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Der entwischte Fisch ist immer der größte (japanisches Sprichwort)

Ob "Batman", "Sleepy Hollow" oder "Edward mit den Scherenhänden" - Fantasie spielte bei Tim Burton schon immer eine große Rolle. Mit seinem neuesten Film "Big Fish" bannte er seine Version des gleichnamigen Romans von Daniel Wallace auf die Leinwand. Das vollendete Werk ist wieder ein sehr fantasievoller Film - wenn nicht sogar Burtons schönster.

Welchen Stellenwert haben Märchen und märchenhafte Geschichten heutzutage? Vom Aussterben bedroht sind sie sicher noch nicht, aber gewiss schenkt man ihnen nicht mehr soviel Bedeutung wie noch zu vergangenen Zeiten. Edward Bloom ist Geschichtenerzähler, sein Herz lebt für fabulöse Erzählungen. Am liebsten erzählt er aus seinem Leben, er erzählt von seinen Begegnungen mit Fabelwesen und seinen Aufenthalten an wunderschönen Orten. Diese sagenumwobenen Geschichten erzählt er auch seinem Sohn Will - selbst als dieser schon zu einem erwachsenen Mann herangereift ist. Edward ist nun ebenfalls sichtlich gealtert und nicht mehr der Jüngling aus seinen Erzählungen. Er ist körperlich schwach, denn der Krebs hat gewonnen - der Tod klopft bereits an seine Pforte.

Es ist schade, dass in diesen letzten Tagen des Edward Bloom solch eine Eiszeit zwischen ihm und seinem Sohn herrscht. Der Grund sind Edwards Geschichten. Will kann sie nicht mehr hören, er hat sie sein ganzes Leben lang gehört, kann sie alle auswendig; was er hören möchte, sind endlich einmal Wahrheiten aus dem Munde seines Vaters. Dieser Konflikt nun bildet den Handlungsrahmen. Es ist die Wirklichkeit, von der aus wir immer wieder episodenhaft in eine märchenhaft anmutende Welt eintauchen. Denn auch wir sollen die fantasievollen Geschichten über das Leben des Edward Bloom kennen lernen. In diesen Ausflügen - im Off durch immer wieder wechselnde Erzähler begleitet - gelten nicht die Gesetze der Realität. Sein abenteuerliches Leben führt uns unter anderem zu einem liebenswerten Riesen, zu einem drolligen Zirkusdirektor mit einem kleinen Geheimnis, zu singenden siamesischen Zwillingen oder zu einer bizarren Hexe. Ein Blick in ihr Glasauge offenbart einem den Zeitpunkt und die Umstände seines Todes; auch Edward sieht hinein und erfährt, wann er sterben wird.

Es verschlägt Edward allerdings auch an außergewöhnliche Orte. Nach einem Ritt durch einen düsteren Wald mit springenden Spinnen trifft er auf ein idyllisches Fleckchen. Vor ihm offenbart sich eine paradiesisch wirkende, kleine Stadt. Asphalt gibt es dort nicht, nur einen Rasenteppich, der den Bewohnern ein barfüßiges Leben ermöglicht. Wunderschöne Szenen, wie beispielsweise einen im Schaukelstuhl auf und ab wippenden Steve Buscemi, gibt es in "Big Fish" aber zuhauf. Tim Burton wächst hier nämlich über sich hinaus. Er malt traumhafte, detailreiche Bilder von atemberaubenden Landschaften, führt kleine Schattenspiele, arbeitet mal mit Spiegelungen oder friert einen Moment ganz ein, ehe er die Abläufe zeitraffend beschleunigt. Grandios ist die Sequenz im gelben Meer aus Narzissen. Die Kameraarbeit von Phillippe Rousselot ist so hervorragend, die musikalische Untermalung durch Danny Elfman so emotional und die Regie von Tim Burton so virtuos, dass "Big Fish" einfach eine einmalige Faszination ausstrahlt - federleicht, fast schon surreal, zauberhaft und alles unheimlich intensiv.

Eine Würdigung gebührt natürlich auch dem darstellenden Ensemble. Die durchs Skript hervorragend ausgearbeiteten Charaktere liefern den Grundstein für rundum erhabene Leistungen. Ewan McGregor spielt den jungen, in den Geschichten beheimateten Edward Bloom äußerst energisch und vor Lebenskraft überquellend. Den alten, an sein Lebensende gekommenen Edward verkörpert Albert Finney unglaublich menschlich - weise, sichtlich erschöpft, aber dennoch stets optimistisch. Auch erstklassig und teilweise sehr herzergreifend gespielt sind die Nebenrollen von Matthew McGrory als Riese Karl, Billy Crudup als Edwards Sohn, Jessica Lange als ältere und Alison Lohman als junge Sandra Bloom. Knackige Bonbons sind dann noch Steve Buscemi in der Rolle eines skurrilen Dichters und Danny DeVito mit der Darbietung des charismatischen Zirkusdirektors.

Neben den Darstellern und dem prächtigen Rausch für die Sinne steht aber immer noch der überraschend vielschichtige und tiefgehende Inhalt ganz oben. In "Big Fish" wirkt Tim Burton gereift, er kombiniert Humor, Gefühle, Dramatik und eine märchenhafte Atmosphäre mit Poesie, Anekdoten und philosophischen Weisheiten über das Leben. Alles wirkt so ungezwungen. Die Grenzen zwischen Realität und Märchen verschwimmen am Ende miteinander. Darin liegt die große Stärke, dass beide Welten eben nicht steril voneinander getrennt sind, und letztendlich in dieser Grenzverwischung auch der Aufruf, nicht immer alles durch die rational-konservative Brille zu sehen.

"Big Fish - Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht" ist ein großartiger Film über blühende Fantasie und ungebrochenen Optimismus, ein Film über das Leben, aber auch über das Sterben. Eine bestimmte Zielgruppe wird gar nicht einmal angesprochen; nur die Offenherzigkeit für nicht immer realitätsgetreue Bilder sollte man mitbringen. Und wenn der Abspann dann über die Leinwand gerollt ist, hat man einen Film gesehen, der so schön ist, dass es einem schwer fällt, sich von seinem Sitz zu erheben, das Kino zu verlassen und der Tatsache ins Auge zu sehen, dass man nun wieder in der Realität angekommen ist - vielleicht aber steckt dort ja doch viel mehr Zauber, als man eigentlich glaubt...

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