Review
von horror1966
Dr. Sayer entführt die junge Maria in seine Villa, macht ihr Angst und erniedrigt sie. Dr. Sayer hat jedoch einen Grund für sein Handeln: Er fürchtet sich davor, dass Frauen künftig die Männer unterwerfen werden und sie biologisch überflüssig würden. Maria muss jetzt einen Ausweg finden, um das Martyrium zu überleben.
Warum dieser Film von Piero Schivazappa nun gerade in der Giallo Collectiion seine deutsche DVD-Premiere feiert wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, handelt es sich doch vielmehr um ein Sex-Drama. Im Prinzip ist das aber auch vollkommen egal, offenbart sich doch eine wirklich erstklassig umgesetzte Geschichte, die den Zuschauer von Beginn an in ihren Bann zieht. Im Prinzip bekommt man ein Kammerspiel mit 2 Personen geliefert, was sich für manch einen im ersten Moment eventuell etwas langweilig anhören mag, doch nach der Sichtung dieses herausragenden Filmes müsste man eigentlich feststellen, das man es vielmehr mit einem wahren Juwel des italienischen Kinos zu tun hat. Geprägt wird das Geschehen ganz eindeutig von seinen beiden erstklassigen Hauptdarstellern Philippe Leroy und Dagmar Lassander, die sich einen grandios inszenierten Geschlechterkampf liefern, wie man ihn eher selten geboten bekommt. Leroy mimt dabei den scheinbar starken männlichen Part, während Frau Lassander das offenbar verängstigte Opfer zum Besten gibt, das sich in sein unvermeidbares Schicksal ergibt. Das hier jedoch kaum etwas so ist wie es im ersten Moment erscheint, wird mit zunehmender Laufzeit immer klarer und endet in einem finalen Showdown, wie man ihn kaum hätte besser inszenieren können. Der Begriff Showdown ist hier wirklich wörtlich zu nehmen, denn wenn sich die beiden Protagonisten am Ende im Pool gegenüberstehen, erinnert das doch ziemlich stark an ein Duell im wilden Westen, das nur einer der beiden überleben kann.
Bis dahin ist es jedoch ein weiter Weg, den man als Betrachter jedoch nur zu gern beschreitet. So sind die Rollen von Täter und Opfer am Beginn doch augenscheinlich ganz klar verteilt, durch ein traumatisches Erlebnis in der Kindheit leidet Dr. Sayer unter einem offensichtlichen Frauenhass, der in fast jeder Einstellung zum Vorschein kommt. Um seine perversen Neigungen zu stillen, entführt er die hübsche Maria und hält sie seitdem in seiner Villa als Sklavin, die schlimmste Demütigungen über sich ergehen lassen muss. So erscheint die Rollen-Verteilung vollkommen klar, doch merkt man recht schnell, das der Anschein in diesem Fall sehr trügerisch ist. Hinter der scheinbar starken Fassade des Mannes verstecken sich lediglich Angst und Unsicherheit, die Sayer durch sein dominantes Verhalten lediglich zu kaschieren versucht. Dazu trimmt er seinen Körper auf Ästhetik, um die perfekte Manneskraft darzustellen. Dies alles geschieht in seiner futuristisch eingerichteten Villa, die wie ein wahres Status-Symbol erscheint und optische Dominanz des Mannes nur noch mehr zum Ausdruck bringt. Doch mit der Zeit bröckelt die Fassade und es sind immer tiefere Risse zu erkennen. An dieser Stelle kommt dann Maria immer stärker ins Spiel, wobei der Begriff des Spiels ganz am Ende des Filmes erst seine gesamte Bedeutung zu erkennen gibt.
Das scheinbare Opfer dreht nun nämlich den Spieß um, wodurch langsam aber sicher die Rollen vertauscht werden, was absolut unübersehbar ist. In etlichen Gesprächen werden einem fast schon philosophische Ansätze im Bezug auf das Verhältnis zwischen Mann und Frau angeboten, wobei die enthaltenen Dialoge wirklich von herausragender Qualität sind. Es macht einfach Spaß dieses perfide Katz-und Maus Spiel zu beobachten, das sich zwischen den beiden entwickelt, ohne dabei jedoch zu ahnen, auf was das ganze Geschehen am Ende hinausläuft. Ist "The Frightened Woman" in seiner Gesamtheit schon ein absolut genialer Film, so setzen die letzten gut 15 Minuten dem Ganzen doch die absolute Krone auf. Eventuell für viele Zuschauer durchaus vorhersehbar wurde ich persönlich an der Stelle mit einem fantastischen Überraschungs-Effekt konfrontiert, den man meiner Meinung nach nicht unbedingt vorhersehen kann. Die bis dahin schon großartig inszenierte Geschichte toppt sich förmlich selbst und wartet mit einer grandiosen Schluss-Sequenz auf, die eine fantastische Wendung beinhaltet. So habe ich es jedenfalls empfunden, denn mit einem solchen Finale hatte ich wirklich nicht gerechnet.
Piero Schivazappa hat mit "The Frightened Woman" einen in allen Belangen nahezu perfekten Film geschaffen, in dem wirklich nichts dem Zufall überlassen wird. Perfekte Schauplätze, brillante Kulissen und 2 mehr als nur überzeugende Hauptdarsteller lassen hier ein Gesamtbild entstehen, das man letztendlich nur als herausragend bezeichnen kann. Was wie eine Herr-und Sklave Geschichte beginnt, entfaltet sich mit zunehmender Laufzeit zu einem fast philosophischen Geschlechterkampf, den man nicht besser hätte umsetzen können. Dabei wurde im Prinzip völlig auf das ansonsten übliche Sado-Maso Szenario verzichtet, stattdessen bekommt man es fast ausschließlich mit psychischen Spielchen zu tun. Wer dabei im Endeffekt wirklich die Oberhand behält und somit Macht über den anderen hat, ergibt sich jedoch erst in den letzten Minuten eines Filmes, den man unbedingt gesehen haben sollte. Und das schon allein aufgrund des fantastischen Soundtracks von Stelvio Cipriani, der die Faszination der Ereignisse noch einmal zusätzlich hervorhebt.
Fazit:
Auch wenn das Werk von Piero Schivazappa in einer Giallo Box vollkommen fehl am Platz erscheint, sollte man sich an dem Aspekt erfreuen, das es diesen überragenden Film nun endlich auch in Deutschland auf DVD gibt. Hier präsentiert sich nämlich ein wahrer filmischer Leckerbissen, in dem sämtliche Zutaten perfekt aufeinander abgestimmt sind. Und auch wenn manch einer vielleicht im ersten Moment ein wenig enttäuscht darüber sein mag das es sich um keinen Giallo handelt, dürfte im Endeffekt die Qualität des Filmes so überzeugend sein, das man zu einem sehr guten Gesamteindruck gelangt.
9/10