„Das ist absurd!“
1981 drehte der italienische Vielfilmer und gern als Schmuddel-Trasher abgetane Joe D’Amato „Absurd“ alias „Antropophagus II“ (alle andere, unzähligen Alias-Titel erspare ich mir an dieser Stelle) und suggerierte damit bewusst eine Fortsetzung des kultigen, ein Jahr zuvor erschienenen kannibalistischen „Man-Eater“ alias „Antropophagus“ – mit dem dieser an US-Slasher angelehnte Schnellschuss allerdings nichts zu tun hat – bis eben auf die Tatsache, dass D’Amato wieder auf seinen Kumpel George Eastman für die Hauptrolle zurückgreifen konnte.
Der Grieche Mikos Stenopolis (George Eastman) hat mit radioaktivem Material gearbeitet. Ein ungewollter Nebeneffekt seiner Arbeit war eine Veränderung seiner Zellstruktur, durch die er grandiose Selbstheilungskräfte erlangt hat. Sein Geist jedoch kennt nur noch einen Befehl: Töten! Seitdem ist er auf der Flucht vor einem Priester (Edmund Purdom, „Ein schwarzer Tag für den Widder“), die ihn schließlich in eine US-amerikanische Kleinstadt treibt. Dort schlitzt er sich den Wanst am Gartenzaun einer wohlhabenden Familie auf und wird ins Krankenhaus eingeliefert – aus dem er sich kurze Zeit später selbst entlässt und eben jene Familie aufsucht. Auf seinem Weg zu ihr hinterlässt er eine blutige Spur…
„Das ist kein Mensch mehr – das ist ein Ungeheur!“
Nach dem großartigen „Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf“ und dem sehr kruden, aber auch charmanten „Man-Eater“ läutete „Antropophagus II“ einen Abwärtstrend im Horrorfilm-Schaffen D’Amatos ein. Die Handlung scheint lediglich als Aufhänger für eine Aneinanderreihung möglichst brutaler und blutiger Splattereffekte zu dienen und mit ihrem gentechnisch veränderten Mutanten mit Selbstheilungskräften keinen weiteren Sinn zu ergeben. Lieblos wird das Geschehen nach Slasher-Manier in eine US-amerikanische Kleinstadt verlegt und mit Ankunft der Babysitterin zum recht offensichtlichen „Halloween“-Plagiat. Die Darstellerriege mit vielen „No-Names“ krampft sich bemüht durch das Schmierentheater und verfügt über besonders nervige Mimen wie den kleinen Jungen, der anscheinend überhaupt nicht weiß, was er dort überhaupt tut und den vermutlich angepeilten Effekt, dass man sich um ihn besonders sorgt, komplett torpediert. Das Verhalten der Charaktere ist meist nur schwer nachzuvollziehen und irgendeine Form von Empathie mag nicht so recht aufkommen. Eastman soll zwar einen Mutanten darstellen, sieht die ganze Zeit aber schlicht aus wie George Eastman eben aussieht – hünenhaft und respekteinflößend, von Maskenarbeit à la „Man-Eater“ jedoch keine Spur. Man verlässt sich ausschließlich auf seine Statur und seinen irren Blick, den er zugegebenermaßen gut beherrscht. Verfügte „Man-Eater“ noch über so etwas wie eine vielleicht nicht immer ganz geglückte, doch deutlich wahrnehmbare Dramaturgie, behält „Antropophagus II“ fast durchgehend das immer gleiche Tempo bei immer gleichem Ablauf bei, was ab einem gewissen Punkt schlicht ermüdend wirkt. Der Täter steht von vornherein fest, ein Motiv gibt es nicht und die Erklärung für sein Verhalten ist völlig belanglos, an den Haaren herbeigezogen und wird ebenfalls zu einem relativ frühen Zeitpunkt mit etwas pseudowissenschaftlichen Blabla erläutert. Bewusst erzeugte morbide Atmosphäre darf man keine erwarten, die abseitige Stimmung des Films ist reines Zufallsprodukt resultierend aus der billigen, schundigen Inszenierung, außer in jenen Momenten, in denen der Soundtrack Carlo Maria Cordios vereinzelt zu Hochform aufläuft.
Was „Antropophagus II“ für mich als Genre-Fan dennoch zumindest in die Durchschnittlichkeit rettet, ist tatsächlich der Grad an grafischer Gewalt: Schon zu Beginn stolpert Stenopolis mit herausquillendem Gedärm ins Haus, kurze Zeit später bohrt er sich durch den Kopf einer Krankenschwester, spannt im weiteren Verlauf jemanden auf eine Sägebank und steckt später den Babysitter (Annie Belle, „Laura“) mit dem Kopf in den Backofen, während die Kamera minutenlang auf ihren Überlebenskampf hält. Handwerklich sind diese Spezialeffekt durchaus von einem gewissen Niveau und wissen für sich betrachtet zu überzeugen sowie in ihrer Konsequenz zu verschrecken. Auch Spannung kommt dann doch endlich einmal auf, als Stenopolis zum zweiten Mal das Haus der Familie betritt und das Finale einläutet, das in einer äußert makabren Schlusseinstellung mündet, die mir allein schon einen Punkt wert ist. Trotzdem: „Antropophagus II“ ist einer stumpfsinnigsten Slasher, die ich kenne, und das will schon ‘was heißen. Das Drehbuch passte vermutlich auf einen Bierdeckel.
Wenn man keinen Schimmer davon hat, was einen guten Slasher eigentlich ausmacht und ihn lediglich auf seinen Gewaltanteil reduziert, kommt Murks wie dieser dabei heraus. Gegen „Antropophagus II“ ist „Man-Eater“ jedenfalls ein vielschichtiges, tiefenpsychologisches Arthouse-Drama.