Review

Gesamtbesprechung

Deutsche Serien, und deutsche Familienserien ganz im Besonderen, haben ja nicht gerade den Ruf von Kult, Qualität oder Realität. Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel: In diesem Fall tut dies Aus heiterem Himmel, eine Familieserie, die am Starnberger See spielt und schon wegen ihrer Örtlichkeit zarte Bande mit dem aus der Region stammenden Zuschauer zu knüpfen vermag.

Dort am Starnberger See also, da lebt Tobias Sandmann (Daniel Friedrich) mit seinem besten Freund Christoph Dengler (Michael Fitz) in einer alten Villa. Tobias liebt seinen Beruf, das Comiczeichnen, und Christoph hat sein großes Hobby, das Segeln, zu seinem Beruf gemacht und besitzt eine Werft und Segelschule am See. Ihr Lebensmotto lautet "Keine Frau länger als eine Nacht". In diese idyllische Freiheit der beiden Männer platzt bald schon die Hiobsbotschaft: Tobias' Exfrau, die inzwischen mit neuem Mann und ihren Kindern (von Tobias) in Brasilien lebt, ist tot. Die Kinder sollen fortan bei den Großeltern in Nürnberg leben. Aus Pflichtgefühlen heraus, eilt Tobias zum Flughafen, um seine Kinder, die er so viele Jahre nicht mehr gesehen hat, zu treffen. Da sind die Älteste, Alicia (Jule Ronstedt), Sohn Henrik (Florian Fischer) und der neu hinzugekommene Adoptivsohn Carlos (Julio Brinkmann). Tobias nimmt die Kinder mit sich nach Hause und was anfänglich die reinste Katastrophe ist, entwickelt sich im Laufe der Folgen bald schon zu echten Familiengefühlen.

Auch wenn sich die Hintergrundgeschichte der Sandmanns nicht gerade wie etwas Außergewöhnliches liest, so ist einem dies bei der Umsetzung des Stoffes nur allzu vortrefflich gelungen. Wo man Kitsch, unerträgliches Familiengesülze, hölzerne Streits und unrealistisch glückliche Familien erwarten könnte, bekommt man lustige Alltagsgeschichten vorgesetzt, die wie aus dem Leben gegriffen wirken. Da wird gefiest und gestritten, dass die Fetzen fliegen, und auch wenn klar ist, dass sich am Ende alle wieder lieb haben, geschieht dies nie auf die sonst so gern benutzte billige, überschwängliche Weise, bei der man schreiend den Fernseher zertrümmern möchte. Bei Aus heiterem Himmel bleibt man auf dem Boden. Da zeichnen gute Schauspieler, bei denen man gern vergisst, dass sie ihre Rollen nur spielen, ehrlich gemeinte, realistische, liebenswerte Personen mit—und das ist wichtig—Persönlichkeit mit Wiedererkennungswert (ohne dabei irgendwie konstruiert oder klischeebeladen zu sein). Gerade Menschen wie Christoph oder Alicia könnten einem jeden Tag tatsächlich auf der Straße begegnen. Henriks pubertäres Gemaule oder Carlos' Kindergartengequassel (bei dem Kleinen klingt es dann doch ein bisschen wie auswendig gelernt; aber da ist das noch verzeihlich) kann man täglich hören, lebt man selbst in einer Großfamilie. Bei den Sandmanns fühlt man sich einfach gleich zu Hause und gut aufgehoben.

Leider gilt auch bei Aus heiterem Himmel das fast schon die Regel darstellende Phänomen, dass die ersten Folgen einfach die besten sind. Ab der dritten Staffel mit der Einführung einiger nerviger Charaktere und überzogener Geschichten ist die Serie dann doch nicht mehr sehenswert. Auch bei Staffel 2 werden die Geschichten zunehmend "sensationsgeiler"—wenn es sich in der ersten Staffel noch um den üblichen Schulstress, das Knüpfen neuer Freundschaften, die erste Liebe oder, bei den beiden Erwachsenen, um Frauengeschichten oder Ärger in der Arbeit handelt, werden die Geschichten in der zweiten Staffel schon fast an den Haaren herbeigezogen; etwa, wenn Alicia, die Journalistin werden will, in ein Haus einbricht, um mit einer einflussreichen Persönlichkeit bei einer Tasse Tee einen Prozess aus der Welt zu schaffen, den die Anwältin Julia schon längst verloren geglaubt hat, was Alicia dann aber prompt schafft, oder wenn die ganze Klasse zusammenhält, um einen Lehrer zu terrorisieren, der Schuld am Selbstmordversuch einer Schülerin ist.

Doch auch über solche handlungstechnischen Ausschweifungen lässt sich noch hinwegsehen, da Aus heiterem Himmel mit Liebe zu den einzelnen Personen und auch zum Detail—schon allein sich in der Sandmann-Villa umzusehen bietet ein Schmankerl nach dem anderen—einfach hoch genug punkten kann. Die Schauspieler mit ihren Leistungen und der Liebe zum Spiel erledigen den Rest, um Aus heiterem Himmel zu der bis dato besten, witzigsten und realistischsten Familienserie zu machen, die im deutschen Fernsehen zu finden ist.

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