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„Ein Bond sieht rot"

Der 16. (offizielle) Bondfilm hatte von Beginn an mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen. Bereits die Titelfindung brachte den sonst wie geölt laufenden Bond-Motor gehörig ins Stottern. Schon seit 1981 (For your eyes only) mussten die Produzenten auf Flemings Kurzgeschichten zurückgreifen, wollten sie zumindest noch im Titel den Bezug zum Bonderfinder wahren. 1989 standen nur noch drei Titel zur Verfügung - Risico, The Hildebrand Rarity und Quantum of Solace -, die beim Broccoli-Clan allesamt als zu unspektakulär bzw. konfus abgelehnt wurden (zumindest hinsichtlich des letztgenannten scheint sich diese Einschätzung inzwischen allerdings geändert zu haben). Aber auch der nach langem hin und her gefundene Titel License Revoked (Lizenz entzogen) wurde wieder verworfen, da man befürchtete das amerikanische Publikum könnte diesen nicht verstehen. Schließlich wurde es Licence to kill, ein Titel dem man problemlos jedem der 15 vorhergehenden Filme hätte geben können.

Aber es gab auch inhaltliche Querelen. Regisseur John Glen und Bond-Darsteller Timothy Dalton stritten sich heftig über die Ausrichtung der Hauptfigur. Nach seinem erfolgreichen Einstand mit The Living Daylights (1987) wollte Dalton diesmal ein gehöriges Wörtchen mitreden und die Rolle nach seinen Vorstellungen neu definieren. „Back to the roots" hieß das Credo, wobei hier weniger Connerys Interpretation als vielmehr der von Fleming kreierte Romanbond gemeint war. Härter, brutaler, kompromissloser und ernster sollte der Geheimagent angelegt werden. Der Humor und die Gadgets der Moore-Ära sollten endgültig der Vergangenheit angehören. Regisseur John Glen war dieser Schritt zu radikal. Zumal man bei Daltons Einstand weitestgehend auf Nummer sicher gegangen war und damit letztlich auch Erfolg hatte. Aber Dalton hatte Produzententitan Albert R. Broccoli hinter sich und damit die gewichtigeren Argumente.

So zeigt Lizenz zum Töten einen ungleich härteren Geheimagenten als der Vorgängerfilm. „Bond ist ein eiskalter Killer" - so Dalton in einem Interview - „und hat mehr mit seinen Widersachern gemein, als mit dem britischen Normalbürger". Obwohl Q seinen bis dato größten Auftritt bekommt, spielen die Gadgets nur eine untergeordnete Rolle. Detonationszahnpasta und eine Signaturwaffe sind die einzigen Geheimwaffen die Bond verwendet. In Der Hauch des Todes fuhr er noch einen Waffenstarrenden Aston Martin V8 mitsamt Laserkanonen, Düsenantrieb sowie ausfahrbaren Kufen und Spikes für den Wintereinsatz.
Die Hinwendung zu mehr Realismus und Härte wird auch bei Bonds Widersacher deutlich. Der skrupellose Drogenbaron Franz Sanchez (Robert Davi) hat durchaus reale Vorbilder in diversen südamerikanischen Drogenkartellen. Ebenso wie Daltons Bond geht er kompromisslos und brutal gegen sämtliche Widerstände innerhalb wie außerhalb seiner Organisation vor. Schon sein erster Auftritt gibt die Gangart vor. Als seine Freundin Lupe (Talisa Soto) fremdgeht, lässt er ihrem Geliebten kurzerhand das Herz herausschneiden und züchtigt die Untreue höchst persönlich mit einer Peitsche. Als es der CIA unter der Führung Felix Leiters gelingt Sanchez zu verhaften, besticht er kurzerhand den leitenden Beamten mit einer Millionenofferte und lässt Leiters Frau nach der geglückten Befreiungsaktion ermorden. „Verstehen Sie mich nicht falsch", erklärt er dem verzweifelten Leiter, „es ist nichts persönliches, es ist rein geschäftlich". Sagts und wirft ihn den Haien zum Fraß vor.

Diese und ähnliche Brutalitäten bescherten dem Film ein PG 13-Rating in den USA sowie eine FSK 16-Freigabe in Deutschland. Eine große deutsche Tageszeitung titelte „Rambond" und auch sonst war das Medienecho auf die härtere Ausrichtung der beliebten Franchise eher verhalten. Kritikerschelte konnte dem Erfolg der Bondfilme allerdings noch nie etwas anhaben - auch die heute hochgejubelten Connery-Bonds sahen sich seinerzeit heftigsten Vorwürfen seitens der Filmkritiker und Feuilletonisten gegenüber -, auf die Publikumswirksamkeit ihrer Streifen konnten sich die Macher stets verlassen.
Doch diesmal ging die Rechnung nicht auf. Lizenz zum Töten avancierte sowohl finanziell wie auch gemessen am Zuschauerzuspruch zur bis dato größten Pleite der Bondhistorie. Vor allem in den USA produzierte der Film ein katastrophales Ergebnis und landete weit abgeschlagen hinter Hits wie Batman, Indiana Jones und der letzte Kreuzzug oder Lethal Weapon 2 auf den Plätzen. Zwar erreichte auch der 16. Bondfilm die Gewinnzone, brach aber gegenüber dem ebenfalls nicht phänomenal erfolgreichen Vorgänger um etwa 25% ein. Der Neujustierung der Hauptfigur sowie der deutlich härteren Gangart wurde damit eine klare Absage erteilt.

Was war schiefgelaufen? Ist Lizenz zum Töten einfach ein schwacher Bondfilm? Mit Sicherheit nicht. Daltons zweiter Auftritt als englischer Superspion gehört zu den besten Vertretern der langlebigen Franchise. Unter nicht wenigen Fans rangiert der Film erstaunlich weit oben und ist seit seinem Erscheinen eigentlich stetig populärer geworden.
Die Story wird geradlinig und ohne Schnörkel erzählt. Das Thema des internationalen Drogenhandels war und ist brisant und eine wohltuende Abwechslung zu den immer abstruser gewordenen Allmachtsphantasien diverser Bondgegner der Vergangenheit. Trotz der ungewohnt grimmigen und brutalen Ausrichtung der Hauptfigur ist es häufig Sanchez, der für die Beseitigung einiger seiner Mitarbeiter sorgt. In offenkundiger Anlehnung an Plotstrukturen des Kurosawa-Klassikers Yojimbo (u.a. auch Vorbild für Sergio Leones Für eine Handvoll Dollar) infiltriert Bond die Organisation des Drogenbarons und säht dort geschickt Neid und Misstrauen.
Robert Davi gibt einen vortrefflichen Gegenspieler und zieht sämtliche Register. Sein überaus geschäftstüchtiger Drogenbaron Sanchez ist sowohl gewitzter Charmeur als auch grausamer Despot. Anders als viele seiner „Larger than life"-Vorgänger wirkt er absolut glaubwürdig, was ihn umso gefährlicher erscheinen lässt.

Neben einer interessanten Handlung und einem überzeugendem Schurken, bietet Lizenz zum Töten natürlich auch die „üblichen" Schauwerte der Bondreihe. So gibt es eine Reihe fantastischer Locations wie die endlosen „Überwasser-Highways" auf Key West oder eine mondäne mexikanische Luxusvilla mit Meerblick zu bestaunen. Die beiden Bondgirls Carey Lowell (als ehemalige CIA-Agentin Pam Bouvier) und Talisa Soto (als Sanchez Geliebte Lupe Lamora) sind nicht bloß schmückendes Beiwerk, sondern nehmen wiederholt entscheidenden Einfluss auf verschiedene Handlungsstränge. Beide sind durchaus selbständige Frauen, die genau wissen, was sie wollen. Keine Selbstverständlichkeit im Bonduniversum.
Auch bei den Actionszenen und Stunts bekommt der Zuschauer gewohnt hohe Qualität geboten. Bereits in der spektakulären Eröffnungssequenz wird ein Kleinflugzeug von einem Helikopter an die Leine genommen. Leiter und Bond springen daraufhin per Fallschirm punktgenau zur Hochzeit des CIA-Agenten. Darüber hinaus gibt es barfüßiges Wasserski zu bewundern sowie eine rasante und „explosive" Verfolgungsjagd mit voll beladenen Benzin-Trucks. Wie bei der Handlung hat man auch hier auf völlig unglaubwürdige Szenarien sowie die in der Vergangenheit häufig eingebauten Slapstickeinlagen verzichtet.

Wenn man etwas kritisieren will, so bieten sich am ehesten die den Film beherrschende Rachethematik sowie Daltons Interpretation der Hauptfigur an. Als Bond von der Verstümmelung seines Freundes Felix Leiter und der Ermordung dessen Ehefrau erfährt sieht er wortwörtlich rot. In „bester" Charles Bronson-Manier geht er auf einen persönlichen Rachefeldzug, der eine Schneise des Todes und der Verwüstung in Sanchez Organisation schlägt. Als M versucht ihn zurückzupfeifen, kündigt er kurz entschlossen seine Mitgliedschaft beim MI6.
Dieser Bruch mit einer der ehernsten Säulen des Bondschen Selbstverständnisses war großen Teilen des Publikums offenbar zu radikal. Wenn man sich bei Bond auf eines verlassen konnte, dann war es seine unbedingte Loyalität gegenüber Arbeitgeber und Mission. Zwar hatte er auch bereits bei Im Geheimdienst ihrer Majestät (1969) "gekündigt", wurde dabei aber durch einen Kniff der treuen Miss Moneypenny (sie formulierte das Gesuch einfach in einen Urlaubsantrag um) erfolgreich ausgebremst.
In Lizenz zum Töten operiert Bond dagegen fast den gesamten Film auf eigene Faust. Das Problem liegt hier allerdings weniger bei der Tatsache an sich, als vielmehr bei der zugrundeliegenden Motivation. In keinem der vorangegangenen Filme war Bonds Freundschaft zum CIA-Kollegen Felix Leiter annähernd so motiviert, dass sie eine solche Reaktion rechtfertigen oder zumindest glaubhaft erscheinen lassen würde. Zudem hat Bond in Diamantenfieber (1971) die Ermordung seiner Ehefrau Tracy durch seinen Erzfeind Blofeld erheblich besser verkraftet. Darüber hinaus gelingt es Dalton nicht so recht die dunklen Seiten seiner Figur auszuloten. Es klingt banal, aber der erfolgreiche Bühnenschauspieler erscheint in seinem Spiel einfach zu nett, um den brutalen Killer James Bond überzeugend auf die Leinwand zu bringen. Dem aktuellen Bonddarsteller Daniel Craig, dessen zweiter Film Ein Quantum Trost interessanterweise eine ganz ähnliche Plotstruktur aufweist, nimmt man dagegen den brutalen und knallharten Geheimagenten erheblich leichter ab.
Überhaupt schien Dalton nie so recht mit der Rolle verwachsen zu sein. Trotz seiner anerkannt außergewöhnlichen mimischen Fähigkeiten erscheint er nicht als Idealbesetzung für James Bond. Anders als Connery und Moore gelang es ihm nicht, der Figur seinen Stempel aufzudrücken. So sollte es trotz zweier überdurchschnittlicher Bondfilme zu keiner weiteren Zusammenarbeit kommen. Der Weg für den von den Produzenten bereits 1987 favorisierten Pierce Brosnan (ein Fernsehkontrakt verhinderte das Engagement) war nun endgültig frei.

Fazit:
Lizenz zum Töten ist trotz seines finanziellen Misserfolges an der Kinokasse einer der besten Filme der Bondhistorie. Zwar ist Bonds kompromissloser Rachefeldzug in seiner Motivation durch den Plot sowie in seiner Darstellung durch Hauptdarsteller Timothy Dalton etwas unglaubwürdig geraten (ungeachtet seiner unbestrittenen mimischen Qualitäten erscheint Dalton nicht als Idealbesetzung für den englischen Superspion und stand folgerichtig auch nicht mehr für den Nachfolger GoldenEye (1995) zur Verfügung). Trotzdem besticht der Film durch eine straff und spannend erzählte Geschichte, die durch das Thema internationaler Drogenhandel seit langem wieder einmal erfrischend realitätsnah und am Puls der (Entstehungs-)Zeit daher kam. Gadgets und Albernheiten wurde zudem eine klare Absage erteilt.
Robert Davi gibt einen vortrefflichen Schurken ab, der seiner Figur eine bedrohliche Aura aus Charme, Geschäftsinn und Grausamkeit verleiht. Die beiden durchaus attraktiven Bondgirls überraschen durch Selbstbewusstein und zupackendes Handeln. Abgerundet wird das insgesamt gelungene Bondabenteuer durch eine Reihe fantastischer Locations und perfekt inszenierter Actioneinlagen.

(8,5/10 Punkten)

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