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Wie weit kann Gier führen? Was ist Freundschaft noch wert, wenn es um viel Geld geht? Wozu ist der Mensch fähig um seine Sehnsüchte zu stillen?

Dies sind die Fragen, die Regisseur Danny Boyle den Zuschauern seines pechschwarzen, oft unterschätzen Filmes "Shallow Grave" mit auf den Weg gibt. Und es sind diese Fragen, die den Zuschauer noch lange danach beschäftigen. Denn bei aller Absurdität und Überzeichnung die der Film bietet, weiß man, dass man wohl selber nicht zu sagen vermag wie weit man in einer Ähnlichen Situation gehen würde.

Juliet (Kerry Fox), David (Christopher Eccleston) und Max (Ewan McGregor) wohnen in London zusammen in einer WG. Die hohe Miete zwingt die erfolgreich im Leben stehenden Twens einen neuen Untermieter zu suchen. Nachdem sich etliche vorgestellt haben, kommt mit Hugo (Keith allen) der perfekte Mitbewohner. Doch kurz darauf ist Hugo tot. Er liegt auf seinem Bett und in seinem Zimmer finden die drei eine Tasche voller Geld.
Von der Gier nach dem Geld getrieben beschließen sie Hugo zu zersägen und im Wald zu vergraben. Bereits bei der Frage wer ihn zerlegt kommt es zu deutlichen Spannungen, die sich weiter durch die Gruppe ziehen, als ein Polizei Inspektor bei seiner Suche nach dem Mörder des durch Zufall im Wald gefunden Hugo, dem Trio immer näher kommt.

Was dann folgt ist ein erschreckendes, Kammerspielartiges, psychologisches Gemetzel. Die drei werden von Gier, Angst und Schuldgefühlen immer mehr in die Enge getrieben. Jeder versucht den anderen auszubooten. Dabei wird der Zuschauer ebenso wie die einzelnen Protagonisten im Dunkeln gelassen über die Versuche der ehemaligen Freunde, sich gegenseitig zu linken. Doch wo in anderen Filmen diese Ausgangslage benutzt worden wäre um Gags und Humor unterzubringen, zeigt Doyle hier einzig und allein den Zerfall des Menschen. Man merkt den drei Figuren an, dass sie mit der Situation, die sich zunächst als so einfach darstellte psychisch nicht fertig werden. Jeder von ihnen muss mit der Schuld leben, und so ist die logische Konsequenz, in diesem teilweise stark an die Substanz gehenden Film, auch der Tod bzw. Gewalt, da sich die Drei nicht mehr anders zu helfen wissen.

Danny Boyle zeigt mit "Shallow Grave" bereits vor seinem Durchbruch mit Trainspotting, das er zu den besten jungen Regisseuren des britischen Kinos gehört. Allein schon der Anfang, eine im Zeitraffer gedrehte Fahrt durch die Vororte Londons zu stampfenden Elektrosounds unterlegt nur von der Stimm von Ewan McGregor der aus dem Off zum Zuschauer spricht, ist inszenatorisch eine Meisterleistung. Später werden diese Schnellen Bilder immer langsam, bis sie erst zum Ende des Films hin wieder an Tempo zu legen. Auch spielt Boyle mit Farben, so z.B. bei den Szenen im Wald, oder der Verstümmelung Hugos. Kameraeinstellungen sind oft statisch und wenn die Kamera sich dann bewegt schwebt sie den Darstellern hinterher durch die große bedrohlich wirkende Altbauwohnung, wie ein Beobachter, der immer nahe genug dran ist um alles mit zu erleben, aber nicht nahe genug um vollkommen dazu zu gehören.
Und so geht es auch dem Zuschauer. Er wird zum Komplizen gemacht, weis von der Schuld der Figuren, fiebert mit ihnen mit, leidet mit ihnen, lacht auch mal mit ihnen, wird aber durch den Stil den Boyle präsentiert, immer darauf hingewiesen, das hinter allem Alltäglichen tiefe Abgründe liegen.

So ist der Film dann auch mehr Drama und Charakterstudie als Thriller oder pechschwarze Komödie. Aber davon sollte man sich nicht abschrecken lassen, denn sonst verpasst man einen Film, der einen noch etliche Tage nach dem Ansehen beschäftigen dürfte.
Denn, wie weit würdest du gehen?

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