Review

Würde hier jetzt nicht das übergroße Vorbild in Form der überzeugenden „X-Men“ – Trilogie deutlich Pate stehen, könnte sich „Momentum“ glatt als Geheimtipp feiern lassen. So ist er nur eine uneigenständige Alternative für den Konsumenten bessere DTV-Kost, die sich seine Ideen vor allem vom zweiten Teil ausleiht.
Nun heißt der Regisseur dafür aber James Seale, den ich gern mal mit größeren Budgets arbeiten sehen würde. Nach Karrierestartschwierigkeiten wie „Scorcher“ überzeugt er hier mit einer sehr professionellen Regie, die dem Film trotz fehlender Innovationen eine Eigenständigkeit verschafft, die letztlich auch dazu führte, dass er es schaffte danach ein Budget für seinen tollen Independent-Thriller „Throttle“ aufzubringen, den ich dann wirklich als Geheimtipp klassifizieren würde.

Man mag es dabei kaum glauben, dass diese auch mit deutschen Geldern finanzierte Science Fiction tatsächlich aus dem Hause Cinetel Films stammt, die abseits von John Terleskys „Chain of Command“ eher durchschnittliche Ware auf den Videomarkt werfen und darüber hinaus so einiges auf dem Kerbholz („The Pandora Project“, „Komodo vs. Cobra“) haben. Nach wie vor unverständlich, warum das Studio sich so selten dazu entscheidet richtige Qualität abzuliefern, anstatt mit unspektakulären Produktionen in den Videotheken zu versumpfen. Sei es drum...

Die Hauptrolle in „Momentum“ übernimmt „Throttle“ – Hauptdarsteller Grayson McCouch auf für meinen Geschmack etwas zu introvertierte Weise. Als Uniprofessor Zachary Shefford verfügt er über außergewöhnlich starke telekinetische Fähigkeiten, die ihn sein Leben lang sehr zu schaffen machten. Inzwischen hat er zwar gelernt sie zu unterdrücken und unter Kontrolle zu halten, aber es fällt ihm schwer Beziehungen einzugehen. Ein reichlich in sich gekehrter Kerl also, der allerdings einen Raubüberfall vereitelt und dabei von einer Überwachungskamera gefilmt wird. Wenig später steht der zwielichtige Ex-Regierungsangestellte Raymond Addison (komplett mit schwarzem Trenchcoat und schwarzem Hut ein einziges Klischee: Louis Gossett Jr. „An Officer and a Gentleman”, „Iron Eagle”) bei ihm auf der Matte und erzählt ihnen von einer organisierten Gruppe krimineller Telekinetiker, die das Pentagon seit Jahren jagt, seine eingeschleusten Männer aber sofort ausschaltete. Mit der Presse als Druckmittel in der Hinterhand überzeugt Addison ihn letzten Endes auch zur Mitarbeit und Shefford infiltriert nach einer Aufnahmeprüfung die Gruppe, nur um festzustellen, dass die Grenzen zwischen Gut und Böse gar nicht so klar zu ziehen sind. Weder Addison noch Geiger sind in ihrer Überzeugung richtige Chorknaben.

Inszenierung und Look lassen für die Produktionsverhältnisse keinen Grunde zum Klagen. Ganz im Gegenteil, so ist beispielsweise die erste Begegnung von Addison und Shefford im nebeligen Stadion erstklassig umgesetzt und auch später zeigt James Seale, dass er auf jeden Fall das Talent besitzt Filme auf Kinoniveau zu drehen, sofern der finanzielle Rahmen dabei mitspielt. Auch der spätere Angriff der Spezialeinheit auf Shefford an seinem Büro zeugt von einer visuellen Versiertheit des Regisseurs in Punkto Actionszenen und Atmosphäre.

Besonders der Actionanteil fällt allerdings enttäuschend gering aus. Der gute Start, der Überfall und die Zerstörung eines Geldtransporters, mit ausgesprochen guter Tricktechnik ausgestattet, bietet einen netten Vorgeschmack, über den „Momentum“ allerdings nicht hinauskommt. Vor allem Duelle zwischen telekinetisch Begabten hätten öfter stattfinden können und enttäuschen dann in ihrer Länge. Insbesondere der Showdown ist in seiner Kürze schon wieder vorbei als er gerade angefangen hat.

Ein weiteres Manko ist die innovationslose Geschichte. Speziell Louis Gossett Jr., der gar nicht so eherne Absichten hegt, sondern in den Siebzigern mit Telekineten experimentierte und, als er merkte, dass sie ihm als Waffen über den Kopf wuchsen, auszuradieren versuchte, fällt durch Einfallslosigkeit auf. Nun will er die letzten Exemplare, die sich vor der Umwelt abgekanzelt haben und versteckt halten, liquidieren und damit die Akte endgültig schließen. Auf den Spuren von William Stryker, inklusive Säuberungsteam, foltert er Informationen aus Gefangenen und verlegt er das Finale dann auch in die ehemalige Ausbildungsstätte, wo klassisch die Schöpfung gegen den Schöpfer antritt. Originell wird seine Figur leider in keinster Weise angelegt, zumal „X2“ auch noch dem selben Jahr entstammt.

Darüber hinaus gesellt sich zu dem Hauptplot später ein Duo FBI-Agenten, bestehend aus der forschen Jordan Ripps (Teri Hatcher, „Tomorrow Never Dies“, „Jane Doe“) und alten Hasen Frank McIntyre (Carmen Argenziano, „A Murder of Crows“, „Malevolent“), die so etwas wie das Salz in der Suppe sind und das Geschehen aufpeppen, obwohl sie lange Zeit hinterherhinken und nicht klar blicken wer den Transporter überfiel. Hatcher spielt selbstironisch vor ihrer Wiedergeburt in „Desperate Housewives“ auf ihren schwindenden Ruhm an und Carmen Argenziano gibt den sarkastischen Zyniker, der keine Idee seiner Kollegin unkommentiert lassen kann. Es dauert leider ziemlich lang, bis sie endlich zum Hauptplot stoßen, weil sie lange nur dafür zuständig sind dem Zuschauer Hintergrundinformationen zu vermitteln, und selbst dann nehmen sie eher eine passive Stellung ein. Deshalb fügen sie sich etwas ungelenk ein.

Natürlich muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, nachdem Shefford auf einer abgelegenen Präriefarm die Gruppe infiltriert und dabei feststellen muss, dass dieser unlegitime Pogrom eigentlich unschuldige Menschen ausrottet, die zumindest zum Großteil nichts auf dem Kerbholz haben. Lediglich ihr Anführer Adrian Geiger (Michael Massee, „The Crow“, „Playing God“), der frei nach Magneto einen größeren Krieg anzetteln will und eine Handvoll sich um ihn scharrender Gefolgsleute sehen ihre Situation ein klein wenig anders, wofür Shefford nach einem klärenden Gespräch zumindest soviel Verständnis aufbringt, dass er die Zusammenarbeit mit Addison abbricht, selbst zum Zielobjekt wird und sich auf der Flucht Geigers Truppe anschließt. Zu allem Unglück hat er sich in dessen Tochter verguckt, die Addison darauf entführt, um Geiger in eine Falle zu locken, die dann das Finale darstellt.

Ripps und McIntyre, zwischenzeitlich längst von oberster Stelle zurückgepfiffen, geraten dann von ihrer eigenen Neugierde getrieben und höchst inoffiziell nach Besuchen diverser Verdächtiger zwischen die Fronten, dienen aber eigentlich nur zur Demonstration der telekinetischen Kräfte.
Der Härtegrad liegt dabei leicht über dem der „X-Men“, das Meiste passiert aber im Off, weswegen die FSK 16 schon gerechtfertigt ist, denn zimperlich in der Wahl seiner Mittel zeigt sich niemand.

Schade, dass das persönliche Dilemma von Zachary Shefford nahezu auf ein Minimum zurückgefahren wird, so dass speziell seine Figur sehr blass bleibt. Denn Geiger und Addison taugen ebenfalls lediglich zu soliden Charakteren, die so verbohrt eben die üblichen Starrköpfe gegnerischer Fraktionen stellen und sich nicht belehren lassen, wohingegen Shefford mit seiner „menschlichen“ Freundin und Tristen Geiger (Nicki Aycox, „Jeepers Creepers II“, „Dead Birds“) zumindest das Potential besaß eine mehrdimensionale Figur zu ergeben. Dito gilt für das dezent angesprochene Thema Rassismus, aber einen tiefgründigen Film erwartet (hoffentlich) niemand.


Fazit:
Das Vorbild „X-Men“ sieht man „Momentum“ eigentlich in jeder Szene an und mehr als eine TV-Alternative, der natürlich die Klasse des Originals fehlt, stellt der Film auch gewiss nicht dar. James Seales Inszenierung gefällt mir allerdings gut, auch wenn sie den letzten konsequenten Drive vermissen lässt. Anstatt auf peinliche Tricks, deren Qualität man dem hier offensichtlich nur durchschnittlichen Budget ansieht, zu setzen, dosiert er die Action rarer, zeigt lieber etwas im Off (das Exekutionskommando auf der Farm) oder nur kurz und trifft mit dosiertem Humor (u.a. Anspielung auf „The X Files“) auch den richtigen Ton. Die soliden Darsteller und der gelungene Look, der für eine TV-Produktion ungewöhnlich hochwertig ausfällt, sorgen für einen positiven Gesamteindruck, der natürlich nicht darüber hinwegblicken lässt, dass dem Film Innovationen und ein beständiger Spannungsbogen fremd sind. Der überflüssige Cliffhanger zum Schluss erweckt allerdings den lästigen Eindruck den Piloten einer nie realisierten TV-Serie vorgesetzt zu bekommen. Einfallslos und auch ohne stringentes Drehbuch, dafür allerdings souverän inszeniert.

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