Review

At birth, I was cast into a flaming pit of scum forgotten by God.



Mickey loves Mallory. Der Außenseiter Mickey Knox (Woody Harrelson) und die abgerissene Asi-Braut Mallory Wilson (Juliette Lewis)
verlieben sich auf den ersten Blick, als der Fleischer Mickey eine
Ladung Rind zum Haus der White-Trash-Familie Wilson liefert, die für den
Herrn des Hauses (Rodney Dangerfield), einen gewalttätigen,
stumpfen Inzestbastard namens Ed bestimmt ist. Doch der nimmt lieber das
Fleisch seiner Tochter in den Mund, was dem kühlen Mickey gar nicht
gefällt. Nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt meuchelt er zusammen mit
seiner neuen Schlampe deren Eltern und daraufhin startet das auf einer
Highwaybrücke selbst getraute Paar eine dreiwöchige Flucht durchs ganze
Land, auf der neben sexuellen Eskapaden und spirituellen Reisen noch
ganz nebenbei 52 Menschen drauf gehen - und das ganze Land will sie!
Insbesondere jedoch der buchstäblich über Leichen gehende
Brainwash-TV-Sklave Wayne Gale (Robert Downey, Jr.), der korrupte Cop Det. Jack Scagnetti (Tom Sizemore) und der texanische Gefängnisdirektor Dwight McClusky (Tommy Lee Jones).


1994 war ein Jahr, das besonders viele prestigeträchtige Filme hervorgebracht hat. Menace II Society, Forrest Gump, Schindler's Liste, Gilbert Grape und auch 00 Schneider - Jag auf Nihil Baxter. Allen voran wurde auch der legendäre Pulp Fiction gezeigt, dessen Schöpfer Quentin Tarantino das Drehbuch für diesen abgehdrehten Streifen und dem Chef dahinter, Regisseur Oliver Stone, geliefert hat. Dieser Stone, der schon kritische Kontroversen wie Platoon, JFK, Nixon und Larry Flynt verantwortete, präsentiert hier einen Meilenstein des kritischen und brutalen Unterhaltungskinos.


Denn hier handelt es sich nicht um recht viel mehr als eine heitere
Gewaltorgie, die sämtliche Facetten von Brutalität abdeckt. Der Streifen
gibt einen Einblick in die Geschichte der bereits erwähnten Mickey und
Mallory - ein kruder Bastard aus Bonny & Clyde, Rome & Julia und
Thelma & Louise - gewürzt mit der Brutalität und Kaltschnäuzigkeit
von Mörderlegenden wie Whitman, Ramirez oder Gacey. Man sieht, wie sie
sich näher kommen, wie sie ficken, morden, gegen den Rest der Welt und
allem voran gegen ihre eigene Leere kämpfen, die sie zu füllen versuchen
durch eine völlige Abgrenzung von jeglichen gesellschaftlichen Normen,
Gesetzen und Empfindungen. Inszeniert ist das Ganze mit erhobenem
Zeigefinger des Machers wie ein TV-Ereignis, der Voyeur namens Zuschauer
ist die ganze Zeit live dabei, wenn die beiden ihr Spielchen treiben.


Immer wieder wird man außerdem zugeschissen mit visuellen Sprüngen ins
Schwarz-Weiße, in kranke Comic-Optik oder überkolorierte
Farbexplosionen, abgerundet durch spontan eingeworfene Bilder aus der
Kindheit der beiden Protagonisten, TV-Werbung, Filmausschnitte und
sonstigem Schwachsinn. Es soll die Frage nach dem Warum aufgeworfen
werden. Warum wird jemand zum sog. Psychopathen, zum Mörder, zum
Außenseiter in dieser kranken Welt? Sind Missbrauch und mangelnde Wärme
verantwortlich? Die alles mit ihrem giftigen Netz umspannende vierte
Gewalt, die Medien, allem voran das Fernsehen? Oder glaubt man eher an
die Theorie, die Mickey zum Besten gibt und welche er auch mit einigen
klugen Leuten aus Wissenschaft und Philosophie teilt - er sagt, er wurde
böse geboren und gibt diesem Trieb, dem Todestrieb, einfach nach. So
wie auch die eben genannten Denker davon sprechen, dass das sog. "Böse"
in jedem Menschen steckt und es nur einen Auslöser oder bestimmte
Erfahrungen braucht, um dieses Böse in Wahnsinnstaten zu kanalisieren.


Parallel dazu spielt NBK auch mit der Frage, ob, wie eben genannter
Mickey unter anderem auch sagt, die sog. Liebe den Hass und all die
negative Energie wegfegen, den Geist davon reinigen und säubern kann.
Dies ist jedoch natürlich totaler Schwachsinn, da dieses Gefühl namens
Liebe erstens derart intensiv ist (vorausgesetzt, man hat die wahre
Bedeutung dieses Zustands begriffen) und zweitens im Umkehrschluss eben
gerade vor so vielen anderen Dingen zu Hass, Gewalt, Egoismus und
Schmerz führt.


Auch wird sich damit auseinander gesetzt, welche Rolle die Medien und
ihre Berichterstattung in der Gesellschaft spielen, eben vor allem das
Fernsehen und welchen Einfluss sie auf den gemeinen Bürger, den Voyeur
in spe haben. Mit einem Tritt in die geldgeilen, sensationssüchtigen,
vor Verlogenheit triefenden Ärsche von Institutionen mit Namen wie ABC,
CNN, FOX oder auch das deutsche RTL wird das Massenmörderpärchen hier zu
Ikonen stilisiert, zu Popstars. Die Nation, nein, die Nationen
lieben sie; sie erlangen internationale Berühmtheit, sie schlachten sich
absurderweise in die Herzen der Zuschauer, die sie gar so cool
finden wie den in den 60er-Jahren agierenden Sektenguru Charles Manson.
Selbiger hat jedoch paradoxerweise niemals nachweislich einen Mord
begangen, er befehligte diese lediglich, einem selbsternannten Propheten
gleich. Im Umkehrschluss wird auch den beiden sog. Littleton-Attentätern Klebold
und Harris nachgesagt, sie hätten sich aufgrund des häufigen Konsums
von NBK immer stärker mit dem Killerpaar identifiziert.


Nach 117 Minuten (Director's Cut) endet diese Höllenfahrt dann mit einem
verlogenen, anti-hollywoodesken Happy End, welches jedoch an dieser
Stelle natürlich nicht verraten wird. Interessierten Sammlern, die
dieses Werk allen Ernstes noch nicht in ihrem Schrank haben, wird der Laser Paradise-Director's-Cut empfohlen, welcher meistens mit dem etwas kürzeren, geschnittenen Special Cut in einer Box vertrieben wird. Abstand nehmen sollte man, wenn man den Film auf Deutsch sehen möchte, vom Director's Cut von Best Entertainment, weil bei diesem Release einige Synchronstimmen und Dialogteile zum Schlechten hin verändert wurden.

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