Review

Ein Rattenloch voller Wärme

"Die Klapperschlange" habe ich verfolgt von der VHS bis zur aktuellen 4K-BR aus England, doch würde ich behaupten, dass er mir am Herz liegt wie ein "The Thing" oder sogar "The Fog", dann wäre das eine Lüge. Jeder hat eben im grandiosen Oeuvre des Meisters seine Favoriten. Doch nicht nur die Tatsache, dass ich ihn über die Jahrzehnte und alle Formate verfolgt habe, sagt genug aus über meinen Respekt für diesen apokalyptischen Meilenstein und wie sehr ich ihn schätze. Seine atmosphärischen und zeitgeistigen Qualitäten sind unumstritten und sein Protagonist hat scheinbar Eier aus Stahl, ist schon nach wenigen Sekunden Legende. Es hat halt nur nie gefunkt zwischen uns. Dafür bleibt Plisskens Rettungsaktion vielleicht zu action- und spannungsarm, zumindest gemessen an der epischen Ausgangslage...

Die Handlung könnte simpler kaum sein und ist nahezu konträr zum einsilbigen, unfassbar starken Worldbuilding zu Beginn. Ein Mann, ein Auftrag, eine Welt am Abgrund. Snake Plissken muss den abgestürzten Präsidenten aus Manhattan holen, welches die westliche Welt kurzer Hand in das größte "Gefängnis" aller Zeiten verwandelt hat... Die Welt steht Kopf. Daran lässt dieses nächtliche Abenteuer keinen Zweifel. Die Welt da draußen scheint kalt, die Welt da drinnen hat gefühlt mehr Zukunft. Der Held ist ein Arsch, doch verübeln will ihm das keiner. Ganz im Gegenteil, jeder fühlt so. Der Präsident ist wichtig, doch im Grunde ein egoistisches Fähnchen im Wind. Die Nacht ist lang und schattig, aber keineswegs hoffnungslos und beängstigend. So könnte man stundenlang weiter machen. Eine kindliche Faszination und Abenteuerlust, Naivität und Reinheit durchzieht den mit scheinbarem Abschaum gefüllten Big Apple. Ein Apfel, in dem man ganz klar lieber Wurm als Mensch wäre. Und der augenzwinkernde Leckt-mich-am-Arsch-Paukenschlag am Ende ist eh perfekt. Genauso wie einer der besten Soundtracks, den Carpenter je erschaffen hat. Ein beeindruckendes Gesamtpaket. Einer der stärksten Außenseiterfilme, die je die Dunkelheit der Welt erblickt haben.

Fazit: nicht mein liebster Carpenter, aber unheimlich ikonisch, wichtig, zynisch, düster und vorbildlich. Ohne ihn gäbe es den Endzeitfilm kaum oder gar nicht. Snake ist der vielleicht coolste Antiheld seines Jahrzehnts und die straighte Story unterhält immer wieder. Rockt!

P.S.: Und bitte nicht die gemein unterschätzte Fortsetzung ausser Acht lassen, die lohnt sich nämlich ebenso. Wenn auch äußerlich aus anderen Gründen, jedoch mit dem selben Kern. Ein Doppelslot mit Wumms!

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