die Schattenexistenz unheilvoller Illusionen hervorbrechen zu lassen. Ein irrationales, aber dafür konsequent radikales AufdieSpitzetreiben zum krönenden Finale, ohne dieser Gedärm-Orgie einen kalkulierbaren Seriencharakter zu verleihen. Ein Uberwältigenkönnen mit Hilfe von Entrückung, Magie, der Sinnenfreude und des -schmerzes, der Neugier statt der Emotionalität. Eine Verbeugung vor der Einbildungskraft vorzüglicher Lebhaftigkeit, die von Tageslicht ausgesperrt ihre liebste Zuflucht in der greulichen Dunkelkammer ganz hinten im Gehirn findet. Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen:
Triadenhäuptling Chan Hung [ Philip Ko ] hat nicht nur Ärger mit konkurrierenden Festlandchinesen, sondern eben auch mit ansehen müssen, wie sein Bruder Chan Wai [ Johnny Wang ] vom gegnerischen Boxer Ba Bo [ Bolo Yeung ] hinterrücks in einem kickfight event in den Rollstuhl niedergeknüppelt wurde. Um es dem feigen Angreifer heimzuzahlen, geht er nach Thailand und fordert den vermeintlichen Sieger zur Revanche heraus. Doch auf dem Auslandstrip stößt er vermittels Abt Qing Zhao [ Elvis Tsui ] noch auf ganz andere Gefahren, ausgelöst durch Master Jing Chao [ Lam Hiu Yin ], deren Bekämpfung ihn nach Nepal, dem Dach der Welt führen.
Bis der Götzendienst soweit ist, hält wieder Thailand in all seiner fremdländischen, erneut rustikal-provinziellen [Alb]Traumexotik für den Einbruch des Grausens in die einstmals harmlose Realität her. Ein Widerspiegeln elementarer Ängste der Zeit findet nie statt, vielmehr zeichnet die Abwesenheit der vermeintlichen Zivilisation samt ihrer Sitte, Anstand und Regeln das Geschehen nach dem Eintritt in die Aura der Mystik aus. Statt der möglichen Ausarbeitung des dräuenden Bandenkrieges oder der Konzentration auf den Karate Tiger 3 Plot samt Sex galore Einheit wird alles Vorhandene an Storyoptionen schnell fallen gelassen, was der beizeitigen Labilität und Perspektivlosigkeit dient. Eine Reise von geistiger Gesundheit zum entmachtenden Wahnsinn, von eindeutig greifbarer Bedrohung zum beispiellosen und maßlosen Übel, vom Hier und Jetzt ins Twilight Zone Nirgendwo von Halbdunkel, Umriss und Schattierungen. Ein plötzlicher Überfall der erstarrten Fassungslosigkeit, die mit bestürztem Befremden alles bisher Angenommene um 180° dreht und so Beteiligten und Beobachter den Boden sicherer Erfahrungen einfach wegzieht. Erst Prüfung des Verstandes, dann ein tiefer Fall ins Ungewisse, mit täglich wachsendem Entsetzen, in der der Horror schon und eigentlich auch nur aus der reinen Irritation entsteht. Das Sehen und Erleben einer torsohaften Abfolge von Abscheu, Phobie und auch Panik auslösenden Szenen, die in geradezu pfarramtlich salbungsvoller Umgebung buddhistischer Tempel angesiedelt sind.
Ein Blutegelbad. Das Wiederbeleben von konservierten Wasserleichen, die man im Magen eines frisch getöteten Krokodils aufbettet. Das nächtliche Hinauswürgen eines Schlangenaals. Das Verköstigen mit eigenem Wiedergekäutem und fremden Erbrochenem. Maden, die aus Augenhöhlen gekrochen kommen. Das versuchte Erdrosseln mit frisch abgerissenen Halssträngen.
Fern von Benehmen, Betragen und Geschmack oder auch einer zeitlichen und kulturellen Achse wird eine weitgehend lose Aneinanderreihung anfangs durchaus amüsanter, schon durch ihre kitschig-bunte Absurdität auch lächerlicher, aber bald schlichtweg abstoßender gross out Akte voll Unstern und Marter dargeboten, die auch zumeist die so genannten Eckpfeiler der Angst, der Lust und der Komik vollkommen vernachlässigen. Und jede metaphorische Signifikanz als auch die Ambivalenz missachten, da man von derlei nomadischem Geschehen nicht mehr angezogen, auch nicht abgestumpft, sondern trotz all dem Erstaunen oft nur noch angewidert wird. Der Verzicht auf die Erlösung durch schützende Genrekonvention, einer narrativ vorhersehbaren Schablone oder auch einer Identifikation mit den handelnden Figuren sowie die Beklemmung und Bestürzung der lokalen Notorischen Weltangst tun ihr Übriges. Allerdings muss man attestieren, dass nicht wie heutzutage üblich eine reine torture session abgeliefert wird, sondern Inszenierung samt Überreste von gebrauchter und missbrauchter Dramaturgie trotz aller abscheuerregenden Unappetitlichkeit immer noch in Vordergrund stehen. Auch eine künstlerische Qualität beanspruchen, und Kamera / Musik / Schnitt entsprechend dem offenkundig gut genutzten Produktionsvolumen erstaunlich tadellos sind.
Sicherlich kann man das folgende Spektakel in der Ablehnung des Normalen auch zwischen den Blut-und-Eingeweidestücken des Théâtre du Grand Guignol, dem Zirkusshow-Schaustellerstil eines Alejandro Jodorowsky und dem paradoxen Fanal Ein andalusischer Hund setzen, sich den Zusammenhang zwischen all den Bildern zusammen dichten und auch auf verschiedene Deutungsebenen begeben. Höchstwahrscheinlich wollte Kuei abseits jeder moralischen Forderungen, der abermalig pastoralen Einführung in buddhistisches Philosophieren und der Handlungsmotivation durch Schöpfung, Tod und Wiedergeburt/Auferstehung wiederum nur die Sensationslüste und Spekulationsgier in die Abgründe der eigenen Seele führen. Der Zwang, in der visuellen Herausforderung ständig das Vorherige überbieten zu müssen führt zu einer kurios intensiven "Unterhaltungs"form mit oft surrealen, gleichzeitig naturalistischen und übernatürlichen Phänomenen, delirant umher irrend zwischen Abenteuer, Ahnenkult, Fantasy, Science fiction und Phantasmagorie.