Review

„In der Archäologie gibt es nichts, was unmöglich wäre!“ (womit die Archäologie viel mit dem phantastischen Film gemein hat)

„In den Klauen der Tiefe“ ist der im Original „The Mole People“ betitelte Mix aus Monster-, Science-Fiction- und Abenteuerfilm aus dem Hause „Universal“, für den im Jahre 1956 der US-Regisseur Virgil W. Vogel („Der Flug zur Hölle“) die Regie übernahm. Eine deutschsprachige Auswertung gab es lange Zeit nicht, bis das Label „Anolis“ sich des Films annahm und dankenswerterweise eine deutsche Synchronisation spendierte.

Bei Ausgrabungen in Asien entdecken Archäologen eine unterirdische Kultur sumerischer Albinos, die im Erdinneren animalische Maulwurfsmenschen als Sklaven halten. Die Monarchen unter der Erdoberfläche sind den Eindringlingen wenig freundlich gesinnt…

Um überhaupt auf Spielfilmlänge zu kommen, beginnt der Autokino-B-Movie mit einem (pseudo-)wissenschaftlichen Prolog aus dem Munde von niemand Geringerem als Dr. Francis C. Baxter, der seinerzeit aus tatsächlich seriösen Lehrfilmen bekannt war. Mehr oder weniger in Bezug zu „The Mole People“ stehende altertümliche Theorien das Erdinnere betreffend (oder auch nicht) werden von ihm vorgestellt und der Zuschauer erfolgreich in wohlige Stimmung und Vorfreude auf das nun Kommende versetzt. Die eigentliche Handlung findet irgendwo in Asien statt, wie uns eine verdammt unpräzise Texteinblendung verrät, die aus US-amerikanischer Sicht vermutlich mit „irgendwo im Nirgendwo“ gleichzusetzen ist. Jules Verne und H.G. Wells lassen grüßen, wenn unsere Expedition ins Erdinnere aufbricht. Dafür muss jedoch zunächst ein hoher Berggipfel erklommen werden, denn die gefundene Steintafel lässt Rückschlüsse auf die Sintflut zu, vor der die Sumerer in die Höhe flohen. Nach beschwerlichem Aufstieg geht’s dann direkt wieder abwärts – per tödlichem Sturz oder etwas sicherer mit langem Seil. Bis hierhin hat Vogel bereits selbigen abgeschossen, als er ein Erdbeben per Wackelkamera simulierte und vor allem den mit reichlich Archivmaterial von Bergsteigexpeditionen und Lawinen gestreckten Aufstieg in zäher Langatmigkeit zeigte, ja, selbst den Abstieg in die Höhle quasi ohne Schnitt durchexerzierte, was bereits seinerzeit zu großem Gelächter geführt haben soll.

Doch nun kommt der Film in Fahrt, weiß Vogel die in recht starrer Maskerade/Kostümierung steckenden Maulwurfsmenschen gruselig in Szene zu setzen, indem er zunächst nur ihre Klauen, dann ihre Augen und sie erst viel später in voller Pracht zeigt, Diese entpuppen sich keinesfalls als die eigentliche unterirdische Zivilisation, denn das sind die Sumerer, die über Generationen hinweg bis auf wenige Ausnahmen zu lichtscheuen Albinos wurden. Sie bewohnen eine Höhlenwelt voller verwinkelter Geheimgänge und haben sich evolutorisch angepasst. (Achtung: ab jetzt viele Spoiler!) Auf der Strecke geblieben ist dabei aber anscheinend ihr Kleidungsgeschmack, denn ihre Kostüme sehen wenig respekteinflößend, eher belustigend aus. Fortan schlägt die Handlung einige Haken, setzt die Eindringlinge, von denen nicht alle lebendig unten angekommen sind, zunächst der Gefahr aus, der Göttin Ishtar geopfert zu werden, um sie dann aufgrund ihrer mitgeführten Taschenlampe (!) zu Gottgesandten erklären zu lassen, was jedoch effektiv nur bis zum Ausfall der Batterien Bestand hat. Etwas naive Vorstellungen der Höhlenwelt gehen Hand in Hand mit einer obligatorischen Romanze, in diesem Falle zwischen Roger (John Agar, „Tarantula“) und der noch nicht albinosierten Adad (Cynthia Patrick, „In den Wind geschrieben“), die aufgrund dessen als Dienerin gehalten wird. Nicht minder obligatorisch ist die kuriose, Exotik vermitteln sollende Tanzeinlage, die auch hier unfreiwillig komisch anmutet. Sprachbarrieren gibt es eigenartigerweise keine, was man damit begründet, dass Roger dem Sumerischen mächtig ist. Der Einfachheit halber werden alle Dialoge in unserer Sprache abgehalten – weshalb auch sein Kollege Jud (Hugh Beaumont, „Die Uhr ist abgelaufen“) plötzlich offensichtlich die Sprache beherrscht, weiß weder Mensch noch Maulwurf.

Wirklich gelungen sind einige gruselige, gut ausgeleuchtete und geschnittene Szenen in Bezug auf die Maulwurfsmenschen, die auch für die eine oder andere Actioneinlagen sorgen. Die Kulissen tendieren mitunter ins Morbide und zeigen an Wänden hängende Skelette; eine Art Kontrast zum Monarchen-Pomp der Sumerer. Ein Gefühl für die Größe des unterirdischen Reichs zu suggerieren, gelingt Vogel jedoch nicht, das Ganze wirkt vielmehr wie ein niedliches, winziges Königreich, das auf die Fläche eines Filmstudios passt. Wunderschöne Hintergrundmalereien sind zwar schnell als ebensolche auszumachen, bieten dennoch Angenehmes fürs Auge und beweisen eine gewisse Liebe zum Detail. Auch die Opferungsszenen haben es in sich – hübsche junge Frauen gehen sprichwörtlich ins Licht und enden als verkohlte Leichen. Der geschickte Schnitt suggeriert Nacktheit der Damen, ohne wirklich etwas zu zeigen, ihr späterer Anblick verstört und täuscht für einen Moment darüber hinweg, welch wissenschaftliche Unwahrscheinlichkeit es ist, dass Albinos bei Sonnenlicht innerhalb kürzester Zeit quasi bei lebendigem Leibe verbrennen (auch bei niedrigem Lichtschutzfaktor). Interessant ist die differenzierte Darstellung der Maulwurfswesen, die zunächst als Bedrohung eingeführt werden, die sie definitiv auch sind, sich bei näherer Betrachtung jedoch als die eigentlich Leidtragenden entpuppen. Verhältnismäßig deutlich wird Kritik am totalitären System wie dem der Sumerer laut; die US-amerikanischen Forscher versuchen, ihnen (Maulwurfs-)Menschenrechte, Demokratie und Emanzipation nahezubringen. Diese fortschrittliche Aussage des Films läuft konträr zum US-typischen Chauvinismus, mit dem sich über die fremde Kultur lustig gemacht wird, was natürlich gerade aus heutiger Sicht Vergleiche zur kriegerischen USA-Außenpolitik provoziert, geradezu symptomatisch wirkt.

Genre-Veteran John Agar spielt seine Rolle wie üblich grundsolide und mit stoischem Ernst, Alan Napier („Batman“-TV-Serie) versieht seinen sumerischen Monarchen mit einer Menge Theatralik, Cynthia Patrick erweckt ein gewisses Maß an Mitgefühl und ist schön anzusehen. Darstellerisch gibt es keine Ausfälle zu verzeichnen. Die orchestrale Musik stammt aus der Bibliothek, wurde also nicht eigens für den Film erstellt. Über weite Strecken ist „The Mole People“ ein unterhaltsamer, sehenswerter „Universal“-Film der kostengünstigen Sorte, wenig originell, aber charmant und mit einem gewissen kritischen Anspruch versehen. Gute Ideen treffen auf weniger Gute, respektable Momente auf Trash, Phantastik auf Unfug – was den Reiz dieser alten Reißer ausmacht. Wäre das Timing besser gelungen, hätte man also die unnötigen Streckungen vermeiden können und stattdessen noch den einen oder anderen Kniff mehr eingebracht, hätte man qualitativ deutlicher aus dem Durchschnitt hervorstechen können. Eine echte, wenn auch eigentlich negative Überraschung ist indes das erzwungene, tragische Ende: Nachdem man erfolgreich die opferwütigen Sumerer-Albinos hinter sich lassen und zusammen mit Adad den Weg zurück ans Tageslicht bewältigen konnte, wütet abermals ein plötzliches Erdbeben und begräbt Adad unter sich – wobei sie sich vielmehr unter die tödlichen Trümmer zu werfen scheint. Überlieferungen zufolge war dieses Ende ursprünglich anders vorgesehen und in dieser Form ein Zugeständnis an den US-amerikanischen Rassismus: Man wollte dem Publikum keine Aussicht auf eine US-amerikanisch-weiße/sumerische Misch-Ehe zumuten. Das ist ebenso armselig wie inkonsequent, aber ein schönes, entlarvendes Zeitdokument.

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