Tim Burton war schon immer ein begnadeter Visualist, seine grotesk-märchenhaften Filme („Sleepy Hollow“, „Nightmare before Christmas“, „Edward mit den Scherenhänden“...) sind alleine durch ihre Optik ein Erlebnis. Nach einem kurzen Abstecher in den Kommerz („Planet der Affen“) ist „Big Fish“ erneut ein echtes Burton-Original, wie es so kein anderer Regisseur hinbekommen hätte.
Eine einfache Vater-Sohn-Krise wertet Burton durch eine komplex erzählte Story und optische Spielereien derart auf, dass es eine wahre Freude ist. In Rückblenden wird das Leben Edward Blooms aufgerollt, der in der Gegenwart sterbenskrank ist und angeknackste Beziehung zu seinem Sohn hat, weil der mäkelt, sein Vater habe immer nur Lügen erzählt. Lügen, die man schon bald mit eigenen Augen sieht und man sich nur darüber wundern kann, wie viel Einfallsreichtum ein Mann wie Burton besitzt. Anders als in seinen bisherigen Fantasyfilmen ist die Welt in „Big Fish“ eine knallbunte Wundertüte, von Abstechern in einen Wald und in ein Hexenhaus mal abgesehen. Burton nimmt uns auf eine fröhlich-beschwingte Achterbahnfahrt mit, die auch erzählerisch nie ihre Harmonie verliert. Wo man in der einen Szene noch über die märchenhafte Welt staunt, holt Burton einen immer wieder rechtzeitig in die Realität zurück, um das eigentliche Thema der Vater-Sohn-Beziehung wieder in den Vordergrund zu stellen.
„Du hast dein ganzes Leben lang nur gelogen!“, wirft Will Bloom (Billy Cudrup) seinem Vater vor. Burton will uns begreifbar machen, dass es darauf gar nicht ankommt. Als Will seinem Vater am Sterbebett erzählt, wie sich sein Tod abspielen wird, ist endgültig klar, dass ausgeschmückte Geschichten das Leben lebenswerter machen. Wer jeden Tag in die trostlose Realität hineinlebt, der verpasst etwas. Burton leistet hier als Geschichtenerzähler Großes, von Anfang an ist man mitgerissen von diesem Edward Bloom und am Ende gibt es dann noch die Botschaft mit auf den Weg. Leider ist der Schluss nicht ganz glücklich gewählt. Nach der wunderschönen Fantasiesequenz am See hätte spätestens Schluss sein müssen, stattdessen entkräftet Burton seine eigens entworfenen Mythen, indem er die Figuren an der Beerdigung in der Realität teilhaben lässt. Zwar ist so ein Happy-End im Gesamtkontext nur logisch, da alles andere den fröhlichen Gesamteindruck gestört hätte, doch eine gewisse Portion Kitsch lässt sich nicht absprechen.
An der optischen Umsetzung gibt es dagegen keinen einzigen Punkt zu bemäkeln. „Big Fish“ ist visuell das, was z.B. „Hinter dem Horizont“ sein wollte: Ein berauschender Trip für die Augen, meistens knallig, selten düster und nie so hektisch, dass man sich über eine Reizüberflutung beschweren könnte. Mit Sicherheit werden einige Setdesigns in die Filmgeschichte eingehen, man denke nur an das Meer von gelben Narzissen oder den Augenblick, in dem Bloom seine Traumfrau trifft und die Zeit still steht. Natürlich bekommt Bloom später seine Sandra, wie ihm überhaupt alles zu gelingen scheint, was er anpackt. Edward scheint jederzeit Herr der Lage zu sein, was ihn zwar zu einem echt sympathischen Strahlemann macht, aber auch wie eine Fantasiefigur wirken lässt. Die Identifikation mit ihm fällt dadurch schwer, man hält doch viel mehr Abstand zu ihm als beispielsweise zu Hanks in „Forrest Gump“.
„Big Fish“ ist dennoch ein Musterbeispiel dafür, wie man unzählige Einfälle gebührend in einen Film packen kann, ohne das Publikum zu überfordern, wie man ohne großartige Konfliktherde eine Story dennoch mitreißend erzählen und sogar ein ernstes Thema wie den Krieg spielerisch behandeln kann, ohne verharmlosend zu sein. In der Welt von Edward Bloom scheint einfach alles zu harmonisieren und ohne Gewalt zu klappen. Ein ungewöhnlicher Film, bei dem lediglich das Ende und die unantastbare Hauptperson etwas Anlass zur Kritik geben. Für jung und alt gleichermaßen ein Vergnügen, zauberhafte Unterhaltung!