Merkwürdig und abgefahren - ein morbider Comic
Es ist schon eine bisweilen etwas schwer verdauliche Mixtur, die uns Psycho-Spezi Brian De Palma hier auftischt; doch andererseits ist "Phantom of the Paradise" auch ein absolut eigenständiger Film, der mit exzentrischen Gebaren und einer abgefahrenen Comic-Ästhetik absolut aus dem konventionellen Rahmen fällt und einen ureigenen Charme entwickelt.
Fröhlich vermischt DePalma Elemente aus Komödie, Gruselfilm , überkandidelten Comic-Elementen und klassischen Dramenstoffen, die er vornehmlich auf einer Mischthematik aus dem Stoff des "Phantom der Oper" und "Faust" (nee, nee, nicht der Brian Yuzna-Comicstreifen... tatsächlich den Faust vom ollen Goethe) aufbaut und damit sowohl ein sleaziges, knallbuntes Trash-Höhenfeuerwerk abbrennt als auch, man höre und staune, Kapitalismuskritik ausüben möchte.
Der Plot dreht sich im Wesentlichen um den ambitionierten Komponisten Winslow Leach (William Finley), den zwielichten Plattenfirmenmogul Swan (Paul Williams, der überdies noch für den ziemlich guten Soundtrack verantwortlich zeichnet) und die schöne, begabte Sängerin Phoenix (Jessica Harper).
Leach ist ein begabter Musiker , der just dabei ist, eine Kantate über den klassischen "Faust"-Stoff zu verfassen (ein nicht gerade unauffälliger Querverweis auf die weitere Handlungsentwicklung) Produzent Swan ist begeistert von der Musik, nicht aber von dem Akteur und lässt Leach durch korrupte Cops in den Hochsicherheitstrakt von SingSing verknasten. Dort gelingt ihm jedoch der Ausbruch und er macht sich auf, sich an Swan zu rächen. Leider stürzt er dabei in eine Plattenpresse und geistert danach als entstelltes Phantom durch Swan's Neuerrungenschaft, den "Paradise"-Club, und bewacht die von ihm angebetete Sängerin Phoenix, die er vor seiner Inhaftierung bei einer Audition im Swan'schen Anwesen kennenlernte.
Um sie zu schützen, lässt sich Leach sogar auf einen Pakt mit seinem Peiniger Swan ein. Doch der hinterhältige Swan hat ganz andere Pläne mit Phoenix, verführt diese zunächst selbst und plant ein grausam-reales Medienspektakel mit ihr in der unfreiwilligen Hauptrolle. Als Leach eingreifen will, muss er feststellen, dass Swan noch ganz andere, wesentlich mächtigere Verbündete hat...
Obwohl die Ausgangsbasis des Films klassische Dramenhandlungen darstellen und sich der Plot doch eher ernst anhört, schafft es De Palma, die Geschichte mit ganzen Wagenladung von skurrilen Ideen und absurden Darstellungsweisen umzusetzen, die das Herz eines jeden Trash-Cineasten höher schlagen lassen: Allen voran natürlich die Premiere der fertiggestellten "Faust"-Kantate mit dem tuntigen Möchtegernrockstar Beef (Gerrit Graham) in der Titelrolle, in deren Verlauf die Begleitband das Publikum um diverse Körperteile erleichtert.
"Phantom of the Paradise" ist eine grellbunte, dissonante Mediensatire der besonders schrägen Machart, auch wenn der kapitalismuskritische Aspekt nach Heutigen Standards eher aus Allgemeinplätzen besteht: Dass Politik und die Polizei gern korrupt zugunsten einflussreicher Geldgeber und die Musik- und Medienindustrie ein entmenschlichter Kapitalismusapparat ist, der wahren Künstlern ihrer Seelen und Identitäten beraubt, wussten wir ja schließlich alle schon lange, nicht wahr?? Trotzdem ist es bemerkenswert, dass diese Erkenntnisse bereits in einem dreißig Jahre vor "Deutschland sucht den Superstar" oder "Po(p)stars" abgedrehten Streifen
problematisiert werden.
Insgesamt ist dieses DePalma-Frühwerk jedoch weder ein essentieller Klassiker noch ein Film zum "Einfach so mal gucken", dennoch ist ihm auch und vor allem aufgrund der absolut überdrehten Darstellungsweise ein absoluter Kultstatus nicht nur unter den DePalma-Fans zuzusprechen, dessen Genuss einzig durch die unzureichende Darstellung von Paul Williams etwas getrübt wird, der in der tragenden Rolle des dämonischen Bösewichts doch ziemlich abkackt... der Gute hätte es doch eher nur beim Soundtrack belassen sollen! Doch da alle anderen ihre Sache ausgesprochen gut machen und vor allem Graham's vollkommen überzogenes Overacting als Rockertunte "Beef" für einen Brüller nach dem nächsten sorgt, ist dieser Streifen absolut jedem ans Herz zu legen, der sich für Rockmusik und/oder abgefahrene, innovative Trashfilmcomics weit jenseits des Mainstream begeistern kann.
Warum diese abgedrehte Filmperle jedoch bislang noch nicht auf DVD erschienen ist, ist mir ein Rätsel, zumal es sich bei DePalma ja nun wirklich nicht um einen filmischen Nobody handelt.
Eine baldige DVD-Auswertung würde sicherlich nicht nur ich begrüßen (Mein altes vhs-tape weist mittlerweile doch schon ziemliche Verschleißerscheinungen auf)...