Es heisst Abschied nehmen. Mit "Lizenz zum Töten" lief eben diese für den Darsteller Timothy Dalton aus. Der ungewöhnlich harte, 16. Bondfilm beendete Daltons kurzen Ausflug in die Welt des Geheimagenten. Die radikalen Veränderungen, die an dem Grundkonzept der vorherigen Filme gemacht wurden, ließen das Publikum wegbleiben - Mit John Glens "Lizenz zum Töten" hätte die Bondreihe fast ein Ende gefunden.
Warum? Nun, in diesem Film gleicht die Dalton'sche Darstellung des Bond so sehr wie noch nie zuvor der Originalfigur des Ian Flemming. Dalton verzichtet auf die Superman-Coolness des Roger Moore, und toppt noch die zerstörerische Düsternis des Sean Connery. Dieser harte, mordende Agent kommt der Vorlage am nähesten. Auch die brutale Umsetzung der Geschichte ist gewöhnungsbedürftig. In einer Story, in der Bond den Colt an den Nagel hängt, also aus dem Geheimdienst austritt, um einen persönlichen Rachefeldzug zu starten, gibt es genug Szenerien, die in ihrem Blutgehalt jeden anderen Bondfilm in den Schatten stellen. Auch ist es das erste Mal seit "Diamantenfieber", dass Bond kräftigst fluchen kann... insgesamt alles Merkmale dafür, dass die Uncutversion dieses Filmes ein R-Rating erhalten hat - und das zum ersten Mal in der Geschichte der Filmreihe.
Der Grund für Bonds Rachefeldzug: Der Drogendealer Franz Sanchez (Robert Davi) lässt die jung getraute Frau von Bonds Freund Felix Leiter umbringen. Leiter selbst wird gefoltert. Diese kräftige emotionale Zwickmühle in der Bond sitzt gibt Möglichkeiten für ein paar wirklich tolle Szenen - und die brutale Kaltblütigkeit des Franz Sanchez ist schon fast wohltuend nach den harmlosbelanglosen Minigangstern aus "Der Hauch des Todes". Sanchez ist endlich mal wieder ein realistischer Badguy - nicht zu over the top, und auch nicht zu gemächlich-langweilig. Sanchez wird der schleimig-fiese Milton Krest, toll gespielt durch Anthony Zerbe, nebengestellt. Die Bondgirls lassen sich sehen, machen allesamt eine buchstäblich gute FIgur. Von den Darstellern Robert Brown als M und Caroline Bliss als Miss Moneypenny müssen wir uns hier leider bereits verabschieden - in den nachfolgenden Bondfilmen werden sie ersetzt. Weiterhin erwähnenswert wäre Desmond Llewelyns wohl größte Rolle in einem Bondfilm. War Q schon in "Octopussy" bei dem Gelingen der Mission maßgeblich beteiligt, ist es hier sogar sein Privatvergnügen, Bond bei seinem Rachefeldzug zu unterstützen.
Das Ende ist dann ein megalomanistischer Showdown, der besser nicht inszeniert sein könnte. Erst wird ein riesiges buddhistisches Meditationszentrum in die Luft gesprengt, und dann gibt es noch halsbrecherische Truck-Action. Das alles ist deutlich unterhaltsamer und ein größerer Hingucker als "Der Hauch des Todes". Und beim unversöhnlichen Ende - Bond kann zwar mit seiner Mieze schwimmen gehen, aber es kommt zu keinem Reaktivieren seiner Lizenz durch M oder sonst jemanden aus dem Geheimdienst -, kann einem fast der Gedanke durch den Kopf gehen, dass dies der letzte, finale Bond werden sollte. Der extrem gute Showdown wäre ein fabelhaft würdiges Ende.
"Lizenz zum Töten" ist einer der unterschätzen Bondfilme. Clever, hart, schnell, klug, manchmal sogar witzig. Es ist der Film, der mit all dem Bond-Elementen, die Ian Flemming vorsah jonglieren kann, ohne in eine bestimmte Richtung abzudriften. Bond ist der Womanizer schlechthin, schlägt sich durch, kann fast jeden Gegner fällen, muss aber auch kräftig einstecken. Bond ist hier kein übernatürlicher Agent, der alles mit Leichtigkeit wegputzt (so teilweise bei Roger Moore gesehen), sondern ein verletzlicher Mann - mehr nicht. Aber trotz all des harten Realismus werden nicht Q und die abgedrehten Gadgets verleugnet. "Lizenz zum Töten" - ein letztes großes Highlight in der Bondreihe... Bond will return... but not in a six years...