Die kleine Ortschaft Giove in der mittelitalienischen Region Umbrien ist so etwas wie Charles Bands persönliches Castle Rock. Wann immer er seinen Vollmond mal wieder im Lichte gotischer Romantik leuchten lassen wollte, begab er sich einfach in das verschlafene 1500-Seelen-Nest, in dessen Herz praktischerweise auch eine Burg zur Verfügung stand, die er als barocke Kulisse sehr zu schätzen wusste; nicht erst in „Castle Freak“ von 1995 oder in „The Pit and the Pendulum“ von 1991, sondern bereits 1990, als er mit „Twin Peaks“-Star Sherilyn Fenn in der Hauptrolle das Logo seiner eigenen Produktionsfirma auf eine besonders schmusekuschelige Art interpretierte.
„Meridian“ beginnt aber nicht im „Castello di Giove“, sondern im anliegenden „Park der Ungeheuer“, einer Touristenattraktion, deren Nebeneinander aus bewaldeten Flächen und monumentalen Skulpturen fast ein wenig an die Sagenwelten der griechischen Antike erinnert. Schon wenn die Gauklertruppe um die Zauberer-Zwillinge Lawrence und Oliver (Malcolm Jamieson in einer Doppelrolle) mitten in der Nacht bei magischem Flutlicht durch den Orcusrachen spazieren wie durch ein Dimensionsportal, weiß man, dass Band solche Kulissen niemals selbst hätte errichten lassen können für so einen kleinen Film. Er zehrt spürbar von der Lebenskraft der Drehorte, die in manchen Einstellungen wahrhaft magisch wirken, und er tut gut daran, diese Orte nicht zu leugnen, so wie es zum Beispiel Rumänien in „Dark Angel“ ergangen ist. Um sich auf den nächsten Italien-Urlaub einzustimmen, könnte man kaum besseres Anschauungsmaterial finden.
Entsprechend reizvoll ist „Meridian“ deswegen von seiner optischen Seite. Die Vorzüge der Schauplätze werden bei allen Tageszeiten mit durchaus professionellem Auge eingefangen, wenn auch immer mit einer gewissen Tendenz zum Kitsch. Dennoch: Ob die Schausteller bei Tage auf der Bühne für die Handvoll Bewohner der Gemeinde Kunststücke aufführen oder des Abends bei schummrigem Fackelschein in der Burg den Rittertafeln aus dem Mittelalter nacheifern, gerade die erste Filmhälfte ist gefüllt mit gemütlich wirkenden, maximal heimeligen Gesellschaftsereignissen. Zusätzlich an Attraktivität gewinnt das Beisammensein durch die Gesellschaft selbst: Sherilyn Fenn in der Blüte ihres Lebens ist natürlich der Blickfang des Films, Charlie Spradling wiederum sorgt als ihre Freundin dafür, dass die Blicke des Zuschauers hin und wieder auch mal ein wenig zwischen den Punkten pendeln.
So viel Eyecandy, da sollte doch der Kontrast zum Monströsen eine entsprechende Wirkung zeigen. Wo die Schönheit strahlt, da ist das Hässliche eben auch nicht fern; auf dieser Logik basiert der unumgängliche Vergleichswert „Die Schöne und das Biest“, den Charles Band in der Konzeptionsphase ohne jeden Zweifel im Kopf gehabt haben muss. In einer Mischung aus billig-charmanten Überblendungseffekten auf Höhe der Spezialeffekte von „Der Wolfsmensch“ (1941) bis hin zu den ambitionierteren Tricks nach Vorbild von „American Werewolf in London“ (1981) wird der Monster-Mann qualitativ doch mit recht unterschiedlichem Ergebnis zum Leben erweckt, wobei die finale Maske von Alex Daniels als Biest gemessen am Budget sogar recht ansehnlich geworden ist.
Die stets traumartigen Begleiterscheinungen seiner Auftritte lassen ihn aber nie bedrohlich wirken. In dieser Kategorie strahlte sogar ein Tollpatsch wie Samson aus der Sesamstraße mehr Bedrohliches aus, musste man bei ihm doch zumindest stets damit rechnen, dass er sich aus Versehen auf seine Freunde setzte und sie mit seinem schieren Gewicht zermalmte. Eher Mitleid erregt nun das Antlitz des Wer-Wölfchens. Das Böse blitzt höchstens mal in den Visagen der animalischen Begleiter auf (darunter einmal mehr Phil Fondacaro als frecher Giftzwerg), ultimativ dann im Gesicht des bösen Zwillings, den Malcolm Jamieson aber ähnlich ausdruckslos darstellt wie den guten Zwilling, was den Clou um den doppelten Magier trocken verpuffen lässt. Schauspielerisch hervorzuheben ist wiederum Hilary Mason, die als gutherzige Ziehmutter der jungen Schlosserbin durchaus Eindruck hinterlässt.
Sobald man sich aus der traumwandlerischen Stimmung löst und darauf konzentriert, was das Drehbuch da eigentlich fabriziert, ist der Zauber natürlich endgültig dahin. Der arme Drehbuchautor Dennis Paoli bekommt da von seinem Boss Märchen-Konventionen auf den Schreibtisch geworfen, die der irgendwo mal mit halbem Ohr mitbekommen hat, und Paoli muss die Einzelteile nun irgendwie zusammenkleben. Im besten Fall führt das zu Erdrutschen der Logik (bei so mancher Enthüllung muss man sich dann schon fragen, wie gewisse Sequenzen dann vorher überhaupt möglich gewesen sind), im schlimmsten Fall sogar zu fragwürdigen Umkehrungen der Romantik, wenn etwa eine Vergewaltigung am nächsten Morgen so lapidar abgetan wird wie ein Kater, den man sich selbst zugefügt hat.
Interessant hingegen wird es immer, wenn durch die italienischen Nebendarsteller ein wenig regionale Kultur in die Handlung einfließt. Es gibt in dem Zusammenhang auch einige Passagen auf Italienisch (die im Deutschen leider mit synchronisiert wurden). Zumeist geht es dann um Aberglauben und alte Mythen, durchaus elegant visualisiert durch die symbolträchtigen Requisiten, insbesondere einer der Aufhänger des Films, ein gerahmtes Bild, hinter dem ein weiteres Bild verborgen ist. Nicht nur dient diese Thematik als Einführung für Charlie Spradling, die eine Restauratorin spielt, sie dient ferner dem Übernatürlichen, das hinter dem Natürlichen lauert, als geschmackvolle Metapher.
Klar ist: Man sollte die Einladung des Films unbedingt annehmen und sich von den Sinneseindrücken benebeln lassen. Bloß über nichts weiter nachdenken, denn sonst geht das hier ziemlich in die Hose. „Meridian“ hat seine Stärken klar in der charismatischen Location und den manchmal erstaunlich stimmungsvoll eingefangenen Impressionen davon. Horror und Monsteraction, Blut und Gekröse werden fast null geboten, auf die kitschigen Höhepunkte mit Liebesbekundungen und deren Verknüpfung mit der Ewigkeit hätte man auch gerne verzichten können. Nicht jedoch auf die ein, zwei geschmackvoll arrangierten erotischen Eskapaden, denn sie sind das Salz in einer kräftig mediterranen Suppe, über deren Zutaten man eben besser nicht zu viel in Erfahrung bringen sollte.