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Auf dem Zenit seines Erfolges angekommen und als Erfolgsgarant deklariert, erhielt Sylvester Stallone von Warner einen Blankoscheck, den er sogleich für „Cobra“ einlöste.
Sly war im Vorfeld eigentlich für „Beverly Hills Cop“ vorgesehen und schrieb das Drehbuch auf seinen Action-Typus um, musste dann aber die Entscheidung des Studios akzeptieren, eine komödiantische Richtung vorzuziehen und letztlich Quasselstrippe Eddie Murphy in der Hauptrolle zu besetzen. Um ihn nicht zu verärgern, bot man ihm gleichzeitig ein Wunschprojekt an, aus dem dann „Cobra“ wurde. Stallones selbst geschriebenes Drehbuch basiert angeblich auf seinem „Beverly Hills Cop“ - Entwurf.
Der in Kooperation mit Cannon, wieder einmal vertreten durch Menahem Golan und Yoram Globus, die Sly bei den Dreharbeiten wohl auch gleich den Vertrag für „Over the Top“ unterschoben, produzierte Actionknaller musste wegen seiner Brutalität noch vor seiner Veröffentlichung einige Frames im Schneideraum lassen, um sein lukratives R-Rating zu erhalten, was vor allem im Finale deutlich wird, ist dennoch in seinen kompakten 80 Minuten ein hervorragender Stellvertreter für die ganze Dekade mit all ihren Stärken und Schwächen.

Denn Regisseur George P. Cosmatos („Rambo: First Blood Part II”, „Tombstone”) inszeniert Marion Cobretti alias „Cobra“ als einen, grob umrissen, comichaft überzogenen Großstadtcop jener Zeit. Seine dunkle Sonnenbrille nimmt er selten ab, lässig hängt ihm ein Streichholz im Mundwinkel, die Jeans sind ihm typisch für die Achtziger hauteng angepasst, ständig trägt er schwarze Lederhandschuhe und einen langen Mantel dazu. Die überbordende Selbstjustiz jenseits von Gut und Böse, die er auch vor der Presse vertritt, grenzt nah an der Parodie, sein Gefährt ist ein 1950er Mercury mit Nitro-Bust und seinen Kollegen ist er aufgrund seiner ruppigen Methoden auch ein Dorn im Auge. Cobra ist der die kultigsten Oneliner („You're the disease, and I'm the cure.“ / „This is where the law stops and I start“) aufsagende Cop, der sich nicht um Gesetze und Vorschriften kümmert, beziehungsweise sie sich selbst strickt und dann geholt wird, wenn Verhandlungen sinnlos erscheinen.

Mit dieser unangreifbaren larger than life Macho-Figur, die von Kollegen kritisiert, aber gebilligt wird, mag sich gewiss nicht jeder Zuschauer anfreunden können, weswegen „Cobra“ sich eigentlich auch einzig und allein an die Action-Junkies der Achtziger richtet, denn politisch-moralisch unkorrekter geht es kaum noch und der Plot hält darüber hinaus nicht so schrecklich viele gute Ideen parat.

Dafür handelt man ihn schnurgerade ab, was entweder ein Verdienst von Stallone oder Cosmatos ist, die eventuell ein paar das Geschehen ausbremsende Szenen entfernt haben könnten, denn ein paar Plotholes sind in dieser Geschichte offensichtlich. Die Ermittlungen, die sich auf einen einzelnen Serienmörder ausrichten, während Cobra längst den Braten gerochen hat, aber mit seiner These von einer ganzen Gruppe psychopathischer Schlitzer nur auf taube Ohren stößt, sind wirklich nur ein Zugeständnis, um wenigstens etwas Handlung zu präsentieren.
Cobras Jagd auf eine geheimnisvolle Sekte hingegen, die während des Films in einer düsteren Lagerhalle immer wieder in kurzen Szenen exstatisch ihre Äxte aneinander kloppt, frei nach der Evolutionstheorie die Schwachen ausradieren möchte und sich nachts durch die Leiber unvorsichtiger, sich allein in der Großstadt bewegender Frauen schlitzt, gilt das Hauptaugenmerk.
Ihr Anführer, nur Night Stalker genannt und von der bulligen Hackfresse Brian Thompson („Mortal Kombat: Annihilation“, „The Order“) verkörpert, ist zudem ein ganz rabiates Exemplar, dem Cobra dann auch im Finale gegenüber stehen soll.

Der Film setzt sich nach ein paar atmosphärischen Mitternachtsslashs, festgehalten in feinster Großstadt-Schmuddeloptik, aus Cobras Maßnahmen zusammen, die Augenzeugin Ingrid (Stallones damalige Frau Brigitte Nielsen, „Red Sonja“, „Beverly Hills Cop II“), ein Model, zu beschützen und die fanatischen Mörder aus der Reserve zu locken. Zusammen mit seinem obligatorischen, schnoddrigen, identisch eingestellten Partner Gonzales (Reni Santoni) flüchtet er mit ihr nach zwei misslungenen Anschlägen auf Ingrids Leben (das Kapitel im Krankenhaus hat schon Slasher-Qualitäten der Marke „Halloween“) aufs Land hinaus, um dort ohne Verstärkung schließlich gegen die Armada anzutreten.

Cosmatos kombiniert nach dem etwas behäbigen ersten Drittel Spannungsmomente (der Angriff auf Ingrid in der Tiefgarage) mit reichhaltigen, spektakulären Actioneinlagen von gewohnter Qualität mit over the top Verfolgungsjagden, explodierenden, sich überschlagenden Fahrzeugen und durchlöcherten Karosserien, lässt beide Seiten mit diversen Kalibern hantieren und präsentiert bis hin zu blutigen Shootouts einen kernigen, ernst gemeinten Actionfilm.
Das Finale nimmt bereits recht früh seinen Anfang und konfrontiert Cobra nebst Ingrid, zwischen denen es natürlich zu funken beginnt, und Gonzales mit einer zahlenmäßig weit überlegenen Motorrad-Gang, bevor es dann zum Showdown in einem Industriekomplex kommt.

Einen Teil des dicken Nostalgie-Bonus, den der Film bei mir innehat, macht neben seiner Naivität natürlich auch die zeitgemäße Musikuntermalung aus. „Feel the Heat“ von Jean Beauvoir und “Angel of the City” von Robert Tepper sind die beiden prägendsten Tracks, während die zahlenmäßig sich an der Grenze des Möglichen bewegenden Klischees seinerzeit unumstößliche Standards des Genres waren und eigentlich erst in den Neunzigern rückwärtig betrachtend zu Klischees wurden.

Das Fehlen jedweder Charakterprofile, ein Zugeständnis an die kurzweilige Minimallaufzeit, trübt den Filmspaß letztlich nur unwesentlich, auch wenn vor allem die sichtbar trotz ihres Stereotyps überforderte Brigitte Nielsen in ihrer love interest – Rolle seltsam blass bleibt (Bekam ohnehin nur die Rolle, weil Sly freie Hand hatte) und Gonzales als Partner eigentlich ein paar Szenen mehr haben müsste, auch wenn das ein Stallone-Vehikel ist und der sich in seiner Paraderolle mal wieder so richtig wohl fühlt.


Fazit:
Knochentrockener, ernst gemeinter, ungemein reaktionärer Actionthriller mit einem ultracoolen, zynische Oneliner um sich werfenden, Stallone inklusive „Dirty Harry“ - Attitüden in Bestform. Mit dem naiven Charme der Achtziger ausgestattet, hat „Cobra“ zwar ohnehin einen Stein bei mir im Brett, verfügt darüber hinaus aber auch noch über eine Sammlung höchst zitatwürdiger Einzeiler, erstklassigen Actioneinlagen und, trotz der einfältigen Handlung, genügend Spannung, um regelmäßig den Weg in meinen DVD-Player zu finden.

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