Düsteres Utopia
Im Jahre 1997 wird aus New York eine Gefängnisinsel geworden sein, auf der sich deportierte Strafgefangene frei bewegen können. Dort haben sie sich zu Banden zusammengeschlossen und leben ein anarchisches Leben. So hat sich eine Subkultur gebildet mit eigenen Bräuchen und Regeln. Wie die Geschichte beweist, hat sich die Vision von Regisseur John Carpenter zum Glück nicht bewahrheitet, denn er zeichnet in „Die Klapperschlange“ ein äußerst düsteres Utopia. In diesen gefährlichen wie trostlosen Dschungel stürzt der Präsident der Vereinigten Staaten (Donald Pleasance) mit einer Rettungskapsel ab und es gibt nur einen Mann, der in der Lage wäre, ihn daraus wieder zu befreien: Snake Plissken.
Draufgänger in der Popkultur
John Carpenter hat es geschafft, mit der Figur des Snake Plissken einen Beitrag zur Populärkultur zu leisten, denn nach dem Erfolg von „Die Klapperschlange“ war Snake Plissken der Archetyp des zynischen Helden. Dabei unternahm Carpenter einen absoluten Glücksgriff in der Besetzung, denn Kurt Russell ist einfach Snake Plissken. Dies zu erkennen, muß Carpenter hoch angerechnet werden. Schließlich kannte man Russell zu diesem Zeitpunkt vor allem als Kinderstar aus Disneyproduktionen der 60’er und 70’er Jahren und aus dem TV-Film „Elvis“ in dem Carpenter zum ersten Mal mit Russell gearbeitet hatte. Aus den beiden wurde über die Jahre hinweg ein eingeschweißtes Team, das es mittlerweile auf fünf gemeinsame Filme bringt. Bei der Gestaltung des Snake Plissken orientierte sich Carpenter vor allem an Westernhelden und so wirkt die Figur auch wie eine abgerissene und abgefuckte Zukunftsversion von John Wayne. Plissken ist selbst ein Verbecher und zudem ein Söldner, der keine Emotionen zulässt, doch Russells außerordentliche Darstellung dieser Figur macht sie dennoch zum Helden und zur Identifikationsfigur des Films.
Starke Besetzung
Neben dem erwähnten Kurt Russell glänzt in „Die Klapperschlange“ ein hochkarätige Besetzung. Donald Pleasance, dessen Erfolg in Carpenters „Halloween“ sich mehr als Fluch denn als Segen entpuppt hatte, liefert wie fast immer eine erstklassige Performance ab. Western-Ikone Lee van Cleef gibt sich als Polzeichef Bob Hauk ebenso rauh, wie Russell als Plissken. Aus der insgesamt sehr guten Besetzung ist Ernest Borgnine hervorzuheben, den Carpenter unbedingt an Bord haben wollte und ihm daher extra die Rolle des Taxifahrers Cabbie ins Drehbuch schrieb.
Ein Kriechtier als Karrierehöhepunkt
„Die Klapperschlange“ bildet den Abschluß und den Höhepunkt von Carpenters wohl erfolgreichster und produktivster Schaffensphase. Begann der Regisseur mit kleinen, aber ungemein effektiven Low Budget-Filmen, wie „Assault – Anschlag bei Nacht“ und „Halloween“, deren Erfolge Carpenter erst den Status gaben, ein Projekt, wie „Die Klapperschlange“ überhaupt stemmen zu können, folgten danach Mainstreamproduktionen, mit denen der Regisseur meist nicht den erwünschten Erfolg hatte. Der direkt folgende „The Thing“ bekam aufgrund der drastischen Effekte schlechte Kritiken und floppte.
Carpenter, der es schon immer verstanden hatte, ein Budget sehr effektiv einzusetzen, beeindruckt in „Die Klapperschlange“ mit einem heruntergekommenen New York als Setting für die Abenteuer des Snake Plissken. Dabei erschafft er enorm düstere und beklemmende Bilder. Carpenter drehte wohl einen der düstersten Filme aller Zeiten, denn tatsächlich bekommt der Zuschauer nur wenig Sonnenlicht zu sehen. Stattdessen regieren Schatten, in denen sich beinahe immer etwas bedrohlich bewegt. Die einmalige Atmosphäre, die der Film erzeugen kann, wird durch den hochkarätigen Soundtrack verstärkt, der wieder von Carpenter selbst kommt. Wenn es einen „Hitkomponisten“ in Sachen Soundtracks geben sollte, dann muß Carpenter dabei genannt werden, denn seine besten Scores („Halloween“, „The Fog“, „Assault“ und eben „Die Klapperschlange“) haben einen enormen Wiedererkennungswert und tragen maßgeblich zur Qualität seiner Filme bei.
„Die Klapperschlange“ ist von vorne bis hinten gelungen und gilt für viele zu Recht als das Opus Magnum von Carpenter. Ein visionärer Regisseur liefert auf der Höhe seines Schaffens einen ungemein spannenden, zynischen und unterkühlten Film ab mit einer bis dato einzigartigen Atmosphäre. Bezeichnderweise konnte der Film zunächst in Europa große Erfolge feiern, da den Amerikanern die Handlung wohl zu düster und bedrohlich war. Nichtsdestotrotz hat Carpenter mit „Die Klapperschlange“ einen echten Genre- und Filmklassiker geschaffen.
Fazit:
10/10
Originalreview unter:
Kinetoskop.de