Als gebürtiger Hannoveraner ist man natürlich stolz auf seinen stadteigenen Massenmörder und daß Ulli Lommel die Taten Fritz Haarmanns hier nach Bochum verlegt hat, gibt natürlich schon mal Abzüge in der B-Note.
Aber sein Portrait des homosexuellen Mörders ist auch so eine sehr zwiespältige Angelegenheit. Abseits der darstellerischen Künste seines Hauptdarstellers Kurt Raab, der wirklich wie ein Wesen vom anderen Planeten wirkt und die Zerbrechlichkeit des Charakters fühlbar macht (wenn auch nicht im mindesten Haarmann ähnelt, sondern bewußt in die Richtung eines modernen Nosferatu angelegt ist), bietet der Film nicht viel.
Charakterentwicklung oder Darlegung derselben ist hier mehr oder minder Zufall, Milieuschilderung im Dunstkreis Faßbinders scheint hier der Hauptansatzpunkt gewesen zu sein.
Weder ergibt sich eine Begründung für die Taten Haarmanns, noch sieht man irgendeine soziopathische Notwendigkeit sexueller Natur, irgendwelche Ausreißer oder Junghomosexuele zu erwürgen, bzw. ihnen die Halsschlagader durchzubeißen.
Zwar ist Lommel nicht plakativ, vermeidet aber auch jegliche Spekulation, sondern läßt seine Interpretation des modernen Vampirs einfach so bestehen, eine Mischung aus freundlichem Nachbarn (auch wenn man in seinen Fleischlieferungen stets Menschenfleisch vermutet), zärtlichem Liebhaber und abhängiger schwuler Kindlichkeit von etwas, was nie genauer ausgeleuchtet wird.
Seine Beziehung zu seinem Lover und Helfer Gremm, der hier wie ein moderner Zuhälter im weißen Anzug daherkommt, bleibt rudimentär; der Wechsel von Taten und Stimmungen, von Beherrschtheit und Willkür geschieht beliebig. Lommel zitiert nebenbei nicht selten Fritz Langs „M“, etwa bei dem Mord an dem kleinen Jungen aus dem selben Haus, in dem Haarmann wohnt, scheitert jedoch schon an einer historisch genauen Einordnung.
Letzteres ist vielleicht mit Budgetmängeln zu erklären, denn abgesehen von Haarmanns Dachstube wirkt die Umgebung selten wie ein Spiegelbild der 20er Jahre, sondern wechselhaft wie das Deutschland der Nachkriegszeit um 1950 oder noch moderner, was sich besonders in den Innenräumen unangenehm wiederspiegelt.
Die Dialoge scheinen wie zufällig, statisch und kantig in das Spiel eingefügt, so daß es problematisch scheint, überhaupt eine Genrezugehörigkeit auszumachen. Und die sinnfreien Auftritte von Meister Faßbinder selbst als so eine Art Gangsterboss sind himmelschreiend überflüssig.
Insgesamt ein Film, der vieles anreißen will, aber nichts entwickelt, mehr Autorenszenario als Blick in die Psyche eines Mörders, der wie Haarmann selbst nur Chiffre bleibt. (3/10)