Review
von Cineast18
Die Vorgeschichte zum spektakulären Hongkong-Thriller "Infernal Affairs" erzählt nicht nur, wie die beiden Spitzel Lau und Yan in ihre Positionen innerhalb der Polizei bzw. Gangster-Syndikate gelangten, sondern beleuchtet auch das Verhältnis zwischen Polizeichef Wong und Gangster Sam genauer: Die beiden verbindet eine tiefe Freundschaft, die durch die Arbeit auf unterschiedlichen Seiten immer wieder schwer geprüft wird.
Wie schon der erste Teil, erweist sich das Prequel als komplexes und hochspannendes Geflecht aus moralisch ambivalenten Figuren, deren Kampf für die eigene Sache immer wieder zu Blutvergießen und Tragödien führt. So werden hier einige dunkle Seiten von Wong dargestellt, der für sein Ziel, die Triaden zu schwächen, nicht einmal mehr vor Auftragsmord zurückschreckt - und sich damit moralisch auf demselben Niveau wie seine Widersacher glaubt. Die Selbstzweifel der Figuren, die immer wieder hinter Gewalt und Wut auf andere hervorblitzen, verleihen der Story zusätzlich zum spannenden Katz-und-Maus-Spiel zwischen Gangstern und Polizei, zwischen Spitzeln und "ehrlichen" Verbrechern eine tiefe emotionale Dimension, die den Zuschauer bis zum dramatischen Schluss mit den Figuren mitfiebern lässt. In Bezug auf eine vielschichtige, authentisch wirkende Figurencharakteristik spielt auch der zweite Teil wieder auf einem deutlich höheren Niveau als die meisten Genre-Werke aus Hollywood.
Auch formal wirkt der Film reifer als sein Vorgänger: Bis auf wenige Szenen wird auf melodramatische Zeitlupen verzichtet, der Soundtrack, der zwischen treibender Rhythmik und dramatischer Chormusik pendelt, passt noch besser und verleiht den oft schnell geschnittenen Bildern zusätzliche Dynamik und Spannung. Auch die Story wirkt aufgrund eines ungeheuren Wusts an Figuren wieder komplex und fordert vom Zuschauer hohe Aufmerksamkeit. Besonders anfangs dürften einige Szenen erst einmal in der Luft hängen und erhalten erst im weiteren Verlauf eine Bedeutung. Das mag für europäische Sehgewohnheiten befremdlich wirken, verleiht der Story aber weitere Intensität, wenn man sich darauf einlässt. Man sollte aber unbedingt den ersten Teil kennen, um hier alles richtig einordnen zu können (zum Beispiel die Tragik, die hinter der Szene steckt, in der Lau seinem Chef Sam schwört, für ihn alles zu tun).
An die Stringenz und Hochspannung des ersten Teils indes reicht die Fortsetzung nicht ganz heran. Hier wird der Entwicklung der Figuren mehr Raum gegeben, was mit einem deutlichen Verzicht auf Spannungsszenen einhergeht (obwohl die Parallelmontage eines Vierfachmordes an Triadenbossen genial inszeniert ist und den Puls mächtig antreibt). Auch enden einige kleine Handlungsfäden im Nichts und trotz inszenatorischer Zurückhaltung wirken einige Szenen zu pathetisch.
Dennoch: Dank komplexer, tragischer Figuren, die mit inneren und äußeren Dämonen zu kämpfen haben, eleganter Kameraführung, kluger Gedanken zur Schwere von Schuld und eigenen Schwächen und einer spannenden Figurenkonstellation erzählt auch "Infernal Affairs 2" eine spannende Geschichte über Mord, Intrigen und die scheinbare Unmöglichkeit, jemals Frieden in eine von der Mafia kontrollierte Stadt zu bringen.