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Unter all den durchgestylten Filmen, die heute als typisch 80er Jahre (und nicht selten als leicht geschmacklos oder zumindest dergleichen neutral gelten), sticht „Cobra“ alias „Die City Cobra“ wohl heraus, denn es handelt sich um das fast perfekte Produkt einer „style over substance“-Mode – ein Film so optisch perfekt wie inhaltlich leer, so thematisch zweifelhaft wie funktionell, so simplifiziert wie abstoßend.

Im Wesentlichen ist „Cobra“ die Neandertal-Version des Cop-Films und, wenn man ein bißchen genauer hinsieht, eine Art Remake von Eastwoods „Dirty Harry“ für die 80er: der ultraharte „Loner“ von einem Cop, der nur seinen eigenen Gesetzen folgt (aktiv) und nur theoretisch dem Gesetzbuch verpflichtet ist (passiv). Cobretti ist die filmgewordene Physis, es ist fast unerträglich, ihn bei der Ermittlungsarbeit an einem Computer und mit Akten zu sehen, er symbolisiert den sonst bedürfnislosen Finger am Abzug, wie auch seine „Tagline“ beweist: „Du bist die Krankheit – ich bin die Medizin!“
Gegen einen übermächtigen, weil vielköpfigen Gegner, der schlecht auszurechnen ist, weil das einzige halbgare Motiv das Morden selbst ist, um eine neue Gesellschaftsordnung herbeizuführen (näheres dazu erfährt man NICHT!), hilft eben nur Gegengewalt, Hand- und Gesetzbücher sind da nur im Weg.

Prompt findet Cobretti dann in den eigenen Reihen auch nur einen verläßlichen Partner und sonst verbissene Akzeptanz (oder verschwiegene) oder dauerhaften Gegenwind, ob seiner nihilistischen Vorgehensweise, obwohl niemand sonst eine Idee zur Lösung beisteuern kann. Am Ende erledigt er die Drei-Dutzend-Schaft an Killern im Alleingang, was niemanden überraschen sollte.

So simpel wie dieses Rezept schon in Hunderten anderer Action-B-Filmen funktioniert hat, so pervertiert kommt es hier beim Zuschauer an. „Cobra“ ist ein hochglanzpoliertes Stück Film, Schönheit in Form eines längeren (der Film kommt mühsam auf 82 Minuten) Videoclips, das sich so viele Panoramamomente gönnt, weil es sich nicht mit Plot aufhält.
„Rambo 2“-Regisseur Cosmatos schüttet hier die gesamte Palette der 80er über der Leinwand aus: Motorradfahrten gegen einen knallrot-leuchtenden Sonnenuntergang; Cobretti fährt unerklärterweise einen Custom 1950 Mercury wie aus einem Dick-Tracy-Cartoon; in der schwarzen Nacht kommt der Dreck der Straße aus seinen Löchern und in von nebligen Lichtstrahlen durchdrungenen Lagerhallen schlagen die Killer wild ihre Äxte zusammen, als ginge es um das neueste Duran-Duran-Video – zweifelt noch jemand, das der Schlußfight in einer leeren, aber höchst aktiven Gießerei mit allerlei blubbernd-brennendem Erz abläuft?

Praktisch alles hier ist ein Klischee: Stallones beständiges Kauen auf einem Streichholz, die affige Top-Gun-Sonnenbrille, die Motzereien in den muffigen, engen Polizeirevieren; sein mexikanischer Partner mit dem Süßigkeitentrick; der monströse Killer mit dem animalisch-martialischen Verhalten und der grollenden Stimme (Brian Thompson, der später vorzugsweise den Alienkopfgeldjäger in „Akte X“ spielte, ist nicht nur ein gern gesehener Action- und Horrordarsteller, sondern erinnert physisch auch ein wenig an eine Jungvariante von Schwarzeneggers Terminator), in einer Szene holt sich Stallone sogar einen alten Pizzakarton aus dem Kühlschrank, in dem nur ein Stück enthalten ist – der Asket unter den Verbrechensjägern schneidet davon dann auch nur ein winziges Stück ab.

Dazu paßt, daß er die vermutlich größte „Damsel in Distress“ beschützen muß, die Hollywood je hatte, die baumlange Brigitte Nielsen, die von ihrem Damals-Gspusi Stallone hier ein Star-Verhikelchen bekam, als baumlanges Model, das im Fotoshooting mit platinblondem Kurzhaarputz an „Rocky 4“ erinnert und sonst mit dunkelblonden Ringellöckchen mehr als albern aussieht – ein Kunstgeschöpf, dem wir die Sympathie zu Stallone so wenig abnehmen, wie die hölzernen „menschlichen“ Dialoge in allen Gelenken knarzen.

„Cobra“ ist nicht nur hohl und leer (der Film besteht eigentlich nur aus einer Abfolge von Verfolgungsjagden ab Minute 30, unterbrochen nur von Anfeindungen der Vorgesetzten), er ist auch extremst dumm, denn jeder Polizist unabhängig vom Protagonisten (plus Partner) ist schlicht unfähig gezeichnet. Offensichtliche Dinge und Beweise werden ständig kommentarlos angezweifelt und in Frage gestellt, ordentliche Theorien vom Tisch gewischt und eigentlich herrscht ein ständiges Klima der persönlichen Antipathie, die mit Inkompetenz kaum noch zu erfassen ist.
Kaum zu glauben, daß sich tatsächlich zwei „Dirty Harry“-Veteranen wie Reni Santoni (damals Eastwoods Partner) und Andrew Robinson (interessant: der verrückte Killer aus „Harry“ spielt hier das perfekteste Arschloch von einem Polizisten, das es je gegeben hat und beweist somit noch mehr Killerpotential als die Mörderbande selbst) in diesem Film ein Domizil fanden.

Wie sehr auf bloße Funktion gesetzt wurde, sieht man auch an den Gegnern: fast fünfzig gesichtslose Schlächter, die die Welt umstürzen wollen, aber stattdessen am Anfang im Supermarkt Geiseln nehmen, anstatt ein Blutbad zu veranstalten und sich sonst an armen Hausfrauen auslassen, die gerade im Parkhaus ihr Auto entern wollen.
Wo kein Motiv vorhanden, kann man getrost mit vollem Magazin draufhalten – und dann erlaubt sich der Film schlußendlich doch noch die größte Schwäche, indem er das Dilemma aus Eastwoods Film wiederholt: der Killer in Bedrängnis, der dem Polizisten triumphierend entgegen grollt, daß dieser ihn ja verhaften müßte, weil er Bulle sei. Prompt kündigt Stallone mit kernigen Onelinern die perfekte Selbstjustiz an und labert damit so lange, bis eine weitere Gegnerin ihm auf den Rücken springt und es mit dem Killer wieder in einen richtigen Fight gehen kann, der eine regelrechte Hinrichtung (an Fleischerhaken in den Verbrennungsofen) legitimiert.
Nicht nur inkonsequent, sondern auch noch feige.

Mit einem Hauch von Plot, etwas Selbstironie oder überhaupt Humor oder wenigstens etwas kontroverser Motivation, hätte der Look wirklich für einen Klassiker gereicht – heute feiern Actionfans diese stylische Abscheulichkeit als unterhaltsamen Actionfilm, was auch funktioniert, wenn man das Töten in der Masse fetischisiert (übrigens gibt es in dem Film relativ wenig Blut, weder die Morde am Anfang werden gezeigt, noch die Opfer und die meisten Gegner ballert man blutfrei von Motorrädern).
Als Zeitdokument ist der Film nun wirklich eine Kuriosität, ansonsten ist er (leider) ein Möchtegerndreck aus einer selbstverliebten Phase eines damals erfolgreichen Darstellers. (2/10)

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