Die erste Zusammenarbeit von Regisseur Philippe Labro und Frankreichs Leinwandikone Jean-Paul Belmondo, die nur wenige Jahre für den wahnsinnig guten „Der Greifer“ erneut kollaborierten, bildet ein willkommenes Kontrastprogramm zu Belmondos auch damals schon merklich einfältige, nichtsdestotrotz aber schwer unterhaltsame, spaßige Rollenauswahl. Ihm zur Seite stehen für „Der Erbe“ etliche alte Bekannte wie Jean Rochefort, Charles Denner, Jean Desailly und natürlich nicht zu vergessen, sein langjähriger Weggefährte Michel Beaune.
Die Geschichte hingegen ist für Belmondo weniger gewöhnlich und endlich auch einmal etwas fordernd. Mit dem goldenen Löffel im Mund geboren, ist er als Bart Cordell der Sohn eines reichen Industriemagnaten, der mit seinen Stahlwerken, Werften und seinem eigenen Zeitungsverlag ein immenses Kapital angehäuft hat. Als Barts Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommen, ist er plötzlich Firmeninhaber und steht auf Platz 20 der reichsten Männer in der westlichen Hemisphäre...
„Der Erbe“ beginnt bereits früh seiner Figur die entsprechenden Charakteristika zuzuordnen und offenbart in Bezug auf Bart nicht den typischen, verzogenen Zögling, sondern viel mehr einen modern denkenden, zwar sexual umtriebigen und gestörten, Playboy, der die Medien zu instrumentalisieren weiß, ihre Macht kennt und darüber hinaus nicht an einen tödlichen Unfall seiner Eltern glaubt, sondern einen Privatdetektiv engagiert, der den Vorfall auf Sabotage oder Mord untersuchen soll.
Sein Misstrauen ist berechtigt, denn schon bei seiner Ankunft in Paris wird dem in New York lebenden Erben ein Koffer voller Drogen untergeschoben, der nur durch das Intervenieren von höchster politischer Stelle nicht einen sofortigen Eklat erwirkt.
Unterstützt durch einem tollen Score von Michel Colombier („Der Greifer“), der später nach Hollywood ging und unter anderem Scores für „Barb Wire“ arrangierte, stößt Labro mit seinem Drehbuch einen zu diese Zeit bereits frühen kritischen Gedanken bezüglich des Globalismus an, der Anfang der Siebziger natürlich erst noch größtenteils auf der europäischen Bühne seinen Lauf nahm.
Denn Bart wird, wie schon seinem Vater vor ihm, ein Kaufangebot von ausländischen Investoren für sein ganzes Imperium unterbreitet, das auch er nicht unterzeichnet, vermutet er dort doch die Mörder seines Vaters. Schade, dass diese Idee einer feindlichen Übernahme zugunsten eines komplizierten Familientwists dann bereits früh wieder aufgegeben wird.
Während Barts Macho-Attitüden auf seine weiblichen Gespielinnen weit mehr Faszination ausüben als auf das Publikum, glänzt Bart dann viel mehr als Frankreichs neuer Wirtschaftsreformator, der auch vom Staat misstrauisch beäugt und beschattet wird, aber mit seiner Offenheit, vor allem gegenüber der Presse, die möglichst bei allen seiner Sitzungen präsent ist und nicht zensiert wird, schnell Sympathien gewinnt, auch weil er ein Ohr für den einfachen Hilfsarbeiter hat und sich persönlich um ihre Belange in den riesigen Stahlwerken kümmert. Bart verkauft sich geschickt als ein Mann des Volkes, der Missstände innerhalb seines von abgestumpften, gealterten Direktoren geführten Konzerns veröffentlicht, sich damit zwar indirekt auch schadet, aber gleichzeitig seine Untergebenen zu Höchstleistungen anspornt.
Die spannenden Momente setzen sich dann vorwiegend aus Anschlägen zusammen, denen Bart jeweils entkommt, weil Glück und Zufall ihm zuspielen. Gleichzeitig spornen diese Vorfälle ihn aber auch an, Licht ins Dunkel zu bringen. Als energischer Mensch, der stets seinen Kopf hatte und seine Meinung direkt äußerte, ist ihm an der Wahrheit gelegen. An die führt ihn unter anderem ein Reporter, der noch von Barts Vater höchstpersönlich mit einer heiklen Ermittlung betraut wurde.
Während der Subplot um den ermittelnden Privatdetektiv eher weniger Erkenntnisse ans Tageslicht fördern, versucht Bart mithilfe seines ihm vertrauten Nuntius David Loweinstein (Charles Denner) selbst nach Antworten zu fahnden, die ihn über die Vertrauten seines Vaters schließlich auch alle Fragen auflösen.
Die Erkenntnis jahrelang manipuliert worden zu sein, nimmt er zwar ziemlich gefasst auf, soll dann aber auch ein sehr tragisches Ende heraufbeschwören, dem eine sich wiederholende Geschichte vorweg geht.
„Der Erbe“ mag es nie Top 10 von Belmondo geschafft haben und ist wohl auch aufgrund seiner ernsten Andersartigkeit einer seiner unbekanntesten Filme, verfügt darüber hinaus allerdings über ungeahnte Qualitäten, bei denen sich, wenn auch als Teil seiner Charakterisierung, sein gewöhnungsbedürftiges Sexualleben als in der Ausführlichkeit zu wichtig erscheint.
Als ernster Polit- und Wirtschaftsthriller kann der Film allerdings weitestgehend überzeugen und hätte wesentlich mehr werden können, wenn Labro den Film früh in eine anderen Richtung gedrängt hätte und Bart, ein Nationalist und Gegner des Globalismus, mit ausländischen Konzernen und der Staatspolitik selbst konfrontiert hätte.
So bleibt zwar immer noch ein soweit spannender, phasenweise aber arg gemächlicher Genrefilm, der einen Erben zeigt, der sein sorgloses Luxusleben aufgibt und überraschend visionär wie modern seine Aufgabe angeht, um viele vor den Kopf zu stoßen, einige zu überraschen und sich niemanden zu beugen. Nicht zuletzt die Suche nach den wahren Hintergründen des Tods seiner Eltern lassen ihn hartnäckig an seiner Linie festhalten.
Fazit:
Schade, dass sich „Der Erbe“ seinem Potential nicht stellt und auch Themen wie „Die Macht der medialen Gewalt“ nicht konsequent stellt. Heraus kommt immer noch ein sorgfältig inszenierter, einigermaßen spannender und am Ende tragischer Thriller mit einem guten Jean-Paul Belmondo, der als Nachfolger seines Vaters an eben ihm gemessen wird und deswegen auch alles umkrempelt, gleichzeitig aber auch an der Wahrheit interessiert ist. Letztlich etwas für Belmondo-Fans, denn herausragende Qualitäten fehlen leider. Solide, teilweise spannend und relativ interessant.