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Blicken wir zurück in das Jahr 1951, als das moderne Science-Fiction und Horror Kino einen durchaus relevanten Sprung machte. Nach dem global spürbaren Trauma des zweiten Weltkriegs war das amerikanische Volk einerseits ermüdet von einem Bedrohungsgefühl, welches sich durch weitere Konflikte und den omnipräsenten kalten Krieg nicht milderte, wurde durch diesen jedoch auch unter hohen Leistungsdruck gestellt. Rückblickend erinnern wir uns an das strebsame Wettrüsten nebst den Kampf um Pioniersarbeit im All. Die durchaus als paranoid ansehbare McCarthy-Ära überspitzte den rasanten wissenschaftlichen Fortschritt und die Angst vor dem Krieg gegen oder die Infiltration durch den Kommunismus. Gleichzeitig beunruhigten die Amerikaner zum Ende der Vierziger Sichtungen unidentifizierter Flugobjekte, die einen Höhepunkt in einem Absturz beim kleinen Örtchen Roswell fanden. Verschwiegenheit und Desinformation schürte den Eindruck eines unheimlichen Mysteriums, das im Kern den Kontakt mit außerirdischen Lebewesen bedeuten konnte.
Dieses Lebensgefühl manifestierte sich in zwei archetypischen Extremen für den phantastischen Film. Mit Der Tag, an dem die Erde stillstand verfolgte man auf den Leinwänden ein eher optimistisches, wenngleich kritisches Konzept, welches die menschlichen Fehltritte durch eine außerirdische Authorität ans Tageslicht bringt. Im RKO Film Das Ding aus einer anderen Welt, einer der nur zwei Produktionen der Firma Winchester Pictures Corporation von Howard Hawks, begegnet hingegen ein auf kleinem Raum ziemlich exakt gespiegelter Ausschnitt der zeitgenössischen Gesellschaft einer kaum mißzuverstehenden Bedrohung aus dem All.

Wo Dinosaurier in New York, Formicula und Godzilla die Giganten ins Kino der fünfziger Jahre einführten, ist Das Ding aus einer anderen Welt mit seinem intergalaktischen Frankenstein ein vielleicht unterschätztes Puzzleteil zwischen dem klassisch-gothischen und dem in der damals aktuellen Zeit eingetroffenen Monster. Von einer einleitenden Horror- oder Actionszene ist der Film dabei noch weit entfernt. Erst schrittweise erkennt die Besatzung einer arktischen Forschungsstation die Gefahr, der sie ausgesetzt ist.
Doch als grundsteinlegender Genrebeitrag kann sich Das Ding aus einer anderen Welt nicht nur eine langsame Gangart erlauben, die dem damaligen Publikum aus der Ungewißheit heraus mit Bestätigungen für bestehende Ängste gänsehauterregende Resultate erzielt. Vielmehr muß der Film hier noch Klischees erarbeiten, auf deren Kenntnis sich spätere oft schnell herunter gekurbelte Produkte stützen konnten.
Zusätzlich wird aus Rücksicht auf die finanziellen Möglichkeiten auf einen übermäßigen Einsatz des Monsters verzichtet. Dies gibt jedoch viel Raum, um auch hier eine tiefere Betrachtung der Figuren zu ermöglichen, die viele Nachfolger aus gestalterischem Mangel oder zu Gunsten des Tempos aussparen.

Obwohl Howard Hawks hier nicht als Regisseur genannt wird, bestätigen viele seiner Markenzeichen doch das Gerücht, er hätte Christian Nyby hier einen Gefallen erfüllt. Fast ohne Nahaufnahmen und mit sehr wenigen Zwischenschnitten stellt Das Ding aus einer anderen Welt seine Protagonisten über häufig in einer Gruppe stattfindende Gespräche vor. Auf diese sollte man sich auch tunlichst einlassen, um in den vollen Genuß des Films zu kommen.
Mit dem Auftauchen des abgestürten Ufos und dem im Eis gefundenen 'Ding' teilen sich die Anwesenden in den Reporter, der vor Freude über seine Sensationsmeldung über einen zumindest vorläufigen Maulkorb kaum erfreut ist, die militärische Besatzung und die Wissenschaftler. Für etwas Abwechslung in der überwiegend männlich besetzten Station sorgt die dunkelhaarige Powerfrau Nikki (Margaret Sheridan), die in eine intime Vergangenheit mit Patrick Hendry (Kenneth Tobey) durchscheinen lassenden Szenen eine verruchte Mischung aus kumpelhaftem Charme und betörender Bestimmtheit an den Tag legt, mit der sie sich in dieser Umgebung durchzusetzen wissen dürfte.

In einer fast schon bühnenartigen Perspektive ist es nun an allen Darstellern, die Gruppendynamik umzusetzten. Hier ist man keinesfalls gleicher Meinung. Aus erstaunlich heldenhaft-ruhigen Gesprächen heraus schleicht sich ein bedrohliches Ambiente ein, welches in mehreren, heute teils zu subtilen, Schockszenen direkt in die Dialoge hinein platzt. In Anbetracht der bestehenden Bedrohung sind die Soldaten nun vollkommen gegen die in ihren Augen kindisch-verspielten Wissenschaftler, welche die neu entdeckte Spezies bis aufs Äußerste untersuchen möchten. Diese bangen auch im Moment der Gefahr nicht um ihr Leben, sondern bezeichnen nun ihrerseits die Militärs als verängstigte Schulkinder. Beide Seiten haben vermutlich recht. Im Angesicht des Todes bleibt keine Zeit diesen Konflikt zu lösen. Die Kreatur muß zerstört werden.
Der bisherige Kenntnisstand der Forschung reich jedoch aus, um den an einen Vampir erinnernden Organismus mit viel gutem Willen als Symbol für den oben angesprochenen Kommunismus zu sehen. Während sich das Leben auf der Erde aus allerlei Kriechgetier entwickelte, hat sich die außerirdische Lebensform aus der Pflanzenwelt empor gehoben. Asexuell benötigt sie Blutplasma, um sich fortzupflanzen. Dem Grundton von Das Ding aus einer anderen Welt folgend, sollte man diese Option, die diese Metapher mit ebenso viel Phantasie wohl auch auf ein stark kapitalistisches System anwenden läßt, offen halten. Obwohl der Film sehr pro-militaristisch lesbar ist, zeigt er doch auch die allgemeine Ungewißheit über einen korrekten Umgang mit den Vorfällen. Nie werden wir erfahren, welche Bedeutung die forscherische Tätigkeit für die Menschheit gehabt hätte, da die wenig intellektuelle Hau-Drauf-Mentalität aus einem Dringlichkeitsgefühl die Oberhand gewinnt.

Dieser Annahme ist aber auch nur unter Ausschluß der Werkstreue ein wesentlicher Bestand vergönnt. Das Ding aus einer anderen Welt könnte kaum weiter von seiner Vorlage, der Kurzgeschichte Who Goes There? von John W. Campbell Jr. entfernt sein. Gerade weil die Gestaltwandlung vollständig ausgespart wird, was die Bedrohung doch im zeitgenössischen Sinne bedeutend unterstrichen hätte, muß man den Zweck des vorherrschenden Jargons, der leider eine durchgehend positive Rezeption nach dem Werk des Zahns der Zeit erschwert, hinterfragen. Sicherlich könnte sich hier eine bewußte Abkehr von zu politisierten Hintergründen verbergen. Der zentrierte Erfolg der heroischen Gruppe wird durch die abgeschwächte Darstellung der Bedrohung jedoch durchaus betont. Inwiefern sich die abweichende Deutung hier erst aus dem Abstand heraus ermöglicht wird, oder wie weit sich die Darstellung unbewußt selbst in Frage stellt, kann heute wohl nicht mehr exakt festgelegt werden.
Es erfordert auch eine gehörige Portion Einfühlungsvermögen, um den Horroranteil in unserer Zeit noch weitgehend nachzuempfinden. Gerade weil hier verhältnismäßig wenig Action inszeniert wird und die Spielszenen kaum noch eine klaustrophobische Wirkung erzielen können, ist es anstrengend, die Relevanz für das damalige Kino aufzudecken. Insbesondere die hervorragende Neuverfilmung von John Carpenter erleichtert als thematische Alternative den Zugang zu diesen Film nicht. Doch Das Ding aus einer anderen Welt hat die Filmwelt noch über seine Dekade hinaus beinflußt. Selbst zu Alien lassen sich Parallelen ziehen. Nachdem das Rösten des Ungeheuers zu einem förmlichen Standard gewachsen ist, sorgen augenzwinkernde Verweise wie im Film Creature für eine Präsenz in der Popkultur. So endet auch der japanische Low-Budget-Horror Crazy Lips mit einem zünftigen 'Keep watching the skies!'. Es muß also etwas dran sein, an diesem Werk, etwas, was der Genre-Fan einmal im Leben zumindest der Kontinuität wegen gesehen haben sollte.

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