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Wenn europäische Filme für Aufruhr sorgen oder sich mit Filmen aus der Traumfabrik Hollywood messen können, dann kommen sie meist aus Frankreich. Nacht etlichen Actionfilmen ist es nun ein Slasher, der zumindest unter Genrefans für Aufruhr sorgen dürfte und der wohl beste Beitrag seit „Wrong Turn“ ist. Nachdem sich die Franzosen mit „Deep in the woods“ nicht gerade mit Ruhm bekleckerten, serviert Alexandre Aja einen knüppelharten Beitrag, der es in sich hat und wahrlich nichts für schwache Gemüter ist.

Obwohl man sich in den ersten Minuten eher in einem Spin-Off von „Jeepers Creepers“ wähnt, braucht „Haute Tension“ nicht sonderlich lange, um in die Vollen zu gehen. Das gesamte Geschehen spielt in einer einzigen, düsteren Nacht – dementsprechend sind auch die Ausleuchtungen und die Stimmung. Die Idylle in der sich die beiden Studentinnen befinden, als sie die Familie der einen auf dem Land besuchen, wird im Nu eingerissen. Aja nimmt sich keine Zeit, um Charaktere vorzustellen (woraus dann auch leider folgt, dass uns die Toten relativ gleichgültig sind), sondern säht mit einer oft sehr experimentellen Musikbegeleitung Suspense. Man ahnt, dass etwas passieren wird. Nur was, ist die Frage…

Lange muss man auf die Antwort nicht warten, da der Killer schon bald der Familie einen Besuch abstattet. Und was für einen… Es ist einige Zeit her, dass ein Slasher den Zuschauer über die gesamte Spielzeit fesseln und schocken kann. Das ist nicht nur der oben schon beschriebenen Musik, sondern auch der düsteren, verstörenden Optik des Films zuzuschreiben. Die Nacht, der Mondschein, die Wälder, die Kornfelder – sie eignen sich ausgezeichnet, um Urängste vor dem bösen, schwarzen Mann zu wecken. Hinzu kommt eine sehr lineare Struktur, die in diesem Genre immer förderlich ist, sofern man ein Niveau zu halten versucht und dem Zuschauer keine Chance zum Durchatmen geben will.

Selten wurde in den letzten Jahren so explizit auf die Darstellung von Gewalt gesetzt. Tabus traut sich Aja zwar nicht zu brechen, sondern überlässt zu geschmacklose Morde lieber der Phantasie des Zuschauers, doch für Genrefreunde hat „Haute Tension“ allerlei Blutkonserven parat. Der Killer selbst geht, ohne viele Worte, trocken, kompromisslos und mit einer instinktiven Professionalität sein Handwerk an. Warum? Das erklärt die Schlusspointe.

Erfreulich, dass sich mal wieder ein Slasher traut bierernst zu bleiben und keinen Hang zur Selbstparodie zu entwickeln. Weder werden Klischees (Sex, Drugs and Alcohol – Mörder steht hinter der Tür etc) angehäuft, noch besitzt der Film ein stupides Whosdunit-Ende. Ob final noch mal so deutlich „The Texas Chainsaw Massacre“ zitiert werden musste, ist allerdings mehr als fraglich und war wohl nur ein Zugeständnis an Gorehounds, die es, nach der Auflösung, noch einmal so richtig krachen sehen wollten.

Wer nun hofft, dass „Haute Tension“ das Genre neu erfindet, dem sei die Illusion von vorne herein genommen. Es ist sicher einer der besten Beiträge der vergangenen Jahre, der sich keinesfalls am Mainstream orientiert und nichts für schwache Mägen ist. Aja hat seine Vorbilder gut studiert, versetzt die beiden hübschen Französinnen in ein grauenhaftes Szenario und lässt die abwechslungsreiche, aber nicht immer stimmige Musik wunderbar mit seiner düsteren Optik und der ordentlichen Kameraarbeit harmonieren, so dass hier ein sehr intensives Filmerlebnis zu Stande kommt. Wirklich geniale, neuartige Aspekte zeigt der Film aber nicht, auch wenn die in Ansätzen vorhanden sind. Man denke nur an die Masturbationszene in Verbindung mit Schnitt und Ton. Kleine Logikpatzer sind durchaus vorhanden, doch sollte man die bei Slashern nicht ganz sogenau wie bei ernsthaften Thrillern nehmen. Primär geht es hier um Spannung zu erzeugen, sie aufrecht zu erhalten und das schafft „Haute Tension“ beeindruckend gut. Versäumt wurde dabei nur leider ein Appetithappen, eine Pre-Intro-Sequenz, die Lust auf mehr macht. Der unkonventionelle Blow-Job ist da nur ein müder Versuch irgendwo noch schwarzen Humor unterzubringen.

Fazit:
„Haute Tension“ definiert das Genre nicht neu, bietet aber über die volle Spielzeit enorme Spannung. Die detaillierten Kills, die Ernsthaftigkeit, sein linearer Verlauf und seine düsteren Bildkompositionen sind in Verbindung mit der Musik klare Pluspunkte. Zu mehr als einem guten Genrebeitrag reicht es aber angesichts einiger kleinerer Mängel trotzdem nicht. So sehr ich honorieren möchte, dass Aja nicht lange fackelt – Die Familie ist nur Futter für den Killer und geht dem Zuschauer dementsprechend am Arsch vorbei. Final bekommt der Plot nicht so Recht die Kurve und seien wir mal ehrlich: Die letzte Szene haben wir doch schon viel zu oft gesehen, oder?

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