Das Ende der gerade mal zwei Filme umfassenden Bond-Ära mit Timothy Dalton („Made Men“, „American Outlaws“) nimmt innerhalb der Reihe gleich in vielerlei Hinsicht eine außergewöhnliche Stellung ein. „Licence to Kill“ war ein Novum, weil die Macher mit über Jahrzehnte hinweg etablierten Traditionen brachen und mit dieser bewussten Stiländerung die Reihe aufgrund diverser Faktoren (Einspielergebnisse blieben hinter den Erwartungen zurück, Dalton hatte keine Lust mehr, Franchiseautor Richard Maibaum verstarb) für ganze sechs Jahre still legte, bevor dann Pierce Brosnan („Live Wire“, „Dante's Peak“) in „GoldenEye“ zurückkehrte.
Sich wieder am aktuellen Zeitgeschehen bewegend, tritt Bond dieses Mal gegen den Drogenbaron Franz Sanchez (Robert Davi, „Raw Deal“, „Maniac Cop 2“) an. Als der britische Geheimagent auf Key West weilt, um als Trauzeuge bei der Hochzeit seines langjährigen Freundes Felix Leiter (David Hedison, „The Fly“, „Live and Let Die“) zu fungieren, gelingt es den beiden in einer kurzfristig anberaumten Operation eine Unvorsichtigkeit von Sanchez zu nutzen und den eigentlich unangreifbar im einem südamerikanischen Domizil hausenden Verbrecher zu verhaften. Doch der kauft sich frei, lässt Felix Frau umbringen und ihn selbst von einem Weißen Hai verstümmeln. Bond nimmt die Sache persönlich, quittiert sogar den Dienst und macht, als er die Tatenlosigkeit der C.I.A. und D.E.A. bemerkt, es sich zur Aufgabe im Alleingang der Gerechtigkeit genüge zu tun.
Timothy Dalton gibt diesen wie ausgewechselt wirkenden Geheimagenten nüchtern wie emotionell reagierend, so dass vom Gentleman nicht mehr viel übrig ist. Konsequenzen scheren ihn wenig. Dafür hagelte es seinerzeit Kritik aus der Frauenwelt und auch ich konnte nie so richtig etwas mit Dalton in der Hauptrolle anfangen, weil die britische Eleganz ihm völlig abhanden kommt, auch wenn der geschüttelte Wodka Martini nicht fehlen darf. Aber er machte seine Sache überzeugend und verkörpert einen Agenten, der menschlich reagiert und dabei nie jemanden nah an sich heranlässt. Warum erfahren wir dann wohl bald in „Casino Royale“.
„Licence to Kill“ überzeugt mit einem Bond, wie man ihn noch nie gesehen hat und danach auch nie wieder sah, der in einem harten Kontrast zu Vorgänger Roger Moore steht, welcher seine Aufgaben stets süffisant und humorig absolvierte. Mehr als ein paar trockene Kommentare sollen diesem verbitterten Bond allerdings nicht über die Lippen kommen. Zunächst ganz auf sich allein gestellt, fallen die Techtelmechtel mit den Bond-Girls (fast) gänzlich flach, zumal sie in diesen harten und brutalen Agententhriller auch in dieser Form gar nichts zu suchen haben. Sein Vorgehen erweist sich als unverhandelbar. Bond mordet und tötet wenn es der Zweck erfordert, besonders Sanchez Abgang hat es in sich.
Unterstützung findet er lediglich bei der emanzipierten Pam Bouvier (Carey Lowell, „Dangerously Close“, „The Guardian“), einer Vertrauten Leiters, und Q (Desmond Llewelyn) der hier mit stolzen 75 Jahren und sichtlichem Spaß zum ersten Mal länger im Außendienst tätig ist und ohne Wissen des MI6 Bond mit den nötigen Gimmicks ausstattet.
Hervorzuheben sind vor allem die wahnsinnig guten Actionszenen aus der das explosive Finale, eine unglaubliche, hervorragende getrickste, spektakuläre Verfolgungsjagd mit Tanklastern unter Stinger-Raketenbeschuss und die beste dieser Art innerhalb der Bond-Reihe, heraussticht. „Licence to Kill“ war leider auch ein Abschied von John Glen, der nicht nur bei ganzen fünf Bond-Filmen Regie führte, sondern vor dieser Zeit schon als Cutter und Second Unit Director seinen Teil zum Gelingen der Franchise beitrug und hier, rein von der Inszenierung betrachtet, seinen besten Bond dreht. Schade, dass er danach nie wieder ein würdiges Projekt angeboten bekam. Die folgenden „Aces: Iron Eagle III“, „Christopher Columbus: The Discovery” und sein Spätwerk „The Point Men” ließen seine Qualitäten nicht mehr durchblicken.
Die gewohnt souveränen Tauchepisoden, der luftige Beginn mit einer tollen Stunteinlage, die schon erwähnte Verfolgungsjagd mit umkippenden, explodierenden und verunglückenden, schrottreifen Tanklastern, sowie die vorhergehende Zerstörung der Drogenfabrik und jener Stunt bei dem ein Auto in die Schlucht haarscharf an einem Flugzeug vorbeischießt, sind auf höchstem technischen Niveau angesiedelt und stechen einige der damals aktuellen Hollywood-Produktionen aus.
Das durchweg ernste und mehrmals blutige Abenteuer nähert sich nach einer schlichten Ära dann auch wieder der Exotik der früheren Bond-Filme, gibt seinem Protagonisten aber nie die Zeit der Flora & Fauna zu frönen, denn der hat nur seine Rache im Sinn, möchte möglichst jeden aus der Schusslinie haben und schert sich, so scheint es mehrmals, auch nicht sonderlich um sein persönliches Leben. Aus dem Lebemann ist ein Racheengel geworden, der sich seiner Mission stets bewusst ist und zunächst geduldig in Leiters Organisation eindringen muss, um überhaupt an ihn heranzukommen.
Robert Davi rückt als Franz Sanchez dann auch von den größenwahnsinnigen larger than life- Bösewichten früherer Tage ab und spielt sich als unberechenbarer, kaltblütiger, gleichzeitig auch nie leichtsinniger Geschäftsmann in die oberste Riege der neueren Generation von Bond-Bösewichten. An seiner Seite fungiert übrigens der damals frisch ins Filmgeschäft einsteigende und schon sehr dämonisch blickende Benicio Del Toro („Fear and Loathing in Las Vegas“, „The Hunted“), während die Bond-Girls (u.a. auch Talisa Soto („Mortal Kombat“, „Ballistic: Ecks vs. Sever“) als Sanchez love interest) in diesem Abenteuer zu der schwächeren und weniger erinnerungswerten Sorte zählen. Vielleicht wollte man auch einfach nicht von der Hauptfigur ablenken. Anthony Zerbe („The Omega Man”, „Star Trek: Insurrection”) und Cary-Hiroyuki Tagawa („Showdown in Little Tokyo”, „Bridge of Dragons”) sind übrigens noch zwei weitere bekannte Gesichter, von denen allerdings leider nur Zerbe mit mehr Minuten ausgestattet wird, die er dann als dreckiger Handlanger auch zu nutzen weiß.
Die Tatsache, dass Sanchez überhaupt nicht weiß wer Bond eigentlich ist, noch dessen Zielsetzung kennt, gibt Bond und damit auch den Autoren die Gelegenheit auf einem schmalen Grat zu wandern. Immer Gefahr laufend aufzufliegen, wagt er sich ganz nah an Sanchez heran, um dann geduldig auf den richtigen Moment zu warten, Zwietracht zu säen, aufzuwiegeln und das Syndikat mit einem Schlag zu erledigen. Dieses Spiel mit dem Feuer, weil es stets Personen gibt, die ihn identifizieren könnten, sorgt dann für einige knisternde Momente und erreicht in Sanchez Drogenfabrik seinen Höhepunkt.
Fazit:
Den rauen, gnadenlosen „Licence to Kill“ kann man fast aus der Bond-Reihe auskoppeln, denn so betroffen und emotional sah man den Geheimagenten vorher nicht und später nie wieder. Ernst, mit knapp dosiertem Humor, sehr brutal, aber auch spektakulär, schickt John Glen zum Abschied den dahinscheidenden Timothy Dalton in ein spannendes Agentenabenteuer voller irrer Actionszenarien. Das Publikum wollte dies nicht so sehr honorieren, klammerte sich wohl auch zu sehr an Gewohnheiten, doch im Kontext betrachtet war so ein Stilwechsel längst fällig. Die Realität hatte Überagent James Bond seit „ On Her Majesty's Secret Service“ zum ersten Mal wieder eingeholt und beschert dem Publikum damit den besten Bond seit langem.