Gus Van Sant hatte sich, nach seinem wirklich guten "Good Will Hunting", mit dem Remake zu Alfred Hitchcocks Überfilm "Psycho" nicht gerade mit Ruhm bekleckert und auch "Forrerster - Gefunden" wurde nicht gerade ein sonderlich toller Film. Also hieß es für den Regisseur Abschied nehmen vom Mainstream und sich lieber in die kleine aber feine Nische des Arthouse-Kinos zurückzuziehen. Dort entwickelte er nun eine Film-Trilogie, die er die "Todes-Trilogie" nennt und mit drei Filmen ausstatte die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der zweite dieser drei Filme ist dann auch der Kontroverseste, wagte sich Van Sant mit "Elephant" doch an das heiße Thema des Massakers von Columbine aus dem Jahre 1999 heran. Doch diesen Mittelteil der Trilogie kann man nur als geglückt bezeichnen, auch wenn manch ein Kritiker seinen Mut nicht Würde zollen möchte.
Van Sant erzählt mit "Elephant" nun also die Geschichte eines Highschool-Massakers irgendwo in den USA. Er begleitet viele unterschiedliche Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zur Schule und durch den Schulalltag, bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich die Schule förmlich zu einer Hölle der abscheulichsten Art und Weise verwandelt, nämlich in eine Hölle, in der zwei Jungs sich entschieden haben, jeden ihrer Mitschüler und Lehrer den Garaus zu machen. Ohne wirklichen roten Faden erzählt Van Sant dabei lose und völlig abgängig aller Erzählstrukturen des "normalen" Kinos, seine traurige Geschichte und bringt dabei einen Mut auf, den man sich in Hollywood in letzter Zeit sonst eigentlich nur wünschen kann.
Er pickt sich wirklich, abgesehen von den Attentätern, anscheinend wahllos die Figuren der Schule heraus, um ihren Werdegang während des Ablaufs zu portraitieren. Dabei geht er weder chronologisch vor, noch pickt er irgend eine Figur besonders heraus, nicht einmal die zukünftigen Attentäter. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hat der Zuschauer sogar gar keine Ahnung, wer von den gezeigten Schülern eigentlich am Ende die schreckliche Tat begeht. Van Sant gibt allen Figuren der Handlung die nötige Tiefe und das entschiedene Quäntchen Sympathie, so dass dem Zuschauer das stetige Herauszögern des traurigen "Höhepunktes" zum einen wie ein Segen vorkommt, zum anderen aber auch wie eine Qual.
Das eigentlich Attentat beschränkt sich dann auch "nur" auf die letzten 20 Minuten des Films. Ohne auf irgendwelche unpassenden Schock- oder übertriebenen Bluteffekte zu setzen, läßt Van Sant dann das Publikum das Martyrium durchlaufen, welches sich tief in die Seele von so manchem Zuschauer fressen dürfte. Man ist geschockt und könnte regelrecht losheulen von dem, was sich da gerade auf der Leinwand vor einem abspielt. Und um den ganzen dann die Krone aufzusetzen, kommt Van Sant auch in keinster Weise auf die Idee, diese schreckliche Bluttat irgendwie erklären zu wollen, was so manch einem Kritiker wohl etwas sauer aufgestoßen ist. Kleinere mögliche Gründe werden zwar kurz angerissen, der Zuschauer selbst darf und muss sich nach dem Film aber die Erklärung selber zusammensuchen, wenn er es denn unbedingt möchte. Denn eigentlich spiegelt Van Sant mit dieser Entscheidung nur die Realität wieder: Es gibt für so eine Gräueltat keine Erklärung, die das Geschehen auch nur annähernd und gar irgendwo nachvollziehbar begreifbar machen könnte. Plumpe "Ich probiers mal zu erklären"-Versuche währen hier regelrecht fatal gewesen.
Aus inszenatorischer Sicht muss man Van Sant zudem ebenfalls loben. Es ist spürbar, dass er für seinen Film nur ein äußerst bescheidenes Budget zur Verfügung hatte, doch dieses schöpft er völlig brauchbar aus. Die Kameraführung ist mitunter exzellent und die Wahl den Film nahezu komplett ohne Musik zu unterlegen, ist eine der besten Ideen, die er je hatte. Denn es gäbe eigentlich keine noch so gute Filmmusik, die zu dem Gezeigten passen würde. Einzig Beethovens "Für Elise" bildet einen genauso passenden wie unglaublich bitteren Unterton.
Das Gleiche gilt auch für die Darsteller. Bewusst setzte Van Sant auf Laien-Darsteller, die ihren Part aber allesamt so phantastisch spielen, dass sie so manchem "Schauspieler-Profi" überlegen sind. Keiner von ihnen lässt einen kalt, allesamt wirken sie immens glaubwürdig und man kann sich für sie nur wünschen, dass sie nach "Elephant" vielleicht auch zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal eine Chance im Filmgeschäft bekommen.
Fazit: Ein unglaublich packendes, regelrecht erschreckend glaubwürdig und emotional aufwühlendes Drama, das eigentlich niemanden kalt lassen dürfte. Mit viel Mut, realistischen Charakteren und einem größtenteils ruhigem-, dafür um so packenderem Szenario, stellt Van Sant eines der wohl erschreckendsten Ereignisse der letzten 10 Jahre gekonnt in Szene, welches in einer anderen Art und Weise wohl nie so emotional stark beim Zuschauer hätte ankommen können. Ohne verklärende Versuche das Massaker begreifbar zu machen, sondern einfach nur mit all dem Gräuel einer solchen Tat auf die Leinwand gebracht, hat Van Sant hier ein Werk geschaffen, dass man nur loben kann, auch wenn man immer voller Hoffnung bleiben sollte, das der Inhalt nie wieder in der Realität auftauchen wird. Leider werden wir davor aber wohl nicht verschont bleiben!
Wertung: 8,5+/10 Punkte