Einem Regisseur wie Ron Howard („Backdraft“, „A beautiful Mind“) hätte ich so einen düsteren, pessimistischen Western am wenigsten zugetraut. Für mich war der Mann bis dato einer der Inbegriffe des angepassten Mainstreamkinos. Howard hat sich in den Neunzigern zwar gewaltig gesteigert, aber leicht konsumierbare Kost ist es dennoch immer noch geblieben. „The Missing“ fällt da völlig aus seiner Linie.
Wir befinden uns in New Mexico im Jahr 1885 - eine unwirkliche, wenig einladende Gegend. Der Winter hält Einzug, die Landschaft ist karg und schneebedeckt. Unbequem soll es sein, wohin Howard uns entführt. Ausgerechnet hier auf einer Farm, fernab vom Schuss, lebt Maggie Gilkeson (Cate Blanchett, „Lord of the Rings“, „The Gift“) mit ihren beiden Töchtern Lily (Evan Rachel Wood, „Thirteen“) und Dot (Jenna Boyd, „The Hunted“), sowie Brake Baldwin (Aaron Eckhart, „Paycheck“, „The Core“).
Kein Anzeichen von glorreichen Westernmythen ist in Sicht, Howard zeigt die Kehrseiten dieses Lebens. Zu Essen ist kaum genug im Haus, ihren Job als Heiler vollbringt Maggie kühl und ohne Einfühlungsvermögen. Aber was soll man in dieser Welt auch fühlen? Ihre beiden Töchter sind die einzigen, die ihr etwas bedeuten. Die Ältere will raus aus dieser Einöde, die andere eifert ihrer Mutter nach. Sie sind von zwei verschiedenen Vätern und das merkt man ihren Naturen an. Obwohl Maggie Brake zumindest körperlich nicht abgeneigt ist, scheint diese so humorlose, ernste und strenge Frau viel durchgemacht zu haben. Ausgerechnet ihr Vater (Tommy Lee Jones, „The Hunted“, „Men in Black“) taucht nun dort auf, um wieder auszubügeln, was er in ihrer Kindheit versaubeutelt hat, als er sie und ihre Mutter verließ.
Das sind die Elemente eines Familiendramas. Sie verteufelt und verachtet ihn, ihre Blicke sind feurig. Er will nur helfen, ihr Geld geben und vielleicht jetzt das Leben führen, mit dem er einst abschloss. Wer jetzt an ein ewiges Drama auf einem isolierten Bauernhof denkt, wird schnell eines besseren belehrt, denn die angespannte Situation soll in einem Handgemenge enden. Samuel Jones (T. L. Jones) verlässt sie wieder mit Sack und Pack, doch nicht für lange. Als Lily von mit Frauen handelnden Indianern entführt wird, muss Maggie ihre Abscheu überwinden und ihren Vater um Hilfe bitten. Weder der Sheriff, noch die Kavallerie wollen oder können ihr helfen.
Die Suche nach ihrer Tochter hilft gleichzeitig die kaputte Beziehung zwischen Samuel und Maggie zu verstehen. Sie beginnt zu glauben, dass er sich wirklich verändert hat. Doch Samuel tut zunächst alles nur um seiner selbst Willen, um seinen Körper zu reinigen und den Worten eines Schamanen folgend. Das wichtigste Element ist dabei die unbelastete Tochter, die großartig mit der Situation klar kommt und hilft die beiden langsam wieder zu versöhnen.
Sehr konsequent geht Howard hier vor und beschönigt nichts. Die versklavende Apachen-Truppe metzelt sich durch sieben Farmen und auch wenn nur ein Halt von der Grausamkeit Zeugnis ablegt, kann man feststellen, dass es damals längst nicht wie in jedem zweiten John-Wayne-Film zuging. Selbst die Kavallerie (Val Kilmer mit Cameo) besteht hier nicht aus strahlenden Helden, sondern aus halblegal handelnden Männerhaufen.
Der Film behält bis zum Schluss sein gemäßigtes Erzähltempo bei, bleibt dabei aber nicht in kitschigen Dialogen hängen. Überhaupt ist „The Missing“ ein Musterbeispiel dafür, dass Schauspieler allein heute noch, trotz Trägheit des Plots, einen Film tragen können.
Cate Blanchett ist so etwas von verschlossen, störrisch und übel drauf, dass man ihr nicht über den Weg laufen will, während Tommy Lee Jones den innerlich verletzbaren, aber äußerlich sehr robusten und undurchschaubaren Halbindianer gibt. Beide spielen ungeheuer diszipliniert und vor allem Jones verfällt nicht in seine zynischen, trockenen Standard. Den Rest erledigt Jenna Boyd, die eine ungeheure Natürlichkeit an den Tag legt und, wenn das hier keine Eintagsfliege war, eine große Karriere vor sich hat.
Dennoch hat auch „The Missing“ deutliche Schwächen und die befinden sich im letzten Drittel. Der Film hätte einen besseren, finstereren, Eindruck hinterlassen, wenn der erfolgreiche Abschluss eben nicht schon eingeplant worden wäre. Sicher, das Publikum wäre bei einem negativen Ende Sturm gelaufen, aber diesem dreckigen, pessimistischen Abgesang hätte es besser zu Gesicht gestanden.
So flücht sich der Plot leider, mit den ewig misslingenden Rettungsversuchen Lilys die Geduld strapazierend, in ein paar Schießereien, die zwar recht realistisch und mit einer hohen Fehlschussquote ausgestattet sind, dem Film aber ein wenig die Stimmung nehmen. Bis dato hatte es Howard gar nicht nötig auf Action zu setzen. Er verpasst leider zweimal, ähnlich wie Spielberg mit „Minority Report“, den Film abzuschließen und lässt ihn dann in einer nächtlichen Schießerei, bei der Jones dann endlich Erlösung erlangt, enden.
„The Missing“ lief gegen Costners „Open Range“ und verlor am Boxoffice klar. Mir selbst gefällt das Costner-Vehikel besser, obwohl man die Filme kaum vergleichen kann. Während Costner einen Abgesang auf das Cowboytum erzählt, zeigt Howard die bittere Kehrseite des „Wilden Westens“. Leider begeht er bei all seiner Schonungslosigkeit (Tiere ausweiden, Wunden in Großaufnahme nähen, so dass es ziept) einen großen Fehler. Der indianische Hexer ist so was von überzeichnet, dass er der nächstbesten Horrormär entsprungen sein könnte. Ist die Spielerei mit den Giften noch ganz nett, so ist sein zernarbtes Gesicht, die schiefen Zähne und sein späterer Hokuspokus zu viel des Guten. Hier hätte zumindest ich mir etwas mehr Realismus gewünscht.
Fazit:
Ungemütlicher, atmosphärischer Spätwestern, in dem nichts verleugnet und schon gar nicht beschönigt wird. Die nicht sonderlich einladenden Landschaften, die großartigen Schauspieler und der nicht alltäglich im Genre auffindbare Plot sorgen für ein ungewöhnliches Filmerlebnis. Schade nur, dass die Reise im letzten Drittel nicht zum Ende kommt und die übersinnlichen Fähigkeiten dem Film einen Teil seiner Glaubwürdigkeit nehmen. Für einen Howard dennoch sehr beeindruckend.