Das Senta-Kettensägen-Massaker
ist dieser Film hier nicht, auch wenn er in erster Linie dafür bekannt ist, dass Senta Berger die Kettensäge schwingt.
Diese Szene habe ich mir im Vorfeld allerdings drastischer vorgestellt, als sie im Film dann tatsächlich ist. Denn dieser Giallo ist deutlich weniger trashig als man wegen des Kettensägen-Teasers vermuten würde und Senta Berger überzeugt auf ganzer Linie als unwissentliche, aber dafür um so taffere Gangstergattin.
Letztlich muss man fragen, ob wir es denn überhaupt mit einem wirklichen Giallo zu tun haben, da hier der Mörder mit dem schwarzen Handschuh fehlt und es so gesehen auch nur einen einzigen Mord zu sehen gibt. Zwar darf wieder eine Puppe abstürzen und wir bekommen es mit einer Rothaarigen zu tun, aber so richtig giallo wirkt das nicht.
Dennoch liefert bereits die Ausgangsposition der erzählten Geschichte typische Thrillerkost für das Genrekino, auch wenn klassische Topoi des Subgenres, allem voran die Morde an kaum bis gar nicht bekleideten Frauen, fehlen:
Ein Mann hat sein Gedächtnis verloren und sieht sich plötzlich mit verbrecherischen Machenschaften konfrontiert. Als er auf seine Frau trifft, kommen ihm bruchstückhaft Bilder ins Gedächtnis und nach und nach löst sich das Geheimnis, wodurch er und seine Frau sich wachsender Ungemach ausgesetzt sehen, die am Ende beider Leben bedroht.
Aus diesem in seiner Grundstruktur bereits interessanten Plot macht Duccio Tessario einen insgesamt spannenden und stimmungsvollen Thriller, der zum Miträtseln einlädt, einem seine Figuren gelungen nahebringt und mit einer sehr sympathischen Senta Berger aufwarten kann. Zudem erweist sich Portofino als wunderschöne Kulisse und verbreitet mit seinen Gassen und den Küstenbildern eine angenehme Urlaubsatmosphäre.
Eingefangen werden die Bilder fachkundig und hier und da wird sehr schön mit Tiefenschärfe und Brennweiten gearbeitet, so dass die Kameraarbeit schon gediegen wird, wenngleich man sich nicht in Spielerein verliert. Die Kamera wird also in bestem Sinne zweckdienlich geführt und vermittelt ein gutes Gefühl für die Raumstrukturen in dem sehr kleinen und vertrackten Ort. Giulio Albonico ist mir aber nicht weiterhin bekannt und hat auch keine weiteren großen Würfe in seiner Filmografie. Einen guten Job hat er aber schon gemacht.
Gianni Ferrio hingegen ist ein alter Bekannter für Genreliebhaber und hatte bereits „Death Walks at Midnight" und dem ebenfalls von Tessario inszenierten „Blutspur im Park" vertont, zwei gelungene Vertreter des Subgenres. Und auch hier fühlt man sich gleich wohl mit einer Musikuntermalung, wie sie typischer nicht sein könnte. Ein Highlight ist der Score vermutlich nicht, aber bereits im DVD-Menü stimmt das Hauptthema wohlig auf einen Genrefilm ein.
Fazit
„Der Mann ohne Gedächtnis" ist kein allzu aufregender und spektakulärer Vertreter des Giallos, aber durchaus ein gelungener, der neben seiner von Sorgfalt geprägten Inszenierung vor allem mit einem durchdachten Plot, einer wunderbaren Kulisse und überzeugenden Darstellern auftrumpfen kann. Für die allererste Güte fehlen dann aber doch die Sensationen im Inhalt und im technischen Bereich.
Insgesamt kann man diesen Film auch Menschen empfehlen, die den Giallo allgemein als zu schmuddelig und inhaltlich zu holprig empfinden. Von beiden Vorwürfen kann man „Der Mann ohne Gedächtnis" vollkommen freisprechen.