ACHTUNG: Kann Spuren von Spoilern enthalten!
Robert fährt nichts ahnend durch die nächtliche Pampa, als ihm Elisabeth, eine hübsche Blondine, völlig verwirrt und orientierungslos vors Auto läuft. Als sie verängstigt angibt verfolgt zu werden, packt Robert sie kurzerhand ins Auto und nimmt sie mit in die Stadt. Dort angekommen entfaltet sich nach und nach das komplette Ausmaß von Elisabeths Amnesie. Ihr Gedächtnis ähnelt dem einer Stubenfliege, die kurz nachdem sie gegen die Fensterscheibe geflogen ist nicht mehr weiß, warum ihr plötzlich der Kopf schmerzt. Als Robert Elsabeth kurz unbeaufsichtigt lässt, wird diese von einem mysteriösen Arzt in einen Klapsmühlen-Hochhauskomplex verschleppt, wo es von Patienten mit Störungen wie Elisabeths wimmelt…
Der eigentlich auf atmosphärisch dichte Vampirfilme spezialisierte Jean Rollin (FOLTERMÜHLE DER GEFANGENEN FRAUEN, LADY DRACULA, RAPE OF THE VAMPIRE) hier mit einem Exkurs in die Gerontopsychiatrie. Von der Thematik her auf den ersten Blick untypisch, birgt NIGHT OF THE HUNTED dennoch einige ganz Rollin-typische Elemente in sich. Eines davon wäre der Gebrauch von hübschen Darstellerinnen, wie man sie hier in Form von Brigitte Lahaie antrifft. Auch der hier vorherrschende triste, düstere, kompromisslos pessimistische Grundtenor trägt die Handschrift des Meisters. Eine Prise Sex darf bei Rollin natürlich auch nicht fehlen und deshalb werden einem auch hier ein paar ausgedehnte Softsex-Rammeleien geboten, welche allerdings reichlich langweilig ausfallen und beinahe etwas fehl am Platze sind.
Neben Sex gibt’s natürlich auch ein bisschen Gewalt, u.a. eine Schere im Auge und ein paar blutige Einschüsse, unterm Strich also nicht wirklich erwähnenswert.
Die Handlung gestaltet sich so, dass Robert selbstverständlich versucht, seine Holde aus den Fängen der bösen Ärzte zu befreien. Elisabeth wird unterdessen immer vergesslicher, erinnert sich bald nicht mal mehr an ihren Namen, geschweige denn an Robert, stellt schließlich ganz das Sprechen ein und wandelt am Ende nur noch hirntot einem Zombie gleich durch die Gegend. Am Schluss stellt sich heraus, dass diese extreme Form der Demenz die Folgen von radioaktiver Strahlung ist, was den Film so ein bisschen in die Öko-Horror-Schiene gleiten lässt und Vergleiche zu Machwerken wie LEICHENHAUS DER LEBENDEN TOTEN oder PESTIZIDE (auch von Rollin) nahe legt.
Die Stärken von NIGHT OF THE HAUNTED sind ganz klar seine dichte Atmosphäre und seine gesellschaftskritischen, philosophisch angehauchten Aspekte. Die beiden Liebenden Robert und Elisabeth finden zum Beispiel erst zueinander, als Robert einen Kopfschuss abbekommt, der ihn nicht tötet, sondern nur soviel von seiner grauen Masse wegfetzt, dass er nur noch zombiehaft rumeiern kann. Und so humpeln im Finale zwei Hirntoten Händchen haltend dem Abspann entgegen. Happy End.
Auf die Ohren gibt’s dann noch hypnotischer Sirenen-Singsang und Synthi-Gedudel. Wer aber jetzt denkt, der Film sei schrullig oder trashig, der irrt. Im Vergleich zu seinen italienischen Kollegen zeichneten sich die Werke von Rollin in der Regel stets durch ihr gehobenes Flair aus.
Fazit:
MEMENTO goes Eurotrash!
Zombie via Demenz – Vielleicht nicht Rollins Bester und über ein paar Spannungslücken muss man auch hinwegsehen, in seiner Gesamtheit aber doch sehr sehenswert. Und in Zeiten, in denen die Alzheimer Krankheit noch nicht den heutigen Forschungsstand hatte, als Horrorfilm beinahe visionär.